Viele interessante Bewegungen wie z.B. der Kugelstoß, der Speerwurf, der Flug einer Kanonenkugel usw. können nicht mit Hilfe der Gleichungen des waagerechten Wurfes beschrieben werden, da die Abwurfgeschwindigkeit \(\vec v_0\) einen Winkel der Weite \( \alpha_0\) mit der Horizontalen bildet.
In der Animation in Abb. 1 bewegt sich eine Kugel zuerst gleichförmig mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_0\) auf einer Rampe schräg nach oben, bis die Kugel auf der Abwurfhöhe ist. Der sogenannte schräge (schiefe) Wurf beginnt in dem Augenblick, in dem die Kugel die Rampe verlässt. In diesem Augenblick startet eine Stoppuhr. Ein Stroboskop beleuchtet dabei die Anordnung im Sekundentakt und markiert so die jeweilige Position der Kugel.
Die Uhr stoppt, wenn die Kugel auf dem Boden auftrifft. Die gemessene Zeitspanne bezeichnet man als Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\). Die horizontale Entfernung des Aufschlagpunktes der Kugel von der Rampe stellt die Wurfweite \(w\) dar.
Superpositionsprinzip
Alle Experimente zum schrägen Wurf bestätigen das sogenannte Superpositionsprinzip (manchmal auch als Unabhängigkeitsprinzip bezeichnet). Dieses Prinzip besagt, dass sich die Gesamtbewegung der Kugel durch die Überlagerung (Superposition) der horizontalen und der vertikalen Bewegungen ergibt, ohne dass sich die beiden Bewegungen gegenseitig beeinflussen.1 Das bedeutet konkret:
- Die horizontale Bewegung in \(x\)-Richtung wird nicht durch die vertikale Bewegung in \(y\)-Richtung beeinflusst. Der Körper bewegt sich in \(x\)-Richtung gleichförmig weiter.
- Die vertikale Bewegung in \(y\)-Richtung wird nicht durch die horizontale Bewegung in \(x\)-Richtung beeinflusst. Der Körper bewegt sich in \(y\)-Richtung gleichmäßig beschleunigt genau wie bei einem senkrechten Wurf nach oben.
1 Dies gilt allerdings nur, wenn Reibungskräfte wie z.B. der Luftwiderstand vernachlässigt werden.
Zerlegung der Anfangsgeschwindigkeit \(\vec v_0\) in \(x\)- und \(y\)-Komponente
Wie oben gesagt startet die Wurfbewegung mit der Anfangsgeschwindigkeit \(\vec v_0\). Die Bewegungen in \(x\)- und in \(y\)-Richtung haben aber jeweils kleinere Anfangsgeschwindigkeiten; wir bezeichnen die Anfangsgeschwindigkeit in horizontaler Richtung (\(x\)-Achse) mit \(\vec{v}_{x,0}\) und die in vertikaler Richtung (\(y\)-Achse) mit \(\vec{v}_{y,0}\) (vgl. Abb. 2). Diese beiden Anfangsgeschwindigkeiten erhalten wir, indem wir die Anfangsgeschwindigkeit \(\vec{v}_0\) vektoriell in ihren horizontalen und ihren vertikalen Anteil zerlegen. Die Beträge \({v}_{x,0}\) und \({v}_{y,0}\) können wir bei bekanntem Abwurfwinkel der Weite \(\alpha_0\) mithilfe von Sinus ("Sinus gleich Gegenkathete durch Hypotenuse") und Kosinus ("Kosinus gleich Ankathete durch Hypotenuse") berechnen. Es gilt
\[\cos\left( \alpha_0 \right) = \frac{v_{x,0}}{v_{0}} \Leftrightarrow v_{x,0}=v_{0}\cdot \cos\left( \alpha_0 \right)\]
\[\sin\left( \alpha_0 \right) = \frac{v_{y,0}}{v_{0}} \Leftrightarrow v_{y,0}=v_{0}\cdot \sin\left( \alpha_0 \right)\]
Der schräge Wurf kann somit beschrieben werden durch
- eine horizontale gleichförmige Bewegung mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_{x,0}=v_{0}\cdot \cos\left( \alpha_0 \right)\) und
- eine vertikale gleichförmig beschleunigte Bewegung wie beim Senkrechten Wurf nach oben mit der Anfangsgeschwindigkeit \(v_{y,0}=v_{0}\cdot \sin\left( \alpha_0 \right)\) aus der Anfangshöhe \(h\).
Bewegungsgesetze des schrägen Wurfs
Zeit-Ort-Gesetz | Zeit-Geschwindigkeit-Gesetz | |
---|---|---|
\(x\)-Richtung: gleichförmige Bewegung |
\[x(t) = v_0 \cdot \cos \left( \alpha_0 \right) \cdot t \quad (1)\] |
\[v_x(t) = v_0 \cdot \cos \left( \alpha_0 \right) \quad (3)\] |
\(y\)-Richtung: gleichmäßig beschleunigte Bewegung (senkrechter Wurf nach oben) |
\[y(t) = - {\textstyle{1 \over 2}}\cdot g \cdot t^2+v_0 \cdot \sin \left( \alpha_0 \right) \cdot t + h \quad (2)\] |
\[v_y(t) = \frac{\;}{\;}\,g \cdot t + v_0 \cdot \sin \left( \alpha_0 \right) \quad (4)\] |
Mit Hilfe der Bewegungsgesetze \(x(t)\), \(y(t)\), \(v_x(t)\) und \(v_y(t)\) kann man zu jedem Zeitpunkt \(t\) die Ortskoordinaten \(x\) und \(y\) und die Geschwindigkeitskomponenten \(v_x\) und \(v_y\) des Körpers bestimmen.
