Direkt zum Inhalt

Versuche

Magnetpendel

Stabiles und instabiles Gleichgewicht

Abb. 1 Unterschied zwischen stabilem und instabilem Gleichgewicht

Das Magnetpendel ist ein typisches Beispiel für instabiles Gleichgewicht. Systeme, welche ein deterministisches Chaos zeigen, durchlaufen wiederholt labile Gleichgewichtszustände. Den Unterschied zwischen labilem (instabilem) und stabilem Gleichgewichtszustand macht die Animation in Abb. 1 klar.

Bei der stabilen Gleichgewichtslage kehrt der Körper nach einer kleinen Auslenkung wieder in die ursprüngliche Position zurück.

Bei der instabilen Gleichgewichtslage kehrt der Körper bei einer kleinen Auslenkung nicht mehr in die Ausgangslage zurück. Beispiele für instabile Gleichgewichtslagen sind ein auf der Spitze stehender Bleistift oder ein Eisenstück in der Mitte zwischen zwei gleich starken Magneten.

Das Magnetpendel

An den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks werden in einer Ebene Scheibenmagnete aufgelegt. Über der Ebene kann eine Eisenkugel pendeln. Die Bahn der Pendelkugel und schließlich das Bahnende hängen sehr stark vom Startpunkt des Pendels ab. Alle Bahnen enden schließlich an einem der drei Magnete. Das Besondere an diesem Versuch ist, dass es Zonen für den Startpunkt des Pendels gibt, wo nur kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen ein deutlich verschiedenes Endergebnis zur Folge haben, d.h. es liegt keine starke, sondern nur schwache Kausalität vor. Die unterschiedlichen Versuchsergebnisse bei leicht variierenden Anfangsbedingungen sind auf die instabilen Gleichgewichtslagen der Pendelkugel zwischen den Magneten zurückzuführen (zwischen den Magneten gibt es jeweils eine Linie auf der die anziehenden Kräfte der benachbarten Magnete gleich groß sind). Das Magnetpendel zeigt also das Phänomen des deterministischen Chaos.

Versuchsskizze nach Duit, Komorek

Das folgende Bild zeigt sehr eindrucksvoll wie das Versuchsergebnis vom "Loslass-Ort" des Pendels abhängt. Ist z.B. ein Punkt der Ebene gelb eingefärbt, so wird das Pendel, welches in diesem Punkt losgelassen wird, beim gelben Magneten seine Bewegung beenden.

Fazit des Magnetpendelversuchs: Kleine Abweichungen in den Anfangsbedingungen erzeugen große Unterschiede in den Phänomenen. Vorhersagen werden unmöglich, und wir haben ein zufälliges Ergebnis (Poincaré).

Zum besseren Verständnis des Magnetpendelversuchs haben Duit und Komorek ein mechanisches Analogon entwickelt, die sogenannte "Chaosschüssel". Befindet sich die Kugel auf einem Grat zwischen zwei Mulden, so besteht instabiles Gleichgewicht. Nur eine kleine Abweichung der Kugelposition entscheidet darüber, ob sich schließlich die Kugel in die linke oder rechte Mulde bewegt.

 

Aufbau eines Magnetpendels und der "Chaosschüssel" nach Duit, Komorek in "Die eingeschränkte Vorhersagbarkeit chaotischer Systeme verstehen", Plus Lucis 1/2004

Das magnetische Pendel lässt sich als Demonstrationsversuch für den Overheadprojektor oder als bewegliches Modell (Abb. 5) z.B. für die Gruppenarbeit realisieren. In jedem Fall empfiehlt sich, zur genauen Positionierung der Magneten eine Kreisschablone aus Papier bzw. auf einer Folie anzufertigen (Abb. 6). Diese Schablone sollte eine Markierung in der Mitte und drei strahlenförmige Markierungen am Rand im Winkelabstand von 120° besitzen. Bei der Justierung wird die Schablone genau mittig unter die eiserne Pendelkugel gelegt, bevor die Magneten in gleicher Entfernung von der Mitte auf die Winkelmarkierungen gelegt werden. Auf diesen Markierungen lassen sich die Magneten recht einfach gleichmäßig verschieben. Für den Einsatz auf einem Overheadprojektor ist es günstig, die Magneten unter eine Glasscheibe zu legen. Praktisch ohne die magnetische Anziehung zu verringern, verhindert sie, dass sich die Magneten beim Annähern der Kugel bewegen. Bevor man die Fadenlänge reguliert, um die gewünschte "chaotische" Bewegung zu erhalten, muss die Optik des Projektors auf die Magneten fokussiert werden. Der Pendelfaden ist dann aufgrund der Fokussierung nicht mehr zu erkennen, so dass er bei der Beobachtung der charakteristischen Bewegung des Pendels nicht stört.

