Direkt zum Inhalt

Grundwissen

Wesenszug 2: Fähigkeit zur Interferenz

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Quantenobjekte können mit sich selbst interferieren
  • Für die Ausbildung eines Interferenzmusters in einem Experiment müssen mehrere klassisch denkbare Wege existieren.
  • In der Quantenphysik wird keiner der klassischen Wege tatsächlich realisiert.
  • Quantenobjekten kann meist kein exakter Ort zugeschrieben werden, sondern statistische Aufenthaltswahrscheinlichkeiten.

Interferenz mit sich selbst

Obwohl im Doppelspaltexperiment ein einzelnes Elektron nur an einen Ort auf dem Schirm trifft, so bilden die Auftreffpunkte nach vielen Wiederholungen ein Interferenzmuster.
Es gibt eine große Anzahl von Quantenexperimenten, die solche Interferenzmuster zeigen. Die Interferenzmuster werden dabei auch dann beobachtet, wenn sich immer nur ein einzelnes Quantenobjekt in der Anordnung befindet und eine gegenseitige Wechselwirkung zwischen den einzelnen Quantenobjekten daher ausgeschlossen ist. Der britische Physiker Dirac drückte diesen Sachverhalt so aus: Jedes Quantenobjekt interferiert nur mit sich selbst.

Abb. 1 Aus vielen Einzelereignissen entsteht ein Interferenzmuster

Ein plastisches Beispiel

Du kannst diese Aussage an einem ganz plastischen Beispiel erläutern: Eine Organisation verschickt identische Baupläne für ein Doppelspalt-Interferenzexperiment an viele Labore in der ganzen Welt. Die Physiker in den Laboren bauen die Apparatur nach den Bauplänen auf und führen mit ihren gleichartigen Apparaturen ein Experiment durch – jeder nur mit einem einzigen Elektron. Den Nachweisort dieses Elektrons trägt jeder Wissenschaftler auf einer Overheadfolie ein (Abb. 1 links) ein. Bei einer Konferenz kommen alle Teilnehmer zusammen, jeder mit einer Folie,  auf der sich ein Punkt befindet. Nun legen die Wissenschaftler ihre Folien auf dem Projektor übereinander - es ergibt sich das Doppelspalt-Interferenzmuster (Abb. 1 rechts). 

Mehrere klassisch denkbare Wege

Immer wenn sich in einem quantenphysikalischen Experiment Interferenz zeigt, gibt es für das Eintreten eines bestimmten Versuchsergebnisses mehrere im klassischen Teilchenbild denkbare  Möglichkeiten. Im Beispiel des Doppelspaltexperiments gibt es für das Versuchsergebnis "Detektion am Schirmpunkt X" zwei klassisch denkbare Möglichkeiten, wie dieses Versuchsergebnis eintreten kann: das Elektron kann durch den linken Spalt zum Schirmpunkt X gelangen (Möglichkeit 1) oder durch den rechten Spalt zum Schirmpunkt X gelangen (Möglichkeit 2).

Wesenszug 2: "Fähigkeit zur Interferenz"

Auch einzelne Quantenobjekte können zu einem Interferenzmuster beitragen. Voraussetzung ist, dass es für das Eintreten des gleichen Versuchsergebnisses mehr als eine klassisch denkbare Möglichkeit gibt.

Quantenphysik realisiert keine klassische Möglichkeit

In der Quantenphysik wird jedoch keine der klassisch denkbaren Möglichkeiten tatsächlich realisiert! Die Annahme, man könne einem Elektron einen Spalt zuschreiben, durch den es zum Schirm gelangt, führt mit Blick auf die experimentellen Ergebnisse in innere Widersprüche. In der Quantenphysik solltest du dir also ein Elektron nicht mehr unbedingt als lokalisiertes Objekt vorstellen!

Einfluss auf die Vorstellung von Atomen

Diese fundamentale Erkenntnis hat wichtige Konsequenzen für die Vorstellung von Atomen. Die Elektronen haben im Allgemeinen keine klassisch deterministisch bestimmte Bahn und wir können ihnen somit auch keine Eigenschaft "Ort" exakt zuschreiben. Dies steht im Widerspruch zum Bohrschen Atommodell, in dem sich Elektronen auf festen Kreisbahnen um den Atomkern bewegen. Diese Atomvorstellung ist also nicht zutreffend. Wir können stattdessen lediglich statistische Aussagen über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons an verschiedenen Orten im Atom treffen.