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Grundwissen

Energiebilanz beim Alpha-Zerfall

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Beim Alpha-Zerfall emittiert der Mutterkern \(\rm{X}\) ein \(\alpha\)-Teilchen (\(\rm{He}\)-Kern). Die Ordnungszahl des Tochterkerns \(\rm{Y}\) ist um \(2\), die Massenzahl um \(4\) kleiner als die des Mutterkerns.
  • Die Reaktionsgleichung lautet \(_{Z}^{A}{\rm{X}}\to\;_{Z-2}^{A-4}{\rm{Y}} +\;_{2}^{4}{\rm{He }}\)
  • Der \(Q\)-Wert berechnet sich mit Atommassen durch \(Q = \left[ m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right)-m_{\rm{A}}\left( \rm{Y} \right)-m_{\rm{A}}\left(_{2}^{4}{\rm{He }} \right) \right] \cdot c^2\)
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Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Alpha-Zerfall auf der Nuklidkarte

Bei schwereren Kernen stellt der \(\alpha\)-Zerfall eine sehr häufig vorkommenden Zerfallsart dar. Der tiefere Grund hierfür ist die im Vergleich zu Nachbarkernen hohe mittlere Bindungsenergie beim Heliumkern. In der Nuklidkarte sind Kerne mit \(\alpha\)-Aktivität gelb markiert.

Möglichkeiten zur Berechnung des \(Q\)-Wertes

Für die Berechnung des Energieverlustes bzw. Energiegewinns bei einer Kernreaktion, also des sogenannten \(Q\)-Wertes, sind zwei Betrachtungsweisen möglich:

  • Man geht von den Kernmassen aus
  • Man geht von den Atommassen aus

Die experimentelle Bestimmung von Kernmassen ist auch mit modernster Technik kaum möglich. Die Bestimmung von Atommassen dagegen gelingt sehr genau mit Hilfe von Massenspektrometern, bei denen man durch die Ablenkung von z.B. einfach ionisierten Atomen in elektrischen und magnetischen Feldern deren spezifische Ladung bestimmt. Deshalb wird der \(Q\)-Bestimmung über die Atommassen größere Bedeutung zukommen, da man über die Atommassen eine sehr genaue Kenntnis besitzt.

Beide Wege im Vergleich

Tab. 1 Berechnung des \(Q\)-Wertes beim \(\alpha\)-Zerfall
  Überlegung mit Kernen Überlegung mit Atomen
Animation
Reaktion

Der Mutterkern \(\rm{X}\) emittiert ein \(\alpha\)-Teilchen und wandelt sich dabei in den Tochterkern \(\rm{Y}\) um.

Der Tochterkern \(\rm{Y}\) besitzt also \(2\) Protonen und \(2\) Neutronen, insgesamt also \(4\) Nukleonen weniger als der Mutterkern.

  • Das neutrale Mutteratom \(\rm{X}\) emittiert ein \(\alpha\)-Teilchen und wandelt sich dabei (formal) in ein zweifach negativ ionisiertes Tochteratom \(\rm{Y}^{--}\) um. Das Tochteratom ist zweifach negativ ionisiert, da der Kern zwei Protonen verloren und die Hülle damit zwei Elektronen zu viel hat. \[_{Z}^{A}{\rm{X}}\to\; _{Z-2}^{A-4}{\rm{Y}^{--}} +\; _{2}^{4}{\rm{He}}^{++}\]
  • Im Anschluss finden in der Umgebung folgende Prozesse statt:
    • Das zweifach negativ geladene Tochteratom \(\rm{Y}^{--}\) gibt zwei Elektronen ab und wird zum neutralen Atom \(\rm{Y}\)\[_{Z-2}^{A-4}{{\rm{Y}}^{--}} \to\;_{Z-2}^{A-4}{\rm{Y}} + 2\,{\rm{e}}^{-}\]
    • Das zweifach positiv geladene \(\alpha\)-Teilchen nimmt zwei Elektronen auf und wird zum neutralen \(\rm{He}\)-Atom\[_{2}^{4}{\rm{He}}^{++}+2\,{\rm{e}}^{-}\to\;_{2}^{4}{\rm{He}}\]

Diese Reaktionsgleichungen kann man formal zu einer zusammenfassen.

