Gedämpftes Federpendel
Ein gedämpftes Federpendel besteht aus einem Pendelkörper, der über eine Feder horizontal befestigt ist und sich z.B. in einem Becken mit Wasser befindet. Der Pendelkörper wird ein Stück aus der Gleichgewichtslage ausgelenkt, festgehalten und dann losgelassen. Die Animation in Abb. 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau, die Durchführung und die Beobachtung des entsprechenden Versuchs. Wenn du die Checkbox "Größen" anwählst, kannst du dir in der Animation die wichtigsten Größen zur Beschreibung der Bewegung einblenden lassen. Dabei wirkt beim gedämpften Federpendel neben der Federkraft \(\vec{F}_{\rm{F}}\) auch eine Reibungskraft \(\vec{F}_{\rm{VR}}\) entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung des Pendels.
In der Regel machen wir zur mathematischen Beschreibung folgende vereinfachende Annahmen:
- Die Bewegung der Feder verläuft reibungsfrei (die des Pendelkörpers allerdings nicht).
- Die Masse der Feder wird vernachlässigt.
- Der Betrag der Federkraft ist proportional zur Ausdehnung der Feder.
- Auf den Pendelkörper wirkt eine viskose Reibungskraft \(\vec{F}_{\rm{VR}}\), d.h. der Betrag der Reibungskraft ist proportional zur Geschwindigkeit der Masse.
Bewegungsgleichung beim gedämpften Pendel
Unter Berücksichtigung von Federkraft und Reibungskraft ergibt sich als Bewegungsgleichung beim gedämpften Federpendel\[\ddot x(t) +\frac{k}{m} \cdot \dot x(t) + \frac{D}{m} \cdot x(t) = 0\]Dabei ist \(m\) die Masse des Pendelkörpers, \(D\) die Federkonstante und \(k\) die Dämpfungskonstante des Systems.
Die Theorie der Differentialgleichungen besagt nun, dass es für verschiedene Werte der Parameter \(m\), \(D\) und \(k\) verschiedene Lösungsfunktionen gibt. Diesen Nachweis kannst du in der entsprechenden Erarbeitungsaufgabe nachvollziehen (Link am Ende des Artikels).
Wir setzen \(\delta = \frac{k}{2 \cdot m}\) und erhalten die drei folgenden, unterschiedlichen Fälle.
1. Fall: \(\delta^2<\frac{D}{m} \) (schwache Dämpfung, Schwingfall)
Die Theorie der Differentialgleichungen liefert im Fall \(\delta^2<\frac{D}{m}\) bei den Anfangsbedingungen \(x(0) = {x_0}\) und \(v(0) = 0\) die Lösung\[x(t) = \hat{x} \cdot {e^{ - \delta \cdot t}} \cdot \left( {\cos \left( {\omega \cdot t} \right) + \frac{\delta }{\omega } \cdot \sin \left( {\omega \cdot t} \right)} \right)\]mit \(\hat{x}=x_0\), \(\delta = \frac{k}{2 \cdot m}\) und \({\omega} = \sqrt {\frac{D}{m} - \delta^2} \).
In den meisten Fällen ist aber \(\delta\) klein gegen \(\omega\), so dass der Summand \({\frac{\delta }{\omega } \cdot \sin \left( {\omega \cdot t} \right)}\) in der Klammer vernachlässigt werden kann. Dann ergibt sich\[x(t) = \hat{x} \cdot \cos \left( {\omega \cdot t} \right) \cdot {e^{ - \delta \cdot t}}\]mit \(\hat{x}=x_0\), \(\delta = \frac{k}{2 \cdot m}\) und \({\omega} = \sqrt {\frac{D}{m} - \delta^2} \).
Diskussion
Die Dämpfung ist umso größer, je größer der Proportionalitätsfaktor für die Reibung ist. Mit zunehmender Masse des Gleiters wird die Dämpfung geringer.
Die Schwingungsfrequenz geht für \(k \to 0\) in die Schwingungsfrequenz der ungedämpften Schwingung über. Ist die Dämpfung aber nicht mehr gering und damit evtl. zu vernachlässigen, so erkennt man, dass die Schwingungsfrequenz vom Faktor \(k\) und der Masse \(m\) abhängt. Die Schwingungsdauer wird sich also bei merklicher Dämpfung erhöhen.
