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Aufgabe

Radioaktive Substanzen im Tabakrauch (Abitur BY 2021 Ph 12-2 A2)

Schwierigkeitsgrad: mittelschwere Aufgabe

Neben einer Vielzahl von toxischen chemischen Substanzen enthält Tabak auch radioaktive Stoffe, die beim Rauchen inkorporiert werden. Einen großen Beitrag zu dieser Strahlenexposition liefern das Blei-Isotop \(^{210}\rm{Pb}\) sowie das Polonium-Isotop \(^{210}\rm{Po}\), die in derselben natürlichen Zerfallsreihe auftreten.

a)

Begründen Sie, dass \(^{210}\rm{Po}\) nur in einer der natürlichen Zerfallsreihen auftreten kann, und geben Sie diese Zerfallsreihe an. Ermitteln Sie durch eine geeignete Rechnung die Anzahl der \(\alpha\)- und \(\beta^-\)-Zerfälle, die ausgehend vom Uranisotop \(^{238}\rm{U}\) bis zu \(^{210}\rm{Po}\) auftreten. (6 BE)

b)

Stellen Sie die Reaktionsgleichung für den Zerfall von \(^{210}\rm{Po}\) auf und berechnen Sie die beim Zerfall freiwerdende Energie \(Q\). (5BE)

[zur Kontrolle: \(Q = 5{,}41\,\rm{MeV}\)].

Aus dem Gas Radon, das aus dem Erdboden entweicht, bilden sich radioaktive Folgeprodukte, die sich an Staubpartikel anheften. Diese bleiben an klebrigen Härchen auf den Blättern der Tabakpflanzen hängen. Durch radioaktiven Zerfall entstehen dort \(^{210}\rm{Pb}\) und \(^{210}\rm{Po}\). Beim Einsatz uranhaltiger Kunstdünger entweicht aus dem Boden mehr Radon als üblich und im Erdboden bildet sich \(^{210}\rm{Po}\), welches die Tabakpflanze zusätzlich über die Wurzeln aufnimmt. Das im Tabak einer Zigarette enthaltene \(^{210}\rm{Po}\) besitzt eine mittlere Aktivität von \(12\,\rm{mBq}\). Bei einer glühenden Zigarette gehen Radionuklide in den Rauch über und setzen sich beim Einatmen in der Lunge ab.

c)

Nennen Sie zwei Maßnahmen, um die durch Polonium hervorgerufene Aktivität im Zigarettenrauch zu verringern, und beurteilen Sie dabei auch die Umsetzbarkeit der von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen. (4 BE)

d)

Berechnen Sie die Anzahl \(N_{\rm{Po}}\) der in einer Zigarette enthaltenen \(^{210}\rm{Po}\)-Atome. (4 BE)

[zur Kontrolle: \(N_{\rm{Po}}=2{,}1\cdot 10^5\)]

e)

Schätzen Sie die jährliche Äquivalentdosis aufgrund der Strahlenbelastung durch \(^{210}\rm{Po}\) ab, die ein Raucher aufnimmt, der 20 Zigaretten täglich raucht. Gehen Sie vereinfachend davon aus, dass die Hälfte der \(^{210}\rm{Po}\)-Atome der Zigarette vom gesamten Körper aufgenommen werden. (6 BE)

f)

Aufgrund des Zerfalls von \(^{210}\rm{Pb}\) wird bei täglich 20 gerauchten Zigaretten eine weitere Äquivalentdosis von etwa \(0{,}4\,\rm{mSv}\) pro Jahr aufgenommen. Bewerten Sie die jährliche Strahlenbelastung durch diesen Tabakkonsum unter Verwendung von Abb. 1. (4 BE)

Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Effektive Jahresdosis der Strahlenbelastung pro Person in mSv in Deutschland nach Ursache
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Hinweis: Bei dieser Lösung von LEIFIphysik handelt es sich nicht um den amtlichen Lösungsvorschlag des bayr. Kultusministeriums.

a)

Die Massenzahlen der einzelnen natürlichen Zerfallsreihen können je nach Reihe mit \(4\cdot n\) bzw. \(4\cdot n+1\) bzw. \(4\cdot n+2\) bzw. \(4\cdot n+3\) beschrieben werden, da sich die Massenzahl eines Kerns nur bei einem \(\alpha\)-Zerfall ändert und zwar jeweils um -4. Somit kann ein Nuklid kann nur Mitglied in einer natürlichen Zerfallsreihe sein. \(^{210}\rm{Po}\) gehört dabei zur Uran-Radium-Reihe.

Die Differenz der Massenzahlen von \(^{238}\rm{U}\) und \(^{210}\rm{Po}\) ist \(28\) Die Zahl der \(\alpha\)-Zerfälle ergibt sich somit zu\[n_{\alpha}=\frac{28}{4}=7\]Die Anzahl der \(\beta^-\)-Zerfälle kann nun über die Veränderung der Protonenzahl ermittelt werden. Diese nimmt bei jedem der sieben \(\alpha\)-Zerfälle um zwei ab, bei jedem \(\beta^-\)-Zerfall um eins zu. Da Uran 92 und Polonium 84 Protonen hat, gilt \[n_{\beta^-}=84-\left(92-7\cdot 2\right)=6\]Es finden also 6 \(\beta^-\)-Zerfälle bei der Umwandlung von \(^{238}\rm{U}\) zu \(^{210}\rm{Po}\) statt.

b)

\(^{210}\rm{Po}\) zerfällt über einen \(\alpha\)-Zerfall. Die Reaktionsgleichung lautet daher\[_{84}^{210}\rm{Po}\rightarrow _{82}^{206}\rm{Pb}+_{2}^{4}\rm{He}\]Hinweis: Hier wird entsprechend den Angaben in der Formelsammlung mit Atommassen gearbeitet. Damit der verbleibende Kern ungeladen ist, müssen auch zwei Elektronen dieses verlassen. Daher wird hier anstatt eines Alpha-Teilchen ein Heliumatom genutzt. Alternativ können auch ein Alpha-Teilchen und zwei Elektronen aufgeführt und in der folgenden Rechnung genutzt werden. Dies führt im Rahmen der geforderten Genauigkeit zur gleichen Lösung.

