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Grundwissen

Schräger Wurf ohne Anfangshöhe

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Nach dem Superpositionsprinzip beeinflussen sich die Bewegungen in \(x\)- und in \(y\)-Richtung gegenseitig nicht, falls Reibungseffekte vernachlässigt werden.
  • In \(x\)-Richtung bewegt sich der Körper gleichförmig mit \(x(t)=v_0 \cdot \cos\left(\alpha_0\right) \cdot t\).
  • In \(y\)-Richtung bewegt sich der Körper gleichmäßig beschleunigt wie beim senkrechten Wurf nach oben ohne Anfangshöhe mit \(y(t)=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot t^2 + v_0 \cdot \sin\left(\alpha_0\right) \cdot t\).
  • Die Bahnkurve \(y(x)\) ist eine Parabel mit \(y(x)=-\frac{1}{2}\cdot \frac{g}{{\left( v_0  \cdot \cos\left(\alpha_0\right) \right)}^2} \cdot x^2 +\tan\left(\alpha_0\right) \cdot x\).
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Abb. 1 Stroboskopaufnahme eines schrägen Wurfs ohne Anfangshöhe und die wichtigsten Größen zur Beschreibung der Bewegung

In der Animation in Abb. 1 bewegt sich eine Kugel zuerst gleichförmig mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_0\) auf einer Rampe schräg nach oben, bis die Kugel auf Höhe des Erdbodens ist. Der sogenannte schräge (schiefe) Wurf ohne Anfangshöhe beginnt in dem Augenblick, in dem die Kugel die Rampe verlässt.  In diesem Augenblick startet eine Stoppuhr. Ein Stroboskop beleuchtet dabei die Anordnung im Sekundentakt und markiert so die jeweilige Position der Kugel.

Die Uhr stoppt, wenn die Kugel auf dem Boden auftrifft. Die gemessene Zeitspanne bezeichnet man als Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\). Die horizontale Entfernung des Aufschlagpunktes der Kugel von der Rampe stellt die Wurfweite \(w\) dar.

Superpositionsprinzip

Alle Experimente zum schrägen Wurf ohne Anfangshöhe bestätigen das sogenannte Superpositionsprinzip (manchmal auch als Unabhängigkeitsprinzip bezeichnet). Dieses Prinzip besagt, dass sich die Gesamtbewegung der Kugel durch die Überlagerung (Superposition) der horizontalen und der vertikalen Bewegungen ergibt, ohne dass sich die beiden Bewegungen gegenseitig beeinflussen.1 Das bedeutet konkret:

  • Die horizontale Bewegung in \(x\)-Richtung wird nicht durch die vertikale Bewegung in \(y\)-Richtung beeinflusst. Der Körper bewegt sich in \(x\)-Richtung gleichförmig weiter.
  • Die vertikale Bewegung in \(y\)-Richtung wird nicht durch die horizontale Bewegung in \(x\)-Richtung beeinflusst. Der Körper bewegt sich in \(y\)-Richtung gleichmäßig beschleunigt genau wie bei einem senkrechten Wurf nach oben ohne Anfangshöhe.

1 Dies gilt allerdings nur, wenn Reibungskräfte wie z.B. der Luftwiderstand vernachlässigt werden.

Zerlegung der Anfangsgeschwindigkeit \(\vec v_0\) in \(x\)- und \(y\)-Komponente

Joachim Herz Stiftung
Abb. 2 Zerlegung der Anfangsgeschwindigkeit \(\vec v_0\) in \(x\)- und \(y\)-Komponente

Wie oben gesagt startet die Wurfbewegung mit der Anfangsgeschwindigkeit \(\vec v_0\). Die Bewegungen in \(x\)- und in \(y\)-Richtung haben aber jeweils kleinere Anfangsgeschwindigkeiten; wir bezeichnen die Anfangsgeschwindigkeit in horizontaler Richtung (\(x\)-Achse) mit \(\vec{v}_{x,0}\) und die in vertikaler Richtung (\(y\)-Achse) mit \(\vec{v}_{y,0}\) (vgl. Abb. 2). Diese beiden Anfangsgeschwindigkeiten erhalten wir, indem wir die Anfangsgeschwindigkeit \(\vec{v}_0\) vektoriell in ihren horizontalen und ihren vertikalen Anteil zerlegen. Die Beträge \({v}_{x,0}\) und \({v}_{y,0}\) können wir bei bekanntem Abwurfwinkel der Weite \(\alpha_0\) mithilfe von Sinus ("Sinus gleich Gegenkathete durch Hypotenuse") und Kosinus ("Kosinus gleich Ankathete durch Hypotenuse") berechnen. Es gilt

\[\cos\left( \alpha_0 \right) = \frac{v_{x,0}}{v_{0}} \Leftrightarrow v_{x,0}=v_{0}\cdot \cos\left( \alpha_0 \right)\]

\[\sin\left( \alpha_0 \right) = \frac{v_{y,0}}{v_{0}} \Leftrightarrow v_{y,0}=v_{0}\cdot \sin\left( \alpha_0 \right)\]