Anwendung
Das Trommelfell führt nach dem Anschlagen eine relativ schwach gedämpfte Schwingung aus.
2. Fall: \(\delta^2=\frac{D}{m}\) (starke Dämpfung, aperiodischer Grenzfall)
Die Theorie der Differentialgleichungen liefert im Fall \(\delta^2=\frac{D}{m}\) bei den Anfangsbedingungen \(x(0) = {x_0}\) und \(v(0) = 0\) die Lösung\[x(t) = \left( {\hat{x} + \delta \cdot \hat{x} \cdot t} \right) \cdot {e^{ - \delta \cdot t}}\]mit \(\hat{x}=x_0\), \(\delta = \frac{k}{2 \cdot m}\).
Anwendung
Das Schwingen des Autos aufgrund der Federung ist unerwünscht. Daher werden Stoßdämpfer eingebaut, die nahezu zum aperiodischen Grenzfall führen.
3. Fall: \(\delta^2>\frac{D}{m} \) (starke Dämpfung, Kriechfall)
Die Theorie der Differentialgleichungen liefert im Fall \(\delta^2>\frac{D}{m} \) bei den Anfangsbedingungen \(x(0) = {x_0}\) und \(v(0) = 0\) die Lösung\[x(t) = \hat{x} \cdot \frac{1}{{2 \cdot \lambda }}\left( {\left( {\lambda + \delta } \right) \cdot {e^{\lambda \cdot t}} + \left( {\lambda - \delta } \right) \cdot {e^{ - \lambda \cdot t}}} \right) \cdot {e^{ - \delta \cdot t}}\]mit \(\hat{x}=x_0\), \(\delta = \frac{k}{2 \cdot m}\) und \(\lambda = \sqrt {{\delta ^2} - \frac{D}{m}}\).
Die Dämpfung ist so stark, dass das schwingungsfähige System sehr langsam in die Nulllage zurückgeht. In der Skizze ist zum Kriechfall aus Vergleichsgründen noch der aperiodische Grenzfall eingezeichnet.
Anwendung
Bei einer analogen Tankanzeige sind schnelle Änderungen in der Anzeige unerwünscht, da der Füllstand des Tanks nur langsam abnimmt. Eine sehr starke Dämpfung sorgt dafür, dass der Zeiger in seine Endstellung "kriecht".
Zeitlicher Verlauf der Größen
Die folgende Simulation zeigt dir die Graphen von Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Federkraft, viskoser Reibungskraft, Gesamtkraft, kinetischer, potentieller und innerer Energie. Du kannst zusätzlich die Größen \(D\), \(m\), \(k\) und \(x_0=\hat{x}\) in gewissen Grenzen verändern und so deren Einfluss auf die Graphen beobachten.
Aufstellen der Bewegungsgleichung
Im Folgenden werden wir die Bewegung des gedämpften Federpendels mathematisch auf Basis des 2. Axioms von NEWTON (Aufstellen und dann Lösen der Gleichung \(F=m \cdot a \Leftrightarrow a = \frac{F}{m}\; (*)\)) beschreiben.
1. Einführen eines geeigneten Koordinatensystems
Wir wählen eine horizontales Koordinatensystem (\(x\)-Achse), dessen Nullpunkt in der Ruhelage des Federpendels liegt und das nach rechts orientiert ist (vgl. Animation). Da es sich um eine eindimensionale Bewegung handelt, brauchen wir den Vektorcharakter aller Größen nicht zu berücksichtigen; wir kennzeichnen lediglich durch Vorzeichen, ob eine Größe in (+) oder gegen (-) die Orientierung des Koordinatensystems gerichtet ist. Damit gilt\[a = \ddot x(t)\quad {\rm{und}} \quad v = \dot x(t) \quad (1)\]
2. Bestimmen der beschleunigenden Kraft \(F=F_{\rm{res}}\)
Auf den Pendelkörper wirken zwei Kräfte: Die Federkraft \(\vec F_{\rm{F}}\) und die viskose Reibungskraft \(\vec F_{\rm{VR}}\). Wir erhalten also \[F_{\rm{res}}=F_{\rm{F}}+F_{\rm{VR}} \quad(2)\]
3. Bestimmen der beschleunigten Masse \(m\)
Da die Masse der Feder vernachlässigt werden kann, ist die beschleunigte Masse allein die Masse \(m\) des Pendelkörpers. Sie bleibt während der Schwingung konstant.
