Direkt zum Inhalt

Ausblick

FEYNMAN zum Energiebegriff

Richard P. FEYNMAN (1918 - 1988)
By Copyright Tamiko Thiel 1984 (OTRS communication from photographer) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Der berühmte Physik-Nobelpreisträger Richard P. FEYNMAN (1918 - 1988) lehrte in Amerika nicht nur die schon sehr fortgeschrittenen Studenten, sondern hielt auch Vorlesungen für Anfänger. Diese Einführungen in die Physik waren so gut und berühmt, dass diese in viele Sprachen übersetzt wurden und in Buchform erschienen.

Im Oldenbourg-Verlag, München erschien die deutsche Übersetzung seiner Vorlesungen, aus denen wir einen kleinen Abschnitt mit dem Titel "What is energy?" entnehmen.

Wenn du schon brauchbare Kenntnisse im Englischen besitzt, würden wir dir den Originaltext empfehlen, ansonsten liest du dir die deutsche Fassung durch.

Stellen Sie sich ein Kind vor, etwa Dennis, das Bauklötze besitzt, die absolut unzerstörbar sind und die nicht in Teile zerlegt werden können. Jeder ist dem anderen gleich. Nehmen wir an, dass er 28 Bauklötze besitzt. Seine Mutter setzt ihn mit seinen 28 Bauklötzen am Tagesanfang in ein Zimmer. Am Ende des Tages ist sie neugierig und zählt die Bauklötze sehr sorgfältig und entdeckt ein phänomenales Gesetz:

Ganz egal, was er mit den Bauklötzen tut, es bleiben immer 28 übrig!

Das geht einige Tage so weiter, bis eines Tages plötzlich nur 27 Bauklötze vorhanden sind, aber eine kurze Untersuchung ergibt, dass einer unter dem Teppich steckt - sie muss überall hinschauen, um sicherzugehen, dass sich die Zahl der Bauklötze nicht geändert hat.

Eines Tages scheint sich jedoch die Anzahl zu ändern - es sind nur 26 Bauklötze vorhanden. Eine sorgfältige Suchaktion zeigt, dass das Fenster offen war und beim Hinausschauen werden die anderen zwei Klötze gefunden.

An einem anderen Tag ergibt sorgfältiges Zählen, dass 30 Bauklötze vorhanden sind! Das verursacht eine beträchtliche Verblüffung, bis man sich besinnt, dass Bruce zu Besuch war , der seine Bauklötze mitgebracht hatte und einige davon bei Dennis zurückließ.

Nachdem sie die zusätzlichen Bauklötze entfernt hat, schließt sie das Fenster, lässt Bruce nicht ein und dann geht alles gut, bis sie einmal nachzählt und nur 25 Bauklötze findet. Jedoch befindet sich eine Kiste im Zimmer, eine Spielzeugkiste und die Mutter will diese öffnen. Aber der Knabe sagt: »Nein, meine Spielzeugkiste wird nicht geöffnet«, und brüllt. Er lässt seine Mutter die Spielzeugkiste nicht öffnen. Da sie unerhört neugierig und recht erfinderisch ist, tüftelt sie einen Plan aus. Sie weiß, dass ein Bauklotz \({85{\rm{g}}}\) wiegt, also wiegt sie die Kiste zu einem Zeitpunkt, an dem sie alle 28 Bauklötze sieht, und erhält \({454{\rm{g}}}\). Wenn sie das nächste Mal prüft, wiegt sie wiederum die Kiste, subtrahiert \({454{\rm{g}}}\) und dividiert durch\({85{\rm{g}}}\). Sie entdeckt folgendes:
\[{\rm{Anzahl}}\;{\rm{der}}\;{\rm{gesehenen}}\;{\rm{Bauklötze}} + \frac{{{\rm{Masse}}\;{\rm{der}}\;{\rm{Kiste}} - {\rm{454g}}}}{{{\rm{85g}}}} = {\rm{konstant}}\]
Es scheinen dann neue Abweichungen aufzutreten, aber die sorgfältige Untersuchung ergibt, dass das schmutzige Wasser in der Badewanne seinen Pegel ändert. Das Kind wirft Bauklötze in das Wasser und die Mutter kann diese nicht sehen, weil das Wasser so schmutzig ist. Aber sie kann herausfinden, wie viele Klötze sich in dem Wasser befinden, indem sie ihrer Gleichung von oben ein weiteres Glied hinzufügt. Da die ursprüngliche Wasserhöhe \({15,4{\rm{cm}}}\) betrug und jeder Bauklotz die Wasseroberfläche um \({0,64{\rm{cm}}}\) anhebt, wäre diese neue Formel:
\[{\rm{Anzahl}}\;{\rm{der}}\;{\rm{gesehenen}}\;{\rm{Bauklötze}} + \frac{{{\rm{Masse}}\;{\rm{der}}\;{\rm{Kiste}} - {\rm{454g}}}}{{{\rm{85g}}}} + \frac{{{\rm{Wasserhöhe}} - {\rm{15,4cm}}}}{{{\rm{0,64cm}}}} = {\rm{konstant}}\]

Während ihre Welt allmählich immer komplizierter wird, findet sie eine ganze Reihe von Termen, welche Wege zur Berechnung der Anzahl von Bauklötzen an Orten darstellen, welche die Mutter nicht in Augenschein nehmen darf. Als Resultat findet sie eine komplizierte Formel, eine Größe, welche berechnet werden muss und welche in ihrer Situation immer gleich bleibt.

Was ist herbei die Analogie zur Energieerhaltung?

Der bemerkenswerte Aspekt, der von diesem Bild abstrahiert werden muss, ist, dass es keine Bauklötze gibt. Lassen in den obigen Formeln jeweils das erste Glied weg, so finden wir uns bei der Berechnung mehr oder weniger abstrakter Dinge. Die Analogie liegt in den folgenden Punkten:

  • Erstens ist es bei der Berechnung der Energie so, dass manchmal etwas von ihr das System verlässt und weggeht oder manchmal etwas hinzu kommt. Um die Energieerhaltung zu verifizieren, müssen wir sorgfältig darauf achten, dass wir nichts hinzugeben oder weglassen.

  • Zweitens besitzt die Energie eine große Anzahl verschiedener Formen und für jede gibt es eine Formel. Es sind dies: Potenzielle Energie, kinetische Energie, innere Energie, elastische Energie, elektrische Energie usw.. Wenn wir die Formel für jeden dieser Beiträge zusammenaddieren, so wird sie sich abgesehen von der hinzukommenden oder abgehenden Energie nicht ändern.

Es ist wichtig einzusehen, dass wir in der heutigen Physik nicht wissen, was Energie ist. Wir haben kein Bild davon, dass Energie in kleinen Klumpen definierter Größe vorkommt. So ist es nicht. Jedoch gibt es Formeln zur Berechnung einer numerischen Größe und wenn wir alles zusammenaddieren, ergibt es »28« - immer die gleiche Zahl. Es ist eine abstrakte Sache insofern, als es uns nichts über den Mechanismus oder die Gründe für die verschiedenen Formeln mitteilt.