Der schräge Wurf ohne Anfangshöhe kann somit beschrieben werden durch

  • eine horizontale gleichförmige Bewegung mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_{x,0}=v_{0}\cdot \cos\left( \alpha_0 \right)\) und
  • eine vertikale gleichförmig beschleunigte Bewegung wie beim Senkrechten Wurf nach oben mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_{y,0}=v_{0}\cdot \sin\left( \alpha_0 \right)\) ohne Anfangshöhe.
Bewegungsgesetze des schrägen Wurfs ohne Anfangshöhe
  Zeit-Ort-Gesetz Zeit-Geschwindigkeit-Gesetz
\(x\)-Richtung: gleichförmige Bewegung \[x(t) = v_0 \cdot \cos \left( \alpha_0  \right) \cdot t \quad (1)\]
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Abb. 3
\[v_x(t) = v_0 \cdot \cos \left( \alpha_0  \right) \quad(3)\]
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Abb. 5
\(y\)-Richtung: gleichmäßig beschleunigte Bewegung (senkrechter Wurf nach oben ohne Anfangshöhe) \[y(t) = - {\textstyle{1 \over 2}}\cdot g \cdot t^2 + v_0 \cdot \sin \left( \alpha_0  \right) \cdot t  \quad (2)\]
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Abb. 4
\[v_y(t) = \frac{\;}{\;}\,g \cdot t + v_0 \cdot \sin \left( \alpha_0  \right) \quad (4)\]
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Abb. 6

 

Mit Hilfe der Bewegungsgesetze \(x(t)\), \(y(t)\), \(v_x(t)\) und \(v_y(t)\) kann man zu jedem Zeitpunkt \(t\) die Ortskoordinaten \(x\) und \(y\) und die Geschwindigkeitskomponenten \(v_x\) und \(v_y\) des Körpers bestimmen.

Gleichung der Bahnkurve

Mit Hilfe der Gleichung der Bahnkurve \(y(x)\) lässt sich zu jeder \(x\)-Koordinate des Körpers die zugehörige \(y\)-Koordinate bestimmen. Die Gleichung der Bahnkurve erhält man durch Elimination der Zeit aus den Bewegungsgleichungen \((1)\) und \((2)\). Es ergibt sich\[y(x)=-\frac{1}{2}\cdot \frac{g}{{\left( v_0  \cdot \cos\left(\alpha_0\right) \right)}^2} \cdot x^2 +\tan\left(\alpha_0\right) \cdot x \quad (5)\]Die Bahn des schrägen Wurfes ohne Anfangshöhe hat also Parbelform, weshalb man sie auch als Wurfparabel bezeichnet.

Aufgabe
Aufgabe

In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).

Berechne aus diesen Angaben die Bahngleichung \(y(x)\).

Lösung

Die Bahngleichung \(y(x)\) berechnet sich mit Gleichung \((5)\). Einsetzen der gegebenen Werte liefert (bei zwei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[y(x) =  - \frac{1}{2} \cdot \frac{10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}}{{\left( {28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}}\cdot \cos \left(45^\circ\right)\right)}^2} \cdot x^2 + \tan\left(45^\circ\right) \cdot x =  - 0{,}0125\,\frac{1}{\rm{m}} \cdot x^2 + x\]

Koordinaten des Scheitelpunkts

Als Scheitelpunkt \(\rm{S}\) bezeichnet man den Punkt der Bahnkurve mit der größten \(y\)-Koordinate; dort ist \(v_y=0\). Die Zeitspanne vom Abwurf bis zum Erreichen dieses Scheitelpunktes bezeichnet man als Steigzeit \(t_{\rm{S}}\).

Die Steigzeit berechnet sich dann mit Gleichung \((4)\) und \(v_y(t_{\rm{S}})=0\) durch\[t_{\rm{S}} = \frac{v_0 \cdot \sin \left( \alpha _0 \right)}{g} \quad (6)\]

Auf verschiedenen Wegen ergibt sich für die Koordinaten des Scheitelpunktes\[{\rm{S}}\,\left(\frac{{v_0}^2 \cdot \sin \left( \alpha_0  \right) \cdot \cos \left( \alpha_0  \right)}{g}\left|\frac{\left({v_0} \cdot \sin \left( \alpha_0  \right)\right)^2}{2 \cdot g}\right.\right) \quad (7)\]Hinweis: Mit \(\sin \left( \alpha  \right) \cdot \cos \left( \alpha  \right) = \frac{1}{2} \cdot \sin\left(2 \cdot \alpha\right)\) kann Gleichung \((7)\) auch geschrieben werden als\[{\rm{S}}\,\left(\frac{{v_0}^2 \cdot \sin \left( 2 \cdot \alpha_0  \right)}{2 \cdot g}\left|\frac{\left({v_0} \cdot \sin \left( \alpha_0  \right)\right)^2}{2 \cdot g}\right.\right) \quad (7^*)\]

Aufgabe
Aufgabe

In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).

