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Grundwissen

Zusammenhang von Atom- und Kernmassen

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Atommasse \(m_{\rm{A}}\) unterscheidet sich von der Kernmasse \(m_{\rm{K}}\) um die Summe der Ruhemassen der im Atom gebundenen Elektronen und um die Bindungsenergie der Elektronen in der Atomhülle.
  • Die gesamte Elektronenbindungsenergie wird abgeschätzt mit \(B_{\rm{e}} = 15{,}73\,\rm{eV} \cdot Z^{\textstyle{7 \over 3}}\)
  • Oft reicht die näherungsweise Berechnung der Kernmasse mittels \(m_{\rm{K}}\left( \rm{X} \right) \approx m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right) - Z \cdot m_{\rm{e}}\)
Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Schematische Darstellung eines Atomkerns

Als Kernmasse \(m_{\rm{K}}\) eines Atoms bezeichnen wir die Masse eines von allen Elektronen der Hülle befreiten "nackten" Kerns.

Die Kernmassen von Atomen sind auch heute noch nur sehr schwer experimentell zu bestimmen.

Joachim Herz Stiftung
Abb. 2 Schematische Darstellung eines Atoms

Als Atommasse \(m_{\rm{A}}\) eines Atoms bezeichnen wir die Masse des Atomkerns und aller Elektronen der Hülle.

Aufgrund der Massenspektroskopie sind heute die Atommassen \(m_{\rm{A}}\) sehr vieler Isotope mit hoher Genauigkeit von häufig \(10^{-7}\,\rm{u}\) bis \(10^{-6}\,\rm{u}\) experimentell bestimmt.

Berücksichtigung der Bindungsenergie der Elektronen in der Hülle

Die Atommasse \(m_{\rm{A}}\) unterscheidet sich also von der Kernmasse \(m_{\rm{K}}\) zunächst um die Summe der Ruhemassen der im Atom gebundenen Elektronen \(Z \cdot m_{\rm{e}}\). Ein weiterer – allerdings viel kleinerer Beitrag zur Atommasse rührt von der Bindungsenergie der Elektronen in der Atomhülle her.

So ist z.B. vom Termschema des Wasserstoffs bekannt, dass das \(\rm{H}\)-Atom im Grundzustand energetisch um \(13{,}6\,\rm{eV}\) tiefer liegt als ein System aus einem freien Proton und einem freien Elektron, falls beide sehr wenig kinetische Energie besitzen. Dieser Energiedifferenz \(\Delta E = 13{,}6\,\rm{eV}\) entspricht nach der EINSTEINschen Beziehung eine Massendifferenz \(\Delta m = \frac{{\Delta E}}{{{c^2}}}\). Daher gilt z.B. für die Masse des \(\rm{H}\)-Atoms\[m_{\rm{A}}\left( \rm{H} \right) = m_{\rm{K}}\left( \rm{H} \right) + m_{\rm{e}} - \frac{13{,}6\,\rm{eV}}{c^2}\]

Diese Überlegung lässt sich ohne weiteres auf ein Atom \(\rm{X}\) mit \(Z\) Elektronen übertragen. Wird der Betrag der gesamten Bindungsenergie aller \(Z\) Elektronen im Grundzustand der Atomhülle mit \(B_{\rm{e}}\) bezeichnet, so gilt\[m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right) = m_{\rm{K}}\left( \rm{X} \right) + Z \cdot m_{\rm{e}} - \frac{B_{\rm{e}}}{c^2}\]Umgekehrt folgt für die Kernmasse\[m_{\rm{K}}\left( \rm{X} \right) = m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right) - Z \cdot m_{\rm{e}} + \frac{B_{\rm{e}}}{c^2}\]

Abschätzung der Elektronenbindungsenergie

Da die gesamte Elektronenbindungsenergie \(B_{\rm{e}}\) experimentell nicht direkt bestimmt werden kann, ist man auf theoretische Abschätzungen angewiesen. Die Berechnung nach dem sogenannten THOMAS-FERMI-Modell liefert für ein Atom mit \(Z\) Elektronen den Näherungswert\[B_{\rm{e}} = 15{,}73\,\rm{eV} \cdot Z^{\textstyle{7 \over 3}}\]

Um die Größenordnung zu verdeutlichen, sind in der folgenden Tabelle für einige Isotope die Atommassen, und die mit obiger Korrektur berechneten Kernmassen zusammengestellt.

Isotop \(Z\) \(m_{\rm{A}}\;\rm{in}\;\rm{u}\) \(Z \cdot m_{\rm{e}}\;\rm{in}\;\rm{u}\) \(\frac{B_{\rm{e}}}{c^2}\;\rm{in}\;\rm{u}\) \(m_{\rm{K}}\;\rm{in}\;\rm{u}\)
\({}^1{\rm{H}}\) \(1\) \(1{,}00782522\) \(0{,}00054858\) \(0{,}00000001\) \(1{,}00727665\)
\({}^{16}{\rm{O}}\) \(8\) \(15{,}9949149\) \(0{,}00438864\) \(0{,}00000216\) \(15{,}9905284\)
\({}^{40}{\rm{Ca}}\) \(20\) \(39{,}962589\) \(0{,}0109716\) \(0{,}0000183\) \(39{,}951635\)

 

Bei praktischen Berechnungen, in denen Kernmassen mit \(6\) bis \(7\) geltenden Ziffern ausreichen (z.B. bei Berechnungen von Massendefekt und Kernbindungsenergie), genügt demnach immer die Näherung\[m_{\rm{K}}\left( \rm{X} \right) \approx m_{\rm{A}}\left( \rm{X} \right) - Z \cdot m_{\rm{e}}\]Rechnungen, in denen noch genauere Massenwerte benötigt werden (z.B. \(Q\)-Berechnungen bei Kernreaktionen oder Zerfällen), sollen zweckmäßig mit den experimentell genau bestimmten Atommassen durchgeführt werden.