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Versuche

Versuch von BERTOZZI

Klassische Betrachtungsweise eines Beschleunigungsversuches von Elektronen

Durchläuft ein Teilchen der Masse \(m\) und der Ladung \(q\) in einem elektrischen Feld eine elektrische Spannung \(U_{\rm{B}}\), so nimmt das geladene Teilchen die Energie \(q \cdot U_{\rm{B}}\) auf.

Mit dieser Information lässt sich mit den Methoden der klassischen Physik die Geschwindigkeit \(v\) von Elektronen (\(m=m_{\rm{e}}= 9{,}11 \cdot 10^{-31}\,\rm{kg}\), \(q = e = 1{,}60 \cdot 10^{-19}\,\rm{A}\,\rm{s}\)) nach Durchlaufen einer Spannung \(U_{\rm{B}}\) berechnen. Die kinetische Energie der Elektronen ist nämlich gleich der aus dem elektrischen Feld aufgenommenen Energie \(e \cdot U_{\rm{B}}\). Für die Geschwindigkeit gilt dann nach der NEWTONschen Mechanik\[{E_{\rm{kin}}} = e \cdot U_{\rm{B}} \Leftrightarrow \frac{1}{2} \cdot m_{\rm{e}} \cdot {v^2} = e \cdot U_{\rm{B}} \Rightarrow v = \sqrt {\frac{{2 \cdot e \cdot U_{\rm{B}}}}{m_{\rm{e}}}} \]In der folgenden Tabelle sind einige zusammengehörige \(U_{\rm{B}}\)-\(v\)-Wertepaare ausgerechnet:

Tab. 1 Klassisch berechnete Geschwindigkeiten
\(U_{\rm{B}}\) in \(\rm{V}\) \(500\) \(1000\) \(1500\) \(2000\) \(5000\) \(10000\) \(50000\) \(100000\) \(500000\)
\(v\) in \(\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\) \(1{,}32 \cdot 10^{7}\) \(1{,}87 \cdot 10^{7}\) \(2{,}30 \cdot 10^{7}\) \(2{,}65 \cdot 10^{7}\) \(4{,}19 \cdot 10^{7}\) \(5{,}92 \cdot 10^{7}\) \(1{,}32 \cdot 10^{8}\) \(1{,}87 \cdot 10^{8}\) \(4{,}19 \cdot 10^{8}\)

Spätestens beim letzten Wertepaar wirst du feststellen, dass an dieser Tabelle etwas falsch sein muss, denn die Geschwindigkeit materieller Teilchen kann nicht höher als die Lichtgeschwindigkeit von \(3{,}0 \cdot 10^8\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\) sein.

Versuch von BERTOZZI

Abb. 1 Aufbau, Durchführung und Beobachtungen des Versuchs von BERTOZZI

William BERTOZZI führte im Jahre 1964 ein Experiment durch, das ihm gestattete den Zusammenhang zwischen Beschleunigungsspannung und Elektronengeschwindigkeit genau zu studieren.

Die Elektronen werden in kurzen Stößen von etwa \(3 \cdot 10^{-9}\,\rm{s}\) Dauer aus einer Elektronenkanone in einen Beschleuniger geschossen, in dem sie die Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) (in der Animation mit \(U_{\rm{a}}\) bezeichnet) durchlaufen.

Passieren die Elektronen die Elektroden A, so rufen sie am Oszilloskopschirm einen Impuls hervor (vgl. Animation). Ein zweiter Impuls wird ausgelöst, wenn die Elektronen in den \(8{,}4\,\rm{m}\) entfernten Auffänger B treffen.

Hinweis: Die nebenstehend skizzierte Anordnung weicht etwas von der Originalanordnung des BERTOZZI ab. Bei ihm befand sich ein Teil der Laufstrecke innerhalb des LINAC (linear accelerator).

Mit einem Oszilloskop kann der zeitliche Abstand der beiden Impulse und damit die Geschwindigkeit der Elektronen festgestellt werden. Man bezeichnet dieses Verfahren als "Laufzeitmethode".

 

 

Beobachtung und Auswertung
Aufgabe

Mit einem Oszilloskop kann der zeitliche Abstand der beiden oben angesprochenen Impulse festgestellt werden. Dabei ist die Horizontalablenkung des Elektroskops in dem nebenstehenden Oszillogramm, das bei einer Beschleunigungsspannung von ca. \(500\,{\rm{kV}}\) aufgenommen wurde, auf \({10^{-8}}\) eingestellt.

Berechne mit diesen Angaben und aus der Laufstrecke von \(8{,}4\,\rm{m}\) die Geschwindigkeit der Elektronen.

Lösung

Aus dem Oszillogramm kann man eine Zeitdifferenz zwischen den beiden Peaks von ca. \(3{,}3 \cdot 10^{-8}\,\rm{s}\) entnehmen. Für die Geschwindigkeit der Elektronen gilt dann\[v = \frac{{\Delta x}}{{\Delta t}} \Rightarrow v = \frac{8{,}4\,\rm{m}}{3{,}3 \cdot 10^{-8}\,\rm{s}} = 2{,}5 \cdot 10^8\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\]

Bei einer genauen Messreihe wurde der folgende Zusammenhang zwischen der Beschleunigungsspannung und der Geschwindigkeit festgestellt:

Tab. 2 Messwerte
\(U_{\rm{B}}\) in \(\rm{MV}\) \(0{,}5\) \(1{,}0\) \(1{,}5\) \(4{,}5\) \(15\)
\(v\) in \(10^8\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\) \(2{,}60\) \(2{,}73\) \(2{,}88\) \(2{,}96\) \(2{,}99\)

Stelle diesen Zusammenhang in einem \(U_{\rm{B}}\)-\(v\)-Diagramm mit roter Farbe dar.

Trage in das gleiche Diagramm auch den klassisch ermittelten Zusammenhang zwischen diesen Größen in blauer Farbe ein.

Lösung

Das Experiment von BERTOZZI bestätigt die Vorhersagen von EINSTEIN, dass für materielle Teilchen als Grenzgeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit mit \(3{,}0 \cdot 10^8\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\) gilt.

Hinweise

  • Der Grund für die Existenz einer Grenzgeschwindigkeit kann in der von EINSTEIN (aus seinen Postulaten für die Relativitätstheorie) entwickelten Formel für die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse gesehen werden. Diese Formel lautet \(m(v) = \frac{m_0}{\sqrt{1- (\frac{v}{c})^2}}\). Dabei bedeutet \(m_0\) die sogenannte Ruhemasse des Teilchens (Masse bei der Geschwindigkeit \(0\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\)) und \(c\) die Lichtgeschwindigkeit.

  • Bei obiger Formel ergibt sich für \(v = 0\,:\,m(v) = m_0\) und für \(v  \rightarrow  c\,:\,   m(v)  \rightarrow \infty \)

  • Diese Formel für Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse wurde von verschiedensten Autoren experimentell - durch \(\frac{q}{m}\)-Messungen - bestätigt, wie die folgende Abbildung zeigt:

Im folgenden englischsprachigen Video kannst du den echten Versuchsaufbau sehen und eine sehr schöne Erklärung und Interpretation der Versuchsergebnisse genießen.