Reaktions-gleichung \[_{Z}^{A}{\rm{X}}\to\;_{Z-2}^{A-4}{\rm{Y}}+\;_{2}^{4}{\rm{\alpha }}\] \[_{Z}^{A}{\rm{X}}\to\;_{Z-2}^{A-4}{\rm{Y}}+\;_{2}^{4}{\rm{He}}\]
Q-Wert

Berechnung des \(Q\)-Werts\[\begin{eqnarray}Q_{\rm{\alpha,K}} &=& \left[ {{m_{\rm{K}}}\left( {\rm{X}} \right) - \left( {{m_{\rm{K}}}\left( {\rm{Y}} \right) + {m_{\rm{K}}}\left( {\rm{\alpha }} \right)} \right)} \right] \cdot c^2\\&=& \left[ {{m_{\rm{K}}}\left( {\rm{X}} \right) -  {{m_{\rm{K}}}\left( {\rm{Y}} \right) - {m_{\rm{K}}}\left( {\rm{\alpha }} \right)}} \right] \cdot c^2\end{eqnarray}\]Nun ist die Bindungsenergie \(B_{\rm{e}}\left({\rm{X}} \right)\) der Hüllenelektronen des Mutteratoms größer als die Summe der Bindungsenergien \(B_{\rm{e}}\left({\rm{Y}} \right)\) und \(B_{\rm{e}}\left({\rm{He}} \right)\) der Hüllenelektronen von Tochteratom und \(\rm{He}\)-Atom. Zum "Umbau" der Atomhüllen wird die Energiedifferenz\[\begin{eqnarray}\Delta {B_{\rm{e}}} &=& {B_{\rm{e}}}\left( {\rm{X}} \right) - \left( {{B_{\rm{e}}}\left( {\rm{Y}} \right) + {B_{\rm{e}}}\left( {{\rm{He}}} \right)} \right)\\&=& {B_{\rm{e}}}\left( {\rm{X}} \right) - {{B_{\rm{e}}}\left( {\rm{Y}} \right) - {B_{\rm{e}}}\left( {{\rm{He}}} \right)} \end{eqnarray}\]benötigt. Diese Energiedifferenz muss von dem \(Q_{\rm{\alpha,K}}\)-Wert subtrahiert werden, um die den Zerfallsprodukten letztendlich zur Verfügung stehende Energie \(Q\) zu berechnen:\[Q = {Q_{\alpha ,{\rm{K}}}} - \Delta {B_{\rm{e}}}\]

Berechnung des \(Q\)-Werts\[\begin{eqnarray}Q=Q_{\rm{\alpha,A}} &=& \left[ m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right) - \left( m_{\rm{A}}\left( \rm{Y} \right) + m_{\rm{A}}\left(_{\rm{2}}^{\rm{4}}{\rm{He}} \right) \right) \right] \cdot c^2\\&=& \left[ m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right)-m_{\rm{A}}\left( \rm{Y} \right)-m_{\rm{A}}\left(_{2}^{4}{\rm{He }} \right) \right] \cdot c^2\end{eqnarray}\]

Energie-aufteilung

Aufteilung der frei werdenden Energie nach dem Zerfall\[Q=E_{\rm{kin}}\left( {\rm{\alpha }} \right)+ E_{\rm{kin}}\left( {\rm{Y}} \right)+E^*\left( {\rm{Y}} \right)+E_{\rm{Hülle}}^*\left( {\rm{Y}} \right)\]Dabei ist

  • \(E_{\rm{kin}}\left( {\rm{\alpha }} \right)\) die kinetische Energie des emittierten \(\alpha\)-Teilchens.
  • \(E_{\rm{kin}}\left( {\rm{Y}} \right)\) die kinetische (Rückstoß-)Energie des Tochterkerns.
  • \(E^*\left( {\rm{Y}} \right)\) eine eventuelle Anregungsenergie des Tochterkerns; diese wird mit einer sehr kurzen Halbwertszeit in Form eines oder mehrerer \(\gamma\)-Quanten abgegeben.
  • \(E_{\rm{Hülle}}^*\left( {\rm{Y}} \right)\) eine eventuelle Anregung der Elektronenhülle des Tochteratoms; diese Energie wird mit einer sehr kurzen Halbwertszeit in Form von charakteristischer RÖNTGEN-Strahlung des Tochteratoms oder aber Elektronen, die die Atomhülle des Tochteratoms verlassen (sogenannter AUGER-Elektronen) abgegeben. Bei Rechnungen in der Schule wird \(E_{\rm{Hülle}}^*\left( {\rm{Y}} \right)\) vernachlässigt.

 

Hinweise

Die Reaktionsgleichung mit Atomen entsteht formal durch die Addition von 2 Elektronen auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung für Kerne. Die beiden Gleichungen für den \(Q\)-Wert unterscheiden sich bei Atome mit kleiner Ordnungszahl nur wenig, bei Atomen mit großer Ordnungszahl aber merklich.

Bei einem \(\alpha\)-Zerfall werden in der Praxis häufig auch mehrere Elektronen mit aus dem Atom herausgerissen, so dass positiv geladene Tochteratome entstehen, die sich durch Folgeprozesse aber auch schnell in neutrale Atome umwandeln.

