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Grundwissen

Interferenzfähigkeit von Photonen im Quantenradierer

Das Wichtigste auf einen Blick

Quantenobjekte besitzen sowohl Welleneigenschaften wie Interferenzfähigkeit, als auch Teilcheneigenschaften wie Unteilbarkeit. Dies kann am Mach-Zehnder-Interferometer verdeutlicht werden:

  • Ob im Interferometer Interferenz auftritt, hängt davon ab, ob der Lichtweg eines Photons eindeutig bestimmbar ist.
  • Wenn einem Photon im Interferometer ein eindeutiger Weg zugeordnet werden kann, tritt keine Interferenz auf.
  • Wenn einem Photon im Interferometer mehrere Wege zugeordnet werden können, tritt Interferenz auf.
  • Die Zuordnung von Lichtwegen kann auch hinter dem Interferometer noch rückgängig gemacht werden ("Quantenradierer")
Aufgaben Aufgaben

Interferenz im Mach-Zehnder-Interferometer

Eine grundlegende Welleneigenschaft von Quantenobjekten ist die Fähigkeit zur Interferenz. Licht-Interferenz kann zum Beispiel mit einem Mach-Zehnder-Interferometer erzeugt werden. Dazu wird ein Lichtstrahl zunächst in zwei Teilstrahlen aufgeteilt. Diese zwei Teilstrahlen werden an einer anderen Stelle wieder überlagert, sodass sie miteinander interferieren können. Sobald du in der Simulation in Abb. 1 durch Klicken auf den Anschalten-Knopf den Laser einschaltest, kannst du das Interferenzmuster, das sich auf dem Schirm ergibt, sehen.

Abb. 1 Simulation eines MACH-ZEHNDER-Interferometers

Hinweis: Wir danken Thomas Kippenberg für die Erlaubnis, diese Simulation der MintApps auf LEIFIphysik zu nutzen. Der Code steht unter GNU GPLv3.

Wellen- und Teilcheneigenschaften demonstrierbar

Anhand verschiedener Analogie-Experimente mit dem Mach-Zehnder-Interferometer können sowohl die Wellen- als auch die Teilcheneigenschaften des Quantenobjektes Photon verdeutlicht werden.

Stelle dir bei den Experimenten folgendes vor: Statt einer kontinuierlichen Lichtwelle verwenden wir einen Strom einzelner Photonen, die nacheinander das Interferometer passieren. Es befindet sich dabei immer nur ein einziges Photon gleichzeitig im Aufbau. Stelle dazu in der Simulation die Quelle von Laser auf einzelne Photonen um.

Ununterscheidbarkeit führt zu Interferenz

Stellst du in der Simulation für beide Arme des Interferometers dieselbe Einstellung ein, so kannst du ein Interferenzmuster auf dem Schirm beobachten (vgl. Abb. 2).

Joachim Herz Stiftung
Abb. 2 Mach-Zehnder-Interferometer ohne zusätzliche Polfilter.
Beschreibung aus Sicht der Quantenphysik

Die Intuition sagt nun, dass das Photon als unteilbares Quantenobjekt nur einen der zwei möglichen Wege durch das Interferometer nehmen kann. Das Ergebnis widerspricht jedoch der Intuition: Es entsteht nach vielen Wiederholungen des Versuchs trotzdem ein Interferenzmuster auf dem Schirm.

Aus Sicht der Quantenphysik gilt: Solange die beiden möglichen Lichtwege ununterscheidbar (also gleich wahrscheinlich) sind, lässt sich dem Photon prinzipiell keiner der beiden Wege eindeutig zuschreiben. Das Photon befindet sich vielmehr in einem Überlagerungszustand aus zwei möglichen Lichtwegen, die miteinander interferieren können. Das Photon interferiert daher gewissermaßen "mit sich selbst". Obwohl das Photon also ein unteilbares Quantenobjekt ist, zeigt es dennoch gleichzeitig typische Welleneigenschaften!

