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Grundwissen

Auswerten von Absorptionskurven

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Aus Messwerten z.B. der Zählrate \(R\) ionisierender Strahlung hinter Absorbern kannst du mit verschiedenen Methoden z.B. die Zählrate \(R_0\) ohne Absorber, den Absorptionskoeffizienten \(\mu\) und die Halbwertsschichtdicke \(d_{1/2}\) bestimmen.
  • Welche Methode du wählst hängt von der Aufgabenstellung und den vorhandenen technischen Hilfsmitteln wie GTR oder Tabellenkalkulation ab.

Bei vielen Aufgaben zur Abschirmung ionisierender Strahlung sollst du aus vorgegebenen Messwerten zur Zählrate \(R\) (\(\left[ R \right] = \frac{{\rm{1}}}{{\rm{s}}}\)) hinter einem Absorber mit veränderbarer Schichtdicke bestimmte Größen wie z.B. die Zählrate \(R_0\) ohne Absorber, den Absorptionskoeffizient \(\mu\) oder die Halbwertsschichtdicke \(d_{1/2}\) bestimmen.

Wir stellen dir im folgenden drei verschiedene Methoden zur Bestimmung von \(R_0\), \(\mu\) und \(d_{1/2}\) vor. Welche du in einer Aufgabe anwendest hängt davon ab,

  • wie die Aufgabenstellung konkret formuliert ist und
  • welche technischen Hilfsmittel wie GTR oder Tabellenkalkulation dir zur Verfügung stehen.

Wie bereits angedeutet gehen wir in unserem Beispiel von der Messung der Zählrate \(R\) hinter einem Absorber in Abhängigkeit von der Schichtdicke \(d\) des Absorbers aus. Die gleichen Methoden kannst du aber anwenden, wenn du die Ionendosis \(J\) (\(\left[ J \right] = 1\,\frac{{\rm{C}}}{{{\rm{kg}}}}\)), die Energiedosis \(D\) (\(\left[ D \right] = 1\,\frac{{\rm{J}}}{{{\rm{kg}}}} = 1\,{\rm{Gy}}\)) oder eine irgendwie angegebene "Intensität" (z.B. in \(\%\)) gegeben hast.

Die folgenden Messwerten sollen gegeben sein:

Tab. 1 Messwerte

\(d\;\rm{in}\;\rm{cm}\) \(1{,}0\) \(2{,}0\) \(3{,}0\) \(4{,}0\) \(5{,}0\) \(6{,}0\) \(7{,}0\) \(8{,}0\) \(9{,}0\)
\(R\;\rm{in}\;10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\) \(4{,}0\) \(3{,}3\) \(2{,}6\) \(2{,}1\) \(1{,}7\) \(1{,}4\) \(1{,}1\) \(0{,}9\) \(0{,}7\)

Egal welche Methode du später anwendest, die Darstellung der Messwerte in einem \(d\)-\(R\)-Diagramm sollte immer der erste Schritt der Auswertung sein.

Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Darstellung der Messwerte in einem \(d\)-\(R\)-Diagramm

Das Diagramm in Abb. 1 zeigt, dass die Wertepaare (ungefähr) auf dem Graphen einer Exponentialfunktion liegen. Dies ist für uns nicht unerwartet, da wir aus der Theorie wissen, dass bei der Absorption ionisierender Strahlung die Abhängigkiet der Zählrate \(R\) von der Schichtdicke \(d\) des Absorbers durch eine Exponentialfunktion mit dem Term\[R(d) = R_0 \cdot e^{-\mu \cdot \, d}\]beschrieben wird.

Ablesen im Graphen

Wenn du die gesuchten Größen \(R_0\), \(\mu\) und \(d_{1/2}\) durch Ablesen im Graphen bestimmen sollst, dann sind die folgenden Schritte notwendig:

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Abb. 2 Darstellung der Messwerte im \(d\)-\(R\)-Diagramm. Zusätzlich eingezeichnet sind die Ausgleichskurve, deren Ordinatenabschnitt und die Halbwertsschichtdicke
1. Zeichne mit der Hand eine Ausgleichskurve durch die Messwerte.

Die Ausgleichskurve in unserem Beispiel ist in Abb. 2 grün eingezeichnet.