Beispiel: Alpha-Zerfall von Po-210

Tab. 2 Berechnung des \(Q\)-Wertes beim \(\alpha\)-Zerfall von \(_{84}^{210}{\rm{Po}}\)
  Überlegung mit Kernen Überlegung mit Atomen
Reaktions-gleichung \[_{84}^{210}{\rm{Po}}\to\;_{82}^{206}{\rm{Pb}}+\;_{2}^{4}{\rm{\alpha }}\] \[_{84}^{210}{\rm{Po}}\to\;_{82}^{206}{\rm{Pb}}+\;_{2}^{4}{\rm{He}}\]
Massen

\(m_{\rm{K}}\left(_{84}^{210}{\rm{Po}}\right)=209{,}937314724\,\rm{u}\)

\(m_{\rm{K}}\left(_{82}^{206}{\rm{Pb}}\right)=205{,}929974875\,\rm{u}\)

\(m_{\rm{K}}\left(_{2}^{4}{\rm{He}}\right)=4{,}001506179\,\rm{u}\)

\(m_{\rm{A}}\left(_{84}^{210}{\rm{Po}}\right)=209{,}982873601\,\rm{u}\)

\(m_{\rm{A}}\left(_{82}^{206}{\rm{Pb}}\right)=205{,}974465124\,\rm{u}\)

\(m_{\rm{A}}\left(_{2}^{4}{\rm{He}}\right)=4{,}002603254\,\rm{u}\)

Q-Wert

\[\begin{eqnarray}Q_{\rm{\alpha,K}} &=& \Delta m \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{K}}}(_{84}^{210}{\rm{Po}}) - \left( {{m_{\rm{K}}}\left( {_{82}^{206}{\rm{Pb}}} \right) + {m_{\rm{K}}}\left( {_2^4{\alpha}} \right)} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{K}}}\left({_{84}^{210}{\rm{Po}}}\right) - {m_{\rm{K}}}\left( {_{82}^{206}{\rm{Pb}}} \right) - {m_{\rm{K}}}\left( {_2^4{\alpha}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {209{,}937314724\,{\rm{u}} - 205{,}929974875\,{\rm{u}} - 4{,}001506179\,{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}005833670 \cdot {\rm{u}} \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}005833670 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ &=& 5{,}4340\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\]Hiervon muss die Differenz\[\begin{eqnarray}\Delta {B_{\rm{e}}} &=& {B_{\rm{e}}}\left( {_{84}^{210}{\rm{Po}}} \right) - {B_{\rm{e}}}\left( {_{82}^{206}{\rm{Pb}}} \right)-{B_{\rm{e}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)\\ &=& 15{,}73\,{\rm{eV}} \cdot \left( {84}^{\textstyle{7 \over 3}} - {82}^{\textstyle{7 \over 3}} - {2}^{\textstyle{7 \over 3}}\right)\\ &=& 0{,}0265\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\] der Bindungsenergien der Hüllenelektronen von \(_{84}^{210}{\rm{Po}}\) sowie \(_{82}^{206}{\rm{Pb}}\) und \(_2^4{\rm{He}}\) subtrahiert werden, so dass nach dieser Rechnung eine Energie von \[Q=5{,}4340\,{\rm{MeV}}-0{,}0265\,{\rm{MeV}}=5{,}4075\,{\rm{MeV}}\] frei wird.

\[\begin{eqnarray}Q=Q_{\rm{\alpha,A}} &=& \Delta m \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}(_{84}^{210}{\rm{Po}}) - \left( {{m_{\rm{A}}}\left( {_{82}^{206}{\rm{Pb}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}(_{84}^{210}{\rm{Po}}) - {m_{\rm{A}}}\left( {_{82}^{206}{\rm{Pb}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {209{,}982873601\,{\rm{u}} - 205{,}974465124\,{\rm{u}} - 4{,}002603254\,{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}005805223 \cdot {\rm{u}} \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}005805233 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ &=& 5{,}4075\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\]

Energie-aufteilung

Eine mögliche Aufteilung der frei werdenden Energie:

  • \(E_{\rm{kin}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)=4{,}517\,\rm{MeV}\)
  • \(E_{\rm{kin}}\left(_{82}^{206}{\rm{Pb}}\right)=0{,}088\,{\rm{MeV}}\)
  • \(E^*\left(_{82}^{206}{\rm{Pb}}\right)=0{,}803\,\rm{MeV}\)

 

Hinweis: Die hier angegebenen Atommassen wurden der AME2016 des AMDC-Atomic Mass Data Center entnommen. Die hier angegebenen Kernmassen wurden berechnet aus den Atommassen abzüglich der Masse der Elektronen zuzüglich der nach dem THOMAS-FERMI-Modell angenäherten Bindungsenergie der Elektronen.