4. Konkretisieren der Bewegungsgleichung
Somit ergibt sich aus Gleichung \((*)\) mit (\(1)\) und (\(2)\)\[\ddot x(t) = \frac{F_{\rm{F}}+F_{\rm{VR}}}{m}\quad (**)\]Nun analysieren wir den Term auf der rechten Seite von Gleichung \((**)\).
Die Federkraft \(\vec F_{\rm{F}}\) ist stets gegen die Position \(x\) gerichtet: Ist die Position \(x\) positiv, so wirkt die Federkraft gegen die Orientierung des Koordinatensystems; ist die Position negativ, so wirkt die Federkraft mit der Orientierung des Koordinatensystems (vgl. Animation). Es gilt also\[F_{\rm{F}} = - D \cdot x\]Da diese Beziehung zu jedem Zeitpunkt \(t\) der Bewegung gilt, können wir statt \(x\) allgemeiner \(x(t)\) schreiben und erhalten\[F_{\rm{F}} = -D \cdot x(t) \quad(3)\]
Die viskose Reibungskraft \(\vec F_{\rm{VR}}\) ist stets gegen die Geschwindigkeit \(v\) gerichtet: Ist die Geschwindigkeit \(v\) positiv, so wirkt die Reibungskraft gegen die Orientierung des Koordinatensystems; ist die Geschwindigkeit negativ, so wirkt die Reibungskraft mit der Orientierung des Koordinatensystems (vgl. Animation). Es gilt also\[F_{\rm{VR}} = - k \cdot v\]Da diese Beziehung zu jedem Zeitpunkt \(t\) der Bewegung gilt, können wir statt \(v\) allgemeiner \(v(t)\) schreiben und erhalten\[F_{\rm{VR}} = -k \cdot v(t) \underbrace{=}_{(1)} -k \cdot \dot x(t) \quad(4)\]
Setzen wir \((3)\) und \((4)\) in \((**)\) ein, so erhalten wir\[\ddot x(t) = \frac{F_{\rm{F}}+F_{\rm{VR}}}{m}\underbrace{=}_{(3),(4)} = \frac{-D \cdot x(t)-k \cdot \dot x(t)}{m} = -\frac{D}{m} \cdot x(t) -\frac{k}{m} \cdot \dot x(t)\]Bringen wir noch alle Terme auf die linke Seite der Gleichung, so erhalten wir\[\ddot x(t) +\frac{k}{m} \cdot \dot x(t) + \frac{D}{m} \cdot x(t) = 0\quad (***)\]Gleichung \((***)\) ist die Differentialgleichung zur Beschreibung des gedämpften Federpendels.
5. Angeben der Anfangsbedingungen
Zum Zeitpunkt \(t = 0\) ist der Pendelkörper auf die Position \(x_0\) ausgelenkt und wird dort festgehalten (vgl. Animation). Die Anfangsbedingungen lauten demnach \(x(0)=x_0\) und \(\dot x(0) = v(0)= 0\).
6. Lösen der Bewegungsgleichung
Die Bewegungsgleichung ist gelöst, wenn man eine Funktion \(x(t)\) gefunden hat, die die Gleichung \((***)\) und die beiden Anfangsbedingungen \(x(0)=x_0\) und \(\dot x(0) = v(0)= 0\) erfüllt. Diese Funktion beschreibt dann die Bewegung des Federpendels vollständig.
Die Theorie der Differentialgleichungen besagt nun, dass es für verschiedene Werte der Parameter \(m\), \(D\) und \(k\) verschiedene Lösungsfunktionen gibt. Diesen Nachweis kannst du in der entsprechenden Erarbeitungsaufgabe nachvollziehen.