Gleichung der Bahnkurve
Mit Hilfe der Gleichung der Bahnkurve \(y(x)\) lässt sich zu jeder \(x\)-Koordinate des Körpers die zugehörige \(y\)-Koordinate bestimmen. Die Gleichung der Bahnkurve erhält man durch Elimination der Zeit aus den Bewegungsgleichungen \((1)\) und \((2)\). Es ergibt sich\[y(x)=-\frac{1}{2}\cdot \frac{g}{{\left( v_0 \cdot \cos\left(\alpha_0\right) \right)}^2} \cdot x^2 +\tan\left(\alpha_0\right) \cdot x + h \quad (5)\]Die Bahn des schrägen Wurfes hat also Parbelform, weshalb man sie auch als Wurfparabel bezeichnet.
Aufgabe
Aufgabe
In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangshöhe \(h=60\,\rm{m}\), die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).
Berechne aus diesen Angaben die Bahngleichung \(y(x)\).
Koordinaten des Scheitelpunkts
Als Scheitelpunkt \(\rm{S}\) bezeichnet man den Punkt der Bahnkurve mit der größten \(y\)-Koordinate; dort ist \(v_y=0\). Die Zeitspanne vom Abwurf bis zum Erreichen dieses Scheitelpunktes bezeichnet man als Steigzeit \(t_{\rm{S}}\).
Die Steigzeit berechnet sich dann mit Gleichung \((4)\) und \(v_y(t_{\rm{S}})=0\) durch\[t_{\rm{S}} = \frac{v_0 \cdot \sin \left( \alpha _0 \right)}{g} \quad (6)\]
Auf verschiedenen Wegen ergibt sich für die Koordinaten des Scheitelpunktes\[{\rm{S}}\,\left(\frac{{v_0}^2 \cdot \sin \left( \alpha_0 \right) \cdot \cos \left( \alpha_0 \right)}{g}\left|\frac{\left({v_0} \cdot \sin \left( \alpha_0 \right)\right)^2}{2 \cdot g}\right. + h\right) \quad (7)\]Hinweis: Mit \(\sin \left( \alpha \right) \cdot \cos \left( \alpha \right) = \frac{1}{2} \cdot \sin\left(2 \cdot \alpha\right)\) kann Gleichung \((6)\) auch geschrieben werden als\[{\rm{S}}\,\left(\frac{{v_0}^2 \cdot \sin \left( 2 \cdot \alpha_0 \right)}{2 \cdot g}\left|\frac{\left({v_0} \cdot \sin \left( \alpha_0 \right)\right)^2}{2 \cdot g} + h\right.\right) \quad (7^*)\]
Aufgabe
Aufgabe
In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangshöhe \(h=60\,\rm{m}\), die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).
Berechne aus diesen Angaben die Steigzeit \(t_{\rm{S}}\) und die Koordinaten des Scheitelpunktes \(\rm{S}\).
Wurfzeit und Wurfweite
Als Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) bezeichnet man die Zeit, die der Körper vom Abwurf bis zum Auftreffen auf dem Boden mit \(y=0\) benötigt. Die Wurfzeit berechnet sich dann nach Gleichung \((2)\) zu\[{t_{\rm{W}}} = \frac{{{v_0} \cdot \sin \left( {{\alpha _0}} \right)}}{g} + \frac{{\sqrt {{{\left( {{v_0} \cdot \sin \left( {{\alpha _0}} \right)} \right)}^2} + 2 \cdot g \cdot h} }}{g} \quad (8)\]
Als Wurfweite \(w\) bezeichnet man die \(x\)-Koordinate des Körpers beim Auftreffen auf den Boden. Die Wurfweite berechnet sich aus der Anfangsgeschwindigkeit \(v_0\) und der Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) nach Gleichung \((1)\) zu\[w = v_0 \cdot \cos \left( \alpha_0 \right) \cdot \left(\frac{{{v_0} \cdot \sin \left( {{\alpha _0}} \right)}}{g} + \frac{{\sqrt {{{\left( {{v_0} \cdot \sin \left( {{\alpha _0}} \right)} \right)}^2} + 2 \cdot g \cdot h} }}{g}\right) \quad (9)\]
Aufgabe
Aufgabe
In der Animation in Abb. 1 beträgt die Anfangshöhe \(h=60\,\rm{m}\), die Anfangsgeschwindigkeit \(v_0=28{,}3\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\), die Weite des Anfangswinkels \(\alpha_0=45^\circ\) und \(g=10\,\frac{\rm{m}}{\rm{s}^2}\).
Berechne aus diesen Angaben die Wurfzeit \(t_{\rm{W}}\) und die Wurfweite \(w\).