2. Lies den Ordinatenabschnitt der Ausgleichskurve ab; dieser Wert ist die Zählrate \(R_0\) ohne Absorber.

In unserem Beispiel erhältst du für die Zählrate ohne Absorber den Wert\[R_0 = 5{,}0\cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\]

3. Lies auf der Rechtsachse die Halbwertsschichtdicke \(d_{1/2}\) ab und berechne daraus den Wert für \(\mu\).

In unserem Beispiel bestimmen wir als Halbwertsschichtdicke die Streckenlänge, die für das Absinken der Zählrate von \(4{,}0\cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\) auf die Hälfte, also \(2{,}0\cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\) benötigt wird. Du erhältst für die Halbwertsschichtdicke den Wert\[d_{1/2}=3{,}3\,\rm{cm}\]

Damit ergibt sich wegen \(d_{1/2} = \frac{\ln \left( 2 \right)}{\mu} \Leftrightarrow \mu = \frac{\ln \left( 2 \right)}{d_{1/2}}\) in unserem Beispiel für den Absorptionskoeffizient der Wert\[\mu = \frac{\ln \left( 2 \right)}{3{,}3\,\rm{cm}} = 0{,}21\,\frac{1}{\rm{cm}}\]

Insgesamt erhältst du als Term\[R\left( d\right) = 5{,}0\,\frac{1}{\rm{s}} \cdot e^{-\,0{,}21\frac{1}{\rm{cm}} \cdot \,d}\]

Exponential-Regression mit dem GTR oder einer Tabellenkalkulation

Wenn du die gesuchten Größen \(R_0\), \(\mu\) und \(d_{1/2}\) mit Hilfe eines GTR oder einer Tabellenkalkulation mit Exponential-Regression bestimmen kannst, dann übernimmt die Software einen großen Teil der Auswertung für dich. Dazu sind die folgenden Schritte notwendig.

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Abb. 3 Darstellung der Messwerte in einem \(d\)-\(R\)-Diagramm. Zusätzlich eingezeichnet sind die Ausgleichskurve und zwei mögliche Darstellungen des Ergebnisses der Exponential-Regression
1. Gib die Messwerte aus Tab. 1 in die Software ein.
2. Lasse dir die Messwerte in einem Diagramm darstellen.
3. Lasse dir das Ergebnis der Exponential-Regression anzeigen.

Die Ergebnisse in unserem Beispiel sind in Abb. 3 blau eingezeichnet. Manche Software gibt den gesuchten Term für unser Beispiel in der Form \(y = 5{,}0 \cdot 10^2 \cdot e^{-0{,}21\, \cdot \,x}\) aus, andere Software in der Form \(y = 5{,}0 \cdot 10^2 \cdot {0{,}81}^x\).

4. Bestimme aus dem Funktionsterm der Wert für \(R_0\).

Egal wie die Software ihr Ergebnis ausgibt, der konstante Faktor vor der Exponentialfunktion ist die Maßzahl der Zählrate ohne Absorber \(R_0\). In unserem Beispiel erhältst du für die Anfangsaktivität den Wert\[R_0 = 5{,}0 \cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\]

5. Bestimme aus dem Funktionsterm den Wert für \(\mu\) und berechne daraus den Wert für \(d_{1/2}\).

Gibt die Software den gesuchten Term für unser Beispiel in der Form \(y = 5{,}0 \cdot 10^2 \cdot e^{-0{,}21\, \cdot \,x}\) aus, dann sieht man für den Absorptionskoeffizient direkt den Wert\[\mu=0{,}21\,\frac{1}{\rm{cm}}\]

Gibt die Software den gesuchten Term für unser Beispiel in der Form \(y = 5{,}0 \cdot 10^2 \cdot {0{,}81}^x\) aus, dann musst du zur Bestimmung von \(\mu\) noch etwas rechnen. Wegen\[{e^{-k \cdot x}} = {a^x} \Leftrightarrow -k \cdot x = x \cdot \ln \left( a \right) \Leftrightarrow -k = \ln \left( a \right)\]erhältst du in unserem Beispiel \(-k = \ln \left( 0{,}81 \right) = - 0{,}21\) und damit für die Zerfallskonstante den Wert\[\mu=0{,}21\,\frac{1}{\rm{cm}}\]

Egal in welcher Form dir die Software ihr Ergebnis ausgegeben hat, ergibt sich wegen \(d_{1/2} = \frac{\ln \left( 2 \right)}{\mu}\) in unserem Beispiel für die  Halbwertsschichtdicke der Wert\[d_{1/2} = \frac{\ln \left( 2 \right)}{0{,}21\,\frac{1}{{\rm{cm}}}}=3{,}3\,\rm{cm}\]

Insgesamt erhältst du als Term\[R\left( d \right) = 5{,}0 \cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}} \cdot e^{-\,0{,}21\frac{1}{\rm{cm}} \cdot t}\]

Linearisieren und lineare Regression (evtl. mit GTR oder Tabellenkalkulation)

Wenn du die gesuchten Größen \(R_0\), \(\mu\) und \(d_{1/2}\) durch Linearisieren des Graphen (man sagt auch einfach logarithmische Auftragung) und anschließende lineare Regression bestimmen sollst, dann sind die folgenden Schritte notwendig:

1. Erstelle eine \(d\)-\(\ln \left( \frac{R}{\frac{1}{\rm{s}}} \right)\)-Tabelle

Das Grundprinzip der Linearisierung von Exponentialfunktionen durch einfach logarithmische Auftragung solltest du natürlich kennen. Du wirst dich möglicherweise wundern, warum wir nicht einfach den \(\ln \left( R \right)\), sondern den \(\ln \left(\frac{R}{10^2\,\frac{1}{\rm{s}}} \right)\) berechnen. Dies hat zwei Gründe:

  • Um Schwierigkeiten mit den Einheiten zu vermeiden nimmt man am liebsten immer den Logarithmus von einheitenlosen Werten, darum also das Teilen durch die Maßeinheit \(\frac{1}{\rm{s}}\).
  • Um Logarithmen im kleinen einstelligen Bereich zu erhalten teilen wir zusätzlich durch die Zehnerpotenz \(10^2\).

In unserem Beispiel erhältst du folgende Tabelle:

Tab. 2 Einfach logarithmierte Messwerte

\(t\;\rm{in}\;\rm{s}\) \(1{,}0\) \(2{,}0\) \(3{,}0\) \(4{,}0\) \(5{,}0\) \(6{,}0\) \(7{,}0\) \(8{,}0\) \(9{,}0\)
\(\ln \left( \frac{R}{10^2\,\frac{1}{\rm{s}}} \right)\) \(1{,}39\) \(1{,}19\) \(0{,}96\) \(0{,}74\) \(0{,}53\) \(0{,}34\) \(0{,}10\) \(-0{,}11\) \(-0{,}36\)
2. Trage die Werte aus Tab. 2 in ein \(d\)-\(\ln \left( \frac{R}{10^2\,\frac{1}{\rm{s}}} \right)\)-Diagramm ein
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Abb. 4 Darstellung der Messwerte im \(d\)-\(\ln \left( \frac{R}{10^2\,\frac{1}{\rm{s}}} \right)\)-Diagramm. Zusätzlich eingezeichnet sind die Ausgleichsgerade sowie deren Ordinatenabschnitt und Steigungsfaktor

In unserem Beispiel erhältst du das Diagramm in Abb. 4. Du kannst erkennen, dass die Wertepaare ungefähr auf einer Geraden liegen.

3. Zeichne mit dem Lineal eine Ausgleichskurve durch die Messwerte.

Die Ausgleichsgerade in unserem Beispiel ist in Abb. 3 türkis eingezeichnet.

4. Lies den Ordinatenabschnitt der Ausgleichsgerade ab und berechne daraus den Wert für \(R_0\).

In unserem Beispiel erhältst du für den Ordinatenabschnitt den Wert \(1{,}6\). Damit ergibt sich\[\ln \left( {\frac{{{R_0}}}{{{10^2}\,\frac{1}{\rm{s}}}}} \right) = 1{,}6 \Leftrightarrow \frac{R_0}{10^2\,\frac{1}{\rm{s}}} = {e^{1{,}6}} = 5{,}0 \Leftrightarrow R_0 = 5{,}0 \cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}}\]

5. Bestimme den Steigungsfaktor der Ausgleichsgerade und berechne daraus die Werte für \(\mu\) und \(d_{1/2}\).

In unserem Beispiel erhältst du für den Steigungsfaktor der Ausgleichsgerade\[m = \frac{{ - 1{,}6}}{{7{,}5\,{\rm{cm}}}} =  - 0{,}21\,\frac{1}{{\rm{cm}}}\]Dies ist der Wert für \(-\mu\), also ergibt sich\[\mu =0{,}21\,\frac{1}{{\rm{cm}}}\]Damit ergibt sich wegen \(d_{1/2} = \frac{\ln \left( 2 \right)}{\mu}\) in unserem Beispiel für die  Halbwertsschichtdicke der Wert\[d_{1/2} = \frac{\ln \left( 2 \right)}{0{,}21\,\frac{1}{{\rm{cm}}}}=3{,}3\,\rm{cm}\]

Insgesamt erhältst du als Term\[R\left( d \right) = 5{,}0 \cdot 10^2\,\frac{1}{\rm{s}} \cdot e^{-\,0{,}21\frac{1}{\rm{cm}}\cdot \,d}\]

Hinweis: Wenn du einen GTR oder eine Tabellenkalkulation zur Verfügung hast, lassen sich in Schritt 1 die Werte in der zweiten Zeile von Tab. 2 automatisiert aus den Werten der zweiten Zeile von Tab. 1 berechnen. Das Diagramm in Schritt 2 lässt sich mit der Software ebenfalls sehr einfach erstellen. Auch die Ausgleichsgerade sowie deren Steigung und Ordinatenabschnitt kann die Software mit den eingebauten Funktionen bestimmen.