Für den Einsatz des Magnetpendels in Form eines transportablen Versuchsaufbaus empfiehlt sich, die Fadenhalterung fest mit einer magnetisierbaren Metallplatte zu verbinden. Mit Stativmaterial und einer Eisenplatte lässt sich dieser Aufbau relativ einfach realisieren. Eine solide Vorrichtung zur stufenlosen Regulierung der Fadenlänge ist wünschenswert. Eine Fadenlänge von ca. 60 cm bei einem Durchmesser der Metallplatte von 25 cm und einem Durchmesser der Pendelkugel von 12-16 mm haben sich als praktische Größenverhältnisse erwiesen. Allerdings hängen diese Maße von der Größe und der Kraft der Magneten ab. Der schematische Aufbau, der die wichtigsten Parameter einzustellen erlaubt, ist in Abb. 5 zu sehen.

Zum Starten der Pendelkugel benötigt man eine Vorrichtung, die es erlaubt, die Kugel möglichst genau vom gleichen Startpunkt aus zu starten. Dies ist wichtig, um mit den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung der Reproduzierbarkeit der Startbedingungen zu diskutieren. Letztlich ist es nicht notwendig, die Präzision dieser Startvorrichtung unnötig hoch zu treiben (was im übrigen auch nicht einfach ist), wichtig ist, deutlich zu machen, dass ein gewisses Maß an Reproduzierbarkeit der Startbedingungen erreichbar ist.

In den Unterrichtserprobungen hat sich eine elektromagnetische Startvorrichtung bewährt, bei der die Pendelkugel mit Hilfe eines Elektromagneten zunächst seitlich der Magneten gehalten wird, bevor man den Spulenstrom zum Starten des Pendels per Knopfdruck kurz unterbricht. Es empfiehlt sich, in die Spule einen Kunststoffkern einzufügen, der am vorderen Ende eine konische Vertiefung besitzt. Das bietet den Vorteil, dass das Pendel aus dieser Höhlung heraus mit recht hoher Reproduzierbarkeit gestartet werden kann. Die Startvorrichtung lässt sich ebenfalls aus Stativmaterial konstruieren, so dass man den Startpunkt des Pendels für jeweils eine Serie von Durchgängen variabel einstellen kann. Nicht-elektromagnetische Startvorrichtungen (wie z.B. eine hölzerne Plattform, die beim Starten nach unten wegklappt) haben sich als wenig vorteilhaft erwiesen, da die mechanische Beeinflussung des Pendels zu groß ist. Um das qualitative Verhalten des Pendels zu demonstrieren, lässt es sich natürlich auch per Hand starten.


Abb. 6: Schablone zur Positionierung der Magneten

"Chaosschüssel" als Analogmodell

Räumliche Analogien wie "Wall" und "Berggrat" sind bei der Erklärung des Magnetpendels hilfreich. Bestimmte Bewegungselemente findet man beim Magnetpendel wieder: Das "Entlanglaufen auf einem Grat" (z.B. beim ersten Hineinschwingen), das schräge "Anlaufen gegen einen Wall" und das "In-Sich-Zurücklaufen". Beim Analogmodell der "Chaosschüssel" sind die Potentialverhältnisse, wie sie beim Magnetpendel zu finden sind, räumlich umgesetzt worden. Die Chaosschüssel besitzt drei Vertiefungen und drei Wälle in einer halbrunden Grundform (Abb. 7). Wenn eine Kugel in dieser Schüssel rollt, zeigt sie qualitativ die gleichen Bewegungen, wie das Magnetpendel um die drei Magneten herum. Mit diesem Analogmodell ist es möglich, die verschiedenen Bewegungsformen des Magnetpendels zu erklären.

Die Chaosschüssel lässt sich aus Gips formen, den man in eine Haushaltsschüssel von ca. 25 cm Durchmesser gießt. Kurz vor dem Erstarren bildet man eine gleichmäßig runde Vertiefung (die dem Gravitationspotential entspricht), indem man mit einer Plastik- oder besser noch mit einer Metallschablone (Abb. 8a) die Grundform herausdreht. Nach dem Erstarren, aber vor dem Aushärten formt man mit kleinen Holzmeißeln o.ä. die drei Vertiefungen entsprechend der zweiten Schablone (Abb. 8b). Im ausgehärteten Zustand setzt man die Bearbeitung mit Schmirgelpapier und Stahlwolle fort und lässt schließlich die gesamte Oberfläche der Gipsschale mit einem harten Tiefengrund (für Holz) ein.

Abb. 7: "Chaosschüssel"
Abb. 8a: Lehre zur Bildung der Grundform der "Chaosschüssel"
Abb. 8b: Lehre zur Bildung der Vertiefungen