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Grundwissen

Zerfallsgesetz, Zerfallskonstante und Halbwertszeit

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Für den Bestand \(N\) der zum Zeitpunkt \(t\) noch nicht zerfallenden Atomkerne gilt \(N(t) = {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}}\) mit der Zerfallskonstanten \(\lambda\).
  • Für die Aktivität \(A\) zum Zeitpunkt \(t\) gilt \(A(t) = {A_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}} = \lambda  \cdot {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}}\).
  • Die Halbwertszeit \(T_{1/2}\) ist die Zeitspanne, in der sich die Anzahl der nicht zerfallenen Atomkerne eines radioaktiven Präparats halbiert.
  • Zwischen der Zerfallskonstanten \(\lambda\) und der Halbwertszeit \({T_{1/2}}\) besteht der Zusammenhang \(\lambda  = \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}}\).
Aufgaben Aufgaben

Wann ein einzelner Kern in einem radioaktiven Präparat zerfällt, kann nicht vorhergesagt werden. Hat man aber viele noch unzerfallene, radioaktive Kerne vorliegen, so kann man Aussagen über den zeitlichen Verlauf des Zerfalls für die Gesamtheit der Kerne machen. Zur Beschreibung des zeitlichen Verlaufs des radioaktiven Zerfalls durch die sogenannten Zerfallsgesetze definieren wir folgende grundlegende Größen:

Grundlegende Größen

Die Anzahl der nicht zerfallenen Atomkerne, die zu einem (beliebig gewählten) Anfangszeitpunkt \(t_0\) in einem radioaktiven Präparat vorhandenen sind, bezeichnen wir als Anfangsbestand \(N_0\).

Die Anzahl der nicht zerfallenen Atomkerne, die zu einem beliebigen Zeitpunkt \(t\) nach dem Anfangszeitpunkt in dem radioaktiven Präparat noch vorhanden sind, bezeichnen wir als Bestand \(N\).

Hinweis: Sowohl der Anfangsbestand \(N_0\) als auch der Bestand \(N\) sind positive ganze Zahlen und haben keine Maßeinheit.

Die momentane Änderungsrate (d.h. die zeitliche Ableitung \(\frac{{dN}}{{dt}}\)) des Bestands \(N\) bezeichnen wir - wie in der Physik üblich - mit \(\dot N\).

Hinweis: Die momentane Änderungsrate \(\dot N\) hat die Maßeinheit \(\frac{1}{\rm{s}}\). Da der Bestand \(N\) immer kleiner wird, ist die momentane Änderungsrate \(\dot N\) stets negativ.

Die mittlerweile mehr als 100 Jahre dauernde Untersuchung verschiedenster radioaktiver Präparate aus unterschiedlichen Nukliden hat folgendes Ergebnis erbracht:

Grundregel des radioaktiven Zerfalls, Zerfallsgesetz und Zerfallskonstante

Bei jedem radioaktiven Präparat ist die momentane Änderungsrate \(\dot N\) des Bestandes entgegengesetzt proportional zum Bestand \(N\) selbst:\[\dot N=-\lambda \cdot N \quad(1)\]Den Proportionalitätsfaktor \(\lambda\) bezeichnet man als Zerfallskonstante.

  • Die Zerfallskonstante hat die Maßeinheit \(\frac{1}{\rm{s}}\).
  • Die Zerfallskonstante gibt an, welcher Anteil bzw. wieviel Prozent der noch nicht zerfallenen Atomkerne in einem Präparat in der nächsten Sekunde durchschnittlich zerfallen werden.
  • Anders interpretiert gibt die Zerfallskonstante an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein noch nicht zerfallener Atomkern in der nächsten Sekunde zerfallen wird.
  • Die Zerfallskonstante ist nur von dem Nuklid abhängig, aus dem ein radioaktives Präparat besteht: Präparate des gleichen Nuklids haben alle die gleiche Zerfallskonstante, Präparate aus verschiedenen Nukliden haben in der Regel verschiedene Zerfallskonstanten.
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Abb. 1 Exponentielles Abfallen der Anzahl \(N\) der noch nicht zerfallenen Atomkerne in einem radioaktiven Präparat in Abhängigkeit von der Zeit \(t\)

Zusammen mit der Anfangsbedingung \(N(0)=N_0\) stellt Gleichung \((1)\) eine Lineare Differentialgleichung 1. Ordnung für den Bestand \(N\) dar. Die Lösung dieser Differentialgleichung lautet\[N(t) = {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}} \quad(2)\]Diese Gleichung \((2)\) bezeichnet man üblicherweise als das Gesetz des radioaktiven Zerfalls oder kurz Zerfallsgesetz.