Der \(Q\)-Wert ergibt sich aus der Massendifferenz\[Q=\Delta m\cdot c^2\]\[Q=\left[m\left(_{84}^{210}\rm{Po}\right)-m\left(_{82}^{206}\rm{Pb}\right)-m\left(_{2}^{4}\rm{He}\right)\right]\cdot c^2\]Einsetzen der Atommassen in der atomaren Masseneinheit u aus der Formelsammlung liefert\[Q=\left[209{,}982874\,\rm{u}-205{,}974465\,\rm{u}-4{,}002603\,\rm{u}\right]\cdot (3\cdot 10^8\,\rm{\frac{m}{s}})^2\]\[ =0{,}005806\,\rm{u}\cdot c^2=5{,}41\,\rm{MeV}\]

c)

Um die durch Polonium hervorgerufene Aktivität im Zigarettenrauch zu verringern, könnte man:

  • anderen, nicht uranhaltigen Dünger verwenden oder
  • die Tabakblätter vor der Verarbeitung abwaschen, um die belasteten Staubpartikel zu entfernen.

Beide Aspekte sind grundsätzlich umsetzbar, nicht uranhaltiger Dünger könnte aber teurer sein. Ebenso würde der Arbeitsschritt des Abwaschens und Trocknens Kosten verursachen. 

d)

Für den Zusammenhang zwischen der Aktivität \(A_{\rm{Po}}\) der radioaktiven Polonium-Probe und der Teilchenanzahl \(N_{\rm{Po}}\) in einer Zigarette gilt\[A_{\rm{Po}}=\lambda\cdot N_{\rm{Po}}\]Mit \(\lambda=\frac{\ln\left(2\right)}{T_{1/2}}\) folgt \[A_{\rm{Po}}=\frac{\ln\left(2\right)}{T_{1/2}}\cdot N_{\rm{Po}}\]Auflösen nach \(N_{\rm{Po}}\) führt zu\[N_{\rm{Po}}=A_{\rm{Po}}\cdot\frac{T_{1/2}}{\ln\left(2\right)}\]Und Einsetzen der Aktivität \(A_{\rm{Po}}=12\,\rm{mBq}=0{,}012\,\rm{Bq}\) und der Halbwertszeit \(T_{1/2}=138{,}38\,\rm{d}=11956032\,\rm{s}\) liefert\[N_{\rm{Po}}=0{,}012\,\rm{mBq}\cdot\frac{11956032\,\rm{s}}{\ln\left(2\right)}=2{,}1\cdot 10^5\]Eine Zigarette enthält also etwa \(2{,}1\cdot 10^5\) \(^{210}\rm{Po}\)-Atome.

e)

In einem Jahr raucht die Person \(n=20\cdot 365=7300\) Zigaretten. Die Äquivalentdosis \(H\) ist \[H=q\cdot D_{\rm{E}}=q\frac{E}{m}\]Mit der Energie \(E=n\cdot 0{,}5\cdot N_{\rm{Po}}\cdot Q\) wobei sich der Faktor \(0{,}5\) daraus ergibt, dass nur jeweils die Hälfte des Poloniums vom Körper aufgenommen wird, folgt\[H=q\cdot\frac{n\cdot 0{,}5\cdot N_{\rm{Po}}\cdot Q}{\Delta m}\]Für \(\alpha\)-Strahlung ist \(q=20\), \(Q\) und \(N_{\rm{Po}}\) wurden in Teilaufgabe b) bzw. d) berechnet und die Masse \(m\) der Person schätzen wir auf \(m=80\,\rm{kg}\). Damit ist\[H=20\cdot\frac{7300\cdot 0{,}5\cdot2{,}1\cdot 10^5 \cdot 5{,}41\cdot 10^6\cdot1{,}6\cdot 10^{-19}\,\rm{J}}{\Delta 80\,\rm{kg}}\]\[=0{,}00021 \cdot 10^{-3}\,\rm{Sv}=0{,}21\,\rm{mSv}\]

f)

Der Tabakkonsum verursacht also eine Äquivalentdosis von \(0{,}21\,\rm{mSv}\) durch \(^{210}\rm{Po}\) und von \(0{,}4\,\rm{mSv}\) durch \(^{210}\rm{Pb}\). Insgesamt beträgt die Äquivalentdosis der Strahlenbelastung durch das Rauchen somit etwa \(0{,}61\,\rm{mSv}\). Die gesamte effektive Jahresdosis in Deutschland beträgt etwa \(4\,\rm{mSv}\). Die  zusätzliche Belastung durch das Rauchen steigert diese also um etwa 15%. Eine solch große zusätzliche Belastung sollte vermieden werden.

Alternativ kann man auch argumentieren, dass die Strahlenbelastung durch das Rauchen etwa ein Drittel der durch Röntgendiagnostik verursachten Äquivalentdosis ist. Auch dies zeigt, dass die Strahlenbelastung durch das Rauchen eine relevante Größe hat und vermieden werden sollte.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Kern-/Teilchenphysik

Kernreaktionen