Berechne aus diesen Angaben die Steigzeit \(t_{\rm{S}}\) und die Koordinaten des Scheitelpunktes \(\rm{S}\).

Lösung

Die Steigzeit \(t_{\rm{S}}\) berechnet sich mit Gleichung \((6)\). Einsetzen der gegebenen Werte liefert (bei zwei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[t_{\rm{S}} = \frac{{28{,}3\,\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}} \cdot \sin \left( {45^\circ } \right)}}{{10\,\frac{{\rm{m}}}{{{{\rm{s}}^2}}}}} = 2{,}0\,{\rm{s}}\]

Die Koordinaten des Scheitelpunktes  \(\rm{S}\) berechnen sich mit Gleichung \((7)\). Einsetzen der gegebenen Werte liefert (bei zwei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[{\rm{S}}\,\left(\frac{\left({28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}}\right)^2 \cdot \sin \left( 45^\circ  \right) \cdot \cos \left(45^\circ  \right)}{10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}}\left|\frac{\left({28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}} \cdot \sin \left( 45^\circ  \right)\right)^2}{2 \cdot 10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}}\right.\right)\]\[{\rm{S}}\,\left(40\,\rm{m}\left|20\,\rm{m}\right.\right)\]

Wurfzeit und Wurfweite

Als Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) bezeichnet man die Zeit, die der Körper vom Abwurf bis zum Auftreffen auf dem Boden benötigt.

Die Wurfzeit berechnet sich dann mit Gleichung \((2)\) und \(y(t_{\rm{W}})=0\) durch\[t_{\rm{W}} = \frac{2 \cdot v_0 \cdot \sin \left( \alpha_0  \right)}{g} \quad (8)\]

Als Wurfweite \(w\) bezeichnet man die \(x\)-Koordinate des Körpers beim Auftreffen auf den Boden.

Die Wurfweite berechnet sich dann mit Gleichung \((1)\) und bekanntem \(t_{\rm{W}}\) durch\[w =\frac{2 \cdot {v_0}^2 \cdot \sin \left( \alpha_0  \right) \cdot \cos \left( \alpha_0  \right)}{g} \quad (9)\]Hinweis: Mit \(\sin \left( \alpha  \right) \cdot \cos \left( \alpha  \right) = \frac{1}{2} \cdot \sin\left(2 \cdot \alpha\right)\) kann Gleichung \((9)\) auch geschrieben werden als\[w = \frac{{v_0}^2 \cdot \sin \left( 2 \cdot \alpha_0  \right)}{g} \quad (9^*)\]

Aufgabe
Aufgabe

In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).

Berechne aus diesen Angaben die Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) und die Wurfweite \(w\).

Lösung

Die Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) berechnet sich mit Gleichung \((8)\). Einsetzen der gegebenen Werte liefert (bei zwei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[{t_{\rm{W}}} = \frac{{2 \cdot 28{,}3\,\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}} \cdot \sin \left( {45^\circ } \right)}}{{10\,\frac{{\rm{m}}}{{{{\rm{s}}^2}}}}} = 4{,}0\,{\rm{s}}\]

Die Wurfweite \(w\) berechnet sich mit Gleichung \((9)\). Einsetzen der gegebenen Werte liefert (bei zwei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[w = \frac{{2 \cdot {{\left( {28{,}3\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}}} \right)}^2} \cdot \sin \left( {45^\circ } \right) \cdot \cos \left( {45^\circ } \right)}}{{10\,\frac{{\rm{m}}}{{{{\rm{s}}^2}}}}} = 80\,{\rm{m}}\]

Auftreffgeschwindigkeit und Auftreffwinkel

Als Bahngeschwindigkeit \(\vec v\) bezeichnen wir die Geschwindigkeit des Körpers in Richtung der Bahnkurve.

Als Auftreffgeschwindigkeit \(\vec v_{\rm{W}}\) bezeichnen wir die Bahngeschwindigkeit des Körpers zum Zeitpunkt \(t_{\rm{W}}\), also am Ende des Wurfs beim Auftreffen auf den Boden.

Als Neigungswinkel \(\alpha\) bezeichnen wir den Winkel zwischen der Horizontalen und der Bahnkurve des Körpers.

Als Auftreffwinkel bezeichnen wir den Neigungswinkel des Körpers zum Zeitpunkt \(t_{\rm{W}}\), also am Ende des Wurfs beim Auftreffen auf den Boden.

Aus der Symmetrie der Wurfparabel beim schrägen Wurf ohne Anfangshöhe zum Scheitelpunkt \(\rm{S}\) ergibt sich\[v_{\rm{W}} = v_0 \quad (10')\]\[\alpha_{\rm{W}}=-\alpha_0 \quad(11')\]