Der Bestand \(N\) der noch nicht zerfallenen Atomkerne in einem radioaktiven Präparat sinkt also ausgehend von einem Anfangswert \(N_0\) exponentiell mit der Zeit \(t\) ab.

Definition der Aktivität eines radioaktiven Präparats

Die Aktivität \(A\) eines radioaktiven Präparates ist das Maß für die Anzahl der momentan in dem Präparat stattfindenden radioaktiven Zerfälle.

Die Aktivität \(A\) eines radioaktiven Präparates zum Zeitpunkt \(t\) ist definiert als die Gegenzahl der momentanen Änderungsrate \(\dot N\) des Bestands \(N\) der in dem radioaktiven Präparat noch nicht zerfallenen Atomkerne:\[A = -\dot N \quad (3)\]

unbekannter Autor [Public domain], via Wikimedia Commons
Abb. 2 Antoine-Henri BECQUEREL (1852 - 1908)

Tab. 1 Definition der Aktivität und ihrer Einheit

Größe
Name Symbol Definition
Aktivität \(A\) \(A := -\dot N\)
Einheit
Name Symbol Definition
Becquerel \(\rm{Bq}\) \(1\,\rm{Bq}:=\frac{1}{\rm{s}}\)

Da die momentanen Änderungsrate \(\dot N\) stets negativ ist, ist die Aktivität \(A\) stets positiv.

Gleichung \((3)\) gibt eine Erklärung, was du dir unter einer Aktivität von \(1\,\rm{Bq}\) vorstellen kannst: Ein radioaktives Präparat hat zu einem Zeitpunkt \(t\) die Aktivität von \(1\,\rm{Bq}\), wenn im Lauf der nächsten Sekunde genau ein radioaktiver Zerfall stattfinden wird.

Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit der Aktivität \(1\,\rm{Bq}\) ist, so kann man schreiben \([A] = 1\,\rm{Bq}\).

Aus der Definition der Aktivität \(A\) in Gleichung \((3)\) ergibt sich nun mit den Gleichungen \((1)\) und \((2)\) folgende Beziehung für die Aktivität:\[A(t){\underbrace =_{(3)}} - \dot N(t)\underbrace  = _{(1)} - \left( { - \lambda  \cdot N(t)} \right)\underbrace  = _{(2)}\underbrace {\lambda  \cdot {N_0}}_{ = :{A_0}} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}}\]Damit erhalten wir folgende Gesetzmäßigkeit:

Aktivitätsgesetz
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Abb. 3 Exponentielles Abfallen der Aktivität \(A\) eines radioaktiven Präparates

Für die Aktivität \(A\) eines radioaktiven Präparates gilt\[A(t) = {A_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot t}} \quad (4)\]mit\[A_0=\lambda  \cdot {N_0}\]Gleichung \((4)\) bezeichnet man häufig auch als Zerfallsgesetz, wir wollen es Aktivitätsgesetz nennen.

Die Aktivität \(A\) eines radioaktiven Präparates sinkt also ausgehend von einem Anfangswert \(A_0\) exponentiell mit der Zeit \(t\) ab.

Eine sehr viel anschaulichere Bedeutung als die Zerfallskonstante \(\lambda\) hat die sogenannte Halbwertszeit \(T_{1/2}\).

Halbwertszeit
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Abb. 4 Darstellung der Halbwertszeit \(T_{1/2}\) im \(t\)-\(N\)-Diagramm
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Abb. 5 Darstellung der Halbwertszeit \(T_{1/2}\) im \(t\)-\(A\)-Diagramm

Als Halbwertszeit \(T_{1/2}\) bezeichnet man diejenige Zeitspanne, in der sich die Zahl der noch nicht zerfallenen Atomkerne in einem Präparat z.B. vom Wert \(N_1\) zum Zeitpunkt \(t_1\) auf den Wert \({\textstyle{1 \over 2}}{N_1}\) halbiert (Abb. 3). Es gilt also insbesondere \[N(T_{1/2})={\textstyle{1 \over 2}} \cdot N_0\]

