Die Kennlinie eines Widerstandes, Leiters oder elektrischen Bauteils ist eine grafische Darstellung des Zusammenhangs zwischen der an das Bauteil angelegten Spannung \(U\) und der sich dadurch ergebenden Stromstärke \(I\) durch das Bauteil. Die Kennlinie zeigt, wie sich der Widerstand eines Bauteils bei zunehmender Spannung \(U\) ändert. Meist wird die \(U\)-\(I\)-Kennlinie eines Bauteils dargestellt, also die Spannung \(U\) auf der Rechtsachse und die Stromstärke \(I\) auf der Hochachse. In Abb. 1 sind die \(U\)-\(I\)-Kennlinien von vier unterschiedlichen Leitern dargestellt. Dem geübten Betrachter liefert die Kennlinie auf einen Blick viele Informationen über die elektrischen Eigenschaften des Leiters bzw. des Bauteils.
Hinweis: Gelegentlich findest du auch \(I\)-\(U\)-Kennlinien. Stelle daher immer zunächst fest, in welcher Form die Kennlinie dargestellt ist. Für mehr Infos siehe Link am Ende des Artikels.
\(U\)-\(I\)-Kennlinien von OHMschen Widerständen
Die Kennlinie eines ohmschen Widerstandes (ohmschen Leiters) ist eine Ursprungshalbgerade (siehe Abb 2), da bei ohmschen Widerständen Spannung \(U\) und Strom \(I\) proportional zueinander sind. Bei der Darstellung in Form einer \(U\)-\(I\)-Kennlinie ist der Proportionalitätsfaktor jedoch der sog. Leitwert und nicht der Widerstand \(R\) des Leiters. Den Wert des Widerstandes erhältst du als den Kehrwert des Proportionalitätsfaktors.
Daher gilt: Je steiler die Gerade im \(U\)-\(I\)-Diagramm verläuft, desto kleiner ist der Widerstand \(R\) des ohmschen Leiters. Im Beispiel in Abb. 2 hat also der Kupferdraht den geringsten Widerstand, der dünne Konstantandraht den größten Widerstand.
Den Widerstand \(R\) ermittelst du aus dem \(U\)-\(I\)-Diagramm, in dem du dir einen beliebigen, gut abzulesenden Punkt auf der Kennlinie suchst, \(U\) und \(I\) des Punktes abliest und entweder den Kehrwert des Proportionalitätsfaktors oder direkt den Quotienten \(\frac{U}{I}\) berechnest. So hat der gekühlte Eisendraht in Abb. 2 einen Widerstand von \[R=\rm{\frac{2{,}0\,V}{1{,}0\,A}}=\rm{\frac{3{,}0\,V}{1{,}5\,A}}=\rm{\frac{4{,}0\,V}{2{,}0\,A}}=2{,}0\,\Omega\]
Typische OHMsche Widerstände
Drähte aus dem Material Konstantan sind ohmsche Widerstände. Einfache Metalldrähte verhalten sich nur in einem eng begrenzten Spannungs- bzw. Strombereich wie ohmsche Widerstände, das sie sich schnell erwärmen, was ihren Widerstand verändert. Wenn man die Drähte jedoch durch Kühlung auf konstanter Temperatur hält, folgen auch Metalldrähte gut dem ohmschen Gesetz. Weiter sind technische Widerstände (Schichtwiderstände, Massewiderstände) meist ohmsche Widerstände.
\(U\)-\(I\)-Kennlinien von nicht OHMschen Widerständen
Die Kennlinien von den meisten ungekühlten Leitern und vielen elektrischen Bauteilen wie LEDs oder Glühlampen sind hingegen keine Geraden. In Abb. 3 sind die \(U\)-\(I\)-Kennlinien eines Kohlestabes und eines ungekühlten Eisendrahtes dargestellt.
Die Kennlinie des Eisendrahtes verläuft mit zunehmender Spannung immer flacher (ist rechtsgekrümmt). Dies bedeutet, dass der Widerstand des Eisendrahtes zunimmt. Ursache hierfür ist die Erwärmung des Eisendrahtes durch den Stromfluss.
Die Kennlinie des Kohlestabes verläuft hingegen mit zunehmender Spannung immer steiler (ist linksgekrümmt). Dies bedeutet, dass der Widerstand des Kohlestabes abnimmt.
Da sich der Widerstand \(R\) von nicht ohmschen Widerständen mit der Spannung \(U\) ändert, kannst du ihn immer nur punktuell, also für eine bestimmte Spannung \(U\) und den sich dabei ergebenden Stromfluss \(I\) berechnen.
\(U\)-\(I\)-Kennlinien von Leitern und Widerstand \(R\)
- Die \(U\)-\(I\)-Kennlinie eines OHMschen Leiters ist eine Ursprungshalbgerade. Je steiler die Gerade, desto geringer der ist Widerstand \(R\) des Leiters.
- Wird die \(U\)-\(I\)-Kennlinie eines Leiters mit zunehmender Spannung flacher, so nimmt der Widerstand des Leiters zu.
- Wird die \(U\)-\(I\)-Kennlinie eines Leiters mit zunehmender Spannung steiler, so nimmt der Widerstand des Leiters ab.
Arbeiten mit Kennlinien
Ist der Widerstand eines Bauteils nicht konstant, benötigst du die Kennlinie, um Stromstärken und Spannungen vorhersagen zu können. Möchtest du wissen, welche Stromstärke \(I\) der Strom z. B. durch einen Eisendraht mit der in Abb. 4 dargestellten Kennlinie bei einer angelegten Spannung von \(U=8{,}0\,\rm{V}\) fließt, gehst du zunächst auf der Rechtsachse bis zum gegebenen Spannungswert. Von hier gehst du senkrecht nach oben, bis du auf die Kennlinie triffst (grüne Linie 1). Nun gehst du waagerecht weiter nach links bis zur Hochachse (grüne Linie 2). Hier kannst du nun die gesuchte Stromstärke ablesen. Bei einer Spannung von \(U=8{,}0\,\rm{V}\) fließt durch den Eisendraht also etwa ein Strom der Stärke \(I=1{,}75\,\rm{A}\). Oft ist es hilfreich die Hilfslinien 1 und 2 auch einzuzeichnen.
Möchtest du wissen, welche Spannung \(U\) zum Erreichen einer Stromstärke von z.B. \(I=1{,}0\,\rm{A}\) nötig ist, gehst du zunächst auf der Hochachse bis zur gegebenen Stromstärke. Von hier gehst du waagrecht nach rechts bis du auf die Kennlinie triffst (blaue Linie 1). Nun gehst du senkrecht nach unten bis zur Rechtsachse (blaue Linie 2). Hier kannst du nun die gesuchte Spannung ablesen. Eine Stromstärke \(I=1{,}0\,\rm{A}\) fließt also bei einer Spannung von etwa \(U=3{,}5\,\rm{V}\) durch den Eisendraht.
Verständnisaufgabe
In Abb. 5 sind die Kennlinien von zwei verschiedenen Leitern dargestellt.
a) Wähle aus, welche der folgenden Aussagen den Widerstand der beiden Leiter passend beschreibt.
b) Berechne den Widerstandswert des Leiters 1 aus Abb. 5 und gib an, um was es sich bei dem Leiter handeln könnte.
c) Durch den Leiter 2 soll ein Strom von \(0{,}75\,\rm{A}\) fließen. Ermittle, welche Spannung dazu an den Leiter angelegt werden muss.