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Grundwissen

Potentialtopfmodell (Fermi-Gas-Modell)

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der Neutronentopf hat am Rand einen horizontalen Potentialverlauf mit Potential Null und einen scharf begrenzten Rand mit Einsetzen der Kernkraft.
  • Beim Protonentopf muss das Coulombpotential berücksichtigt werden, sodass das Potential am Rand positiv und nach außen mit \(\frac{1}{r}\) abfällt.
  • Der Boden des Neutronentopfes liegt energetisch bei ca. \(-46\,\rm{MeV}\), derjenige des Protonentopfes liegt etwas höher, da sich die Protonen im Kern gegenseitig abstoßen.

Beim quantenmechanischen Atommodell ergaben sich Elektronenzustände mit diskreter Energie dadurch, dass die Elektronen der Hülle durch das Coulombpotential des Kerns auf einen begrenzten Raumbereich "eingesperrt" waren. Unter der Berücksichtigung des Pauli-Prinzips konnte man den Aufbau der Hülle verschiedener Atomsorten verstehen.

Ähnliche Überlegungen führen zum sogenannten Potentialtopfmodell des Kerns. Im Gegensatz zur Hülle fehlt hier jedoch das zentrale Kraftzentrum, welches das Potential ausmacht. Bei diesem Modell geht man davon aus, dass sich ein Nukleon unabhängig von den anderen Nukleonen in einem mittleren Kernpotential bewegt, das durch die anderen Nukleonen bewirkt wird.

Neutronentopf

Abb. 1 Kraft- und Energieverhältnisse beim Einbau eines Neutrons in einen bestehenden Atomkern aus Neutronen

Lässt man zunächst die Coulombabstoßung außer Acht bzw. betrachtet man nur Neutronen, so erfährt ein Nukleon in großer Entfernung vom Kern keine Kraft, d.h. zur Ortsveränderung des Nukleons ist keine Arbeit zu verrichten, der Potentialverlauf ist horizontal. Da das sich annähernde Nukleon noch frei ist, weist man ihm (ähnlich wie einem freien Elektron in der Atomphysik) den Potentialwert Null zu.

Gelangt das Nukleon an den scharf begrenzten Kernrand, wo schlagartig die starke anziehende Kernkraft wirksam wird (in der Animation in Abb. 1 angedeutet durch den blauen Pfeil), so muss das Potential steil abfallen, das System Nukleon-Kern verliert potenzielle Energie.

Im Kerninneren wird das Nukleon von allen Seiten gleichmäßig angezogen, so dass keine resultierende Kraft wirkt. In diesem Fall muss der Potentialverlauf wieder horizontal sein.

In dem räumlich begrenzten Kernpotential sind - ähnlich wie in der Hülle - nur diskrete Energiezustände der Nukleonen möglich. In einem durch einen Satz von Quantenzahlen charakterisierten Zustand darf sich nach dem Pauli-Prinzip jeweils nur ein Nukleon aufhalten.

In der Animation sind auf einem Niveau jeweils zwei Nukleonen gezeichnet, die sich durch ihre Spinquantenzahl unterscheiden.

Protonentopf

Abb. 2 Kraft- und Energieverhältnisse beim Einbau eines Protons in einen bestehenden Atomkern aus Protonen

Bei der Annäherung eines Protons an den Kern verspürt dieses zunächst die langreichweitige, abstoßende Kraft der Kernprotonen. Erst in Kernnähe überwiegt die anziehende Kernkraft (blau) die abstoßende Coulombkraft (rot). Der Rand des Potentialtopfes ist daher keine Gerade mit dem Potentialwert Null wie beim Neutronentopf, sondern der Rand besitzt einen positiven Potentialwert, der nach außen proportional zu \(\frac{1}{r}\) abfällt.

Potentialtopf des Atomkerns

Joachim Herz Stiftung
Abb. 3 Potentialtopfmodell eines Atomkerns

Der Atomkern besteht aus zwei voneinander verschiedenen Typen von Fermiteilchen, den Protonen und den Neutronen. In Abb. 3 sind die beiden Potentialtöpfe entsprechend nebeneinander gezeichnet.

Die abstoßende Coulombkraft zwischen den Protonen im Kern bewirkt, dass ein Proton leichter aus dem Kern zu entfernen ist als ein Neutron. Die Bindungsenergie der Protonen im Potentialtopf geringer ist als die der Neutronen. Daher ist der Boden des Protonentopfes etwas höher als der Boden des Neutronentopfes, der energetisch bei ca. \(-46\,\rm{MeV}\) liegt.

Die höchsten noch besetzten Neutronen- und Protonenniveaus haben energetisch etwa den gleichen Wert. Dieser Energie des höchsten besetzten Zustandes nennt man Fermi-Energie. Diese Niveaus liegen ca. \(8\,\rm{MeV}\) unter dem Nullniveau.

\(\beta\)-Zerfall

Die höchsten noch besetzten Neutronen- und Protonenniveaus müssen gleich etwa gleich sein, da der Kern ansonsten durch einen \(\beta\)-Zerfall in einen energetisch günstigeren Zustand gelangt. Ist das Protonenniveau deutlich höher als das Neutronenniveau, so wandeln sich Protonen durch einen β+-Zerfall in Neutronen um. Ist umgekehrt das Neutronenniveau deutlich höher, wandeln sich Neutronen durch einen β--Zerfall in Protonen um.

Magische Nukleonenzahlen

Joachim Herz Stiftung
Abb. 4 Separationsenergien für ein Neutron in Abhängigkeit der Neutronenanzahl

Ähnlich wie in der Hülle gibt es auch beim Kern so etwas wie Schaleneffekte. Bei sog. magischen Nukleonenzahlen, also wenn entweder \(N\) oder \(Z\) einen der Werte 2, 8, 20, 28 50 oder 82, ist es z.B. sehr schwer ein Nukleon aus einem Kern zu lösen, die Bindungsenergie pro Nukleon ist also besonders hoch (vgl. Abb. 4). Eine ähnliche Beobachtung macht man bei abgeschlossenen Elektronenschalen, wie sie die Edelgase besitzen. Weiter besitzen Elemente mit magischer Protonenzahl besonders viele stabile Isotope.

Zur Erklärung dieses Phänomens schuf man das sogenannte Schalenmodell des Atomkerns, welches hier jedoch nicht näher besprochen werden soll. Mehr Infos dazu findest du hier.

Hinweis: Für Neutronen sind 126 und 184 die nächsten magischen Zahlen.