Die Halbwertszeit \(T_{1/2}\) ist auch diejenige Zeitspanne, in der sich die Aktivität des Präparates z.B. vom Wert \(A_1\) zum Zeitpunkt \(t_1\) auf den Wert \({\textstyle{1 \over 2}}{A_1}\) halbiert (Abb. 4). Es gilt also insbesondere \[A(T_{1/2})={\textstyle{1 \over 2}} \cdot A_0\]

Hinweise

  • Die Halbwertszeit hat die Maßeinheit \(\rm{s}\).
  • Die Halbwertszeit ist nur von dem Nuklid abhängig, aus dem ein radioaktives Präparat besteht: Präparate des gleichen Nuklids haben alle die gleiche Halbwertszeit, Präparate aus verschiedenen Nukliden haben in der Regel verschiedene Halbwertszeiten.
  • Bei der Messung der Halbwertszeit eines Präparates ist völlig egal, zu welchem Zeitpunkt man die Messung startet, man erhält stets den gleichen Wert für die Halbwertszeit.

Zwischen der Halbwertszeit \(T_{1/2}\) und der Zerfallskonstante \(\lambda\) besteht der Zusammenhang\[\lambda  = \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \quad(5)\]Damit ergibt sich für das Zerfallsgesetz\[N(t) = {N_0} \cdot {e^{ - \,\frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \quad(2^*)\]und für das Aktivitätsgesetz\[A(t) = {A_0} \cdot {e^{ - \,\frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \quad(4^*)\]

Herleitung von Gleichung \((5)\)

Gehen wir von einem Anfangsbestand \(N(0)=N_0\) aus und beachten die Definition der Halbwertszeit \(T_{1/2}\) als die Zeitspanne, in der sich (auch) dieser Anfangsbestand auf den Wert \({\textstyle{1 \over 2}}{N_0}\) halbiert, dann gilt zum Zeitpunkt \(T_{1/2}\)\[N({T_{1/2}}) = {\textstyle{1 \over 2}}{N_0} \quad(*)\]Zum anderen sollte sich der Bestand \(N({T_{1/2}})\) zum Zeitpunkt \(T_{1/2}\) nach dem Zerfallsgesetz durch\[N({T_{1/2}}) = {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot {T_{1/2}}}} \quad(**)\]berechnen lassen. Setzen wir die beiden Terme auf den rechten Seiten von \((*)\) und \((**)\) gleich, so erhalten wir\[{\textstyle{1 \over 2}}{N_0} = {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot {T_{1/2}}}}\]Dividieren wir beide Seiten dieser Gleichung durch \(N_0\), logarithmieren dann beide Seiten dieser Gleichung und beachten, dass \(\ln \left( {\frac{1}{2}} \right) =  - \ln \left( 2 \right)\) ist, so erhalten wir\[\begin{eqnarray}{\textstyle{1 \over 2}}{N_0} &=& {N_0} \cdot {e^{ - \lambda  \cdot {T_{1/2}}}}\\\frac{1}{2} &=& {e^{ - \lambda  \cdot {T_{1/2}}}}\\\ln \left( {\frac{1}{2}} \right) &=&  - \lambda  \cdot {T_{1/2}}\\ - \ln \left( 2 \right) &=&  - \lambda  \cdot {T_{1/2}}\\\lambda  &=& \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}}\end{eqnarray}\]

Zerfalls- und Aktivitätsgesetz mit Prozentsätzen

In vielen Aufgabenstellungen zum radioaktiven Zerfall sind für den Bestand \(N\) oder die Aktivität \(A\) keine absoluten Werte, sondern nur Prozentsätze angegeben. Eine typische Aufgabenstellung könnte lauten:

\(5\) Tage nach Beginn der Untersuchung ist die Aktivität eines radioaktiven Präparates auf \(25\%\) abgesunken.

Wenn wir davon ausgehen, dass der Anfangsbestand bzw. die Anfangsaktivität jeweils \(100\%\) beträgt, dann vereinfachen sich die oben angegebenen Gleichungen \((2)\) und \((4)\) bzw. \((2^*)\), und \((4^*)\) zu jeweils einer einzigen, universell einsetzbaren Gleichung\[p\% (t) = 100\%  \cdot {e^{ - \lambda \cdot t}}\quad (6)\]bzw.\[p\% (t) = 100\%  \cdot {e^{ - \,\frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \quad (6^*)\]

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