Verschwinden des Interferenzmusters durch Unterscheidbarkeit

Stellst du in der Simulation zwei um 90 Grad verdrehte Polarisationsfilter in die Arme des Interferometers, so verschwindet das Interferenzmuster (vgl. Abb. 3).

Joachim Herz Stiftung
Abb. 3 Mach-Zehnder-Interferometer mit zwei zusätzlichen, um 90° zueinander verdrehten Polfiltern in den Armen.
Beschreibung aus Sicht der Quantenphysik

Durch das Einbauen der Polarisationsfilter werden die Lichtwege im Interferometer unterscheidbar. Würde man ein einzelnes Photon durch den Aufbau schicken, könnte man anschließend durch Messung seiner Polarisation eindeutig sagen, welchen der beiden Arme im Interferometer es durchlaufen hat. Das Photon befindet sich nicht mehr im Überlagerungszustand aus verschiedenen möglichen Lichtwegen, sondern ist eindeutig auf einen Weg festgelegt. Daher kann keine Interferenz mehr auftreten, sobald die beiden Lichtwege prinzipiell voneinander unterscheidbar sind.

 

Ununterscheidbarkeit nachträglich wiederherstellen

Fügst du zusätzlich zu den zwei Polarisationsfiltern in den Armen des Interferometers einen weiteren Polarisationsfilter hinter dem Interferometer im 45-Grad-Winkel ein, lässt sich erneut Interferenz beobachten (vgl. Abb. 4).

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Abb. 4 Mach-Zehnder-Interferometer mit zwei zusätzlichen, um 90° zueinander verdrehten Polfiltern in den Armen und einem dritten Polfilter in 45°-Drehung vor dem Schrim.
Beschreibung aus Sicht der Quantenphysik

Der Dritte Polarisationsfilter "löscht" nachträglich die Information über den Lichtweg und stellt so die Ununterscheidbarkeit wieder her. Die Messung der Polarisation eines Photons hinter dem dritten Polfilter lässt keine Rückschlüsse mehr auf den Weg des Photons im Interferometer mehr zu. Es entsteht nach vielen Wiederholungen des Versuchs erneut ein Interferenzmuster auf dem Schirm.

Erstaunlicherweise wird die Unterscheidbarkeit hier rückgängig gemacht, nachdem das Photon den Aufbau bereits passiert hat. Dies widerspricht erneut der Intuition, dass das Photon zu diesem Zeitpunkt bereits eindeutig einen der beiden Lichtwege durchlaufen haben muss. Stattdessen muss aus Sicht der Quantenphysik festgehalten werden: Wenn keine Zuordnung des Weges im Interferometer möglich ist, ist der Weg des Photons im Interferometer objektiv unbestimmt.

Aufgrund dieses überraschenden Ergebnisses wird der Aufbau mit drei Polarisationsfiltern auch als "Quantenradierer" bezeichnet.

Konsequenzen für die Eigenschaften von Quantenobjekten

Die Überlegungen zu den verschiedenen Experimenten zeigen, dass es nicht möglich ist, dem Photon Eigenschaften zuzuschreiben, die unabhängig vom Messaufbau existieren: Solange die Lichtwege im Interferometer nicht prinzipiell (durch Messung der Polarisation) unterscheidbar sind, ist nicht einfach nur subjektiv unbekannt, welchen Weg das Photon im Interferometer nimmt. Vielmehr zeigt das Auftreten von Selbstinterferenz, dass die Zuschreibung eines bestimmten Weges grundsätzlich unmöglich ist. Sobald die Zuschreibung eines bestimmten Lichtweges möglich ist, werden diese unterscheidbar und die Interferenz verschwindet.

Dieses Ergebnis beschreibt eine grundlegende Eigenschaft aller Quantenobjekte. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt man beispielsweise mit FEYNMANs Gedankenexperiment zum Doppelspalt.

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