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Ausblick

Skater in der Halfpipe

Das Wichtigste auf einen Blick

Ein Skater in einer Halfpipe mit dem Radius \(r\) schwingt bei kleinen Auslenkungen harmonisch mit der Zeit-Ort-Funktion \(x(t) = {x_0} \cdot \cos \left( {\sqrt {\frac{{g}}{r}}  \cdot t} \right)\).

Die Schwingungsdauer \(T = 2\pi  \cdot \sqrt {\frac{r}{{g}}} \) ist insbesondere unabhängig von der Masse des Skaters.

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Abb. 1 Bewegung eines Skaters in einer Halfpipe und einige der zur Beschreibung wichtigen Größen

Eine Halfpipe (englisch für „Halbröhre“) ist eine aus z.B. Beton konstruierte Sportanlage in Form einer in der Längsachse halbierten Röhre. Wir wollen davon ausgehen, dass die Röhre die Form eines Zylinders mit dem Radius \(r\) hat, so dass sich ein Skater auf einer (Halb-)Kreisbahn bewegen kann. Auch wollen wir davon ausgehen, dass sich der Skater ungedämpft, d.h. ohne Reibungsverluste bewegen kann. Der Skater bewegt sich anfangs ein kleines Stück (vgl. hierzu auch den Hinweis am Ende des Artikels) aus der Gleichgewichtslage heraus und fahrt dann los. Die Animation in Abb. 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau, die Durchführung und die Beobachtung der Bewegung eines Skaters in einer Halfpipe.

Durch Wählen der Checkbox "Größen" kannst du dir in der Animation die wichtigsten Größen zur Beschreibung der Bewegung einblenden lassen, der Radius \(r\) der Halfpipe ist nicht eingezeichnet.

Im Folgenden werden wir die Bewegung des Skaters (genauer die Bewegung seines Schwerpunktes) in der Halfpipe mathematisch auf Basis des 2. Axioms von NEWTON (Aufstellen und dann Lösen der Gleichung \(F=m \cdot a \Leftrightarrow a = \frac{F}{m}\; (*)\)) beschreiben.

0. Einführung eines geeigneten Koordinatensystems

Wir wählen eine gebogenes Koordinatensystem (\(x\)-Achse), dessen Nullpunkt im Ruhepunkt des Skaters liegt und das nach rechts orientiert ist (vgl. Animation). Damit gilt \(a = \ddot x(t)\;(1)\).

1. Bestimmung der beschleunigten Masse \(m\)

Die beschleunigte Masse ist die Masse \(m\) des Skaters (vgl. Animation). Sie bleibt während der Schwingung konstant.

2. Bestimmung der beschleunigenden Kraft \(F\)

Auf den Skater wirken zwei Kräfte: Die Gewichtskraft \(\vec F_{\rm{G}}\) und die Kraft des Bodens. Der Boden kompensiert dabei die Komponente der Gewichtskraft, die orthogonal zur Bahn der Halfpipe steht. Die andere Komponente der Gewichtskraft, die tangential zur Bahn der Halfpipe steht, beschleunigt den Skater in Bahnrichtung; diese Komponente bezeichnen wir mit \(\vec F_{\rm{G,tan}}\) (vgl. hierzu auch den Hinweis am Ende des Artikels).

Wie in der Animation zu erkennen ist, ist die Tangentialkomponente \(\vec F_{\rm{G,tan}}\) entgegengesetzt gerichtet zur Auslenkung \(x\). Wir erhalten also \(F=-F_{\rm{G,tan}}\;(2)\).

3. Ausfüllen der Bewegungsgleichung

Somit ergibt sich aus Gleichung \((*)\) mit (\(1)\) und (\(2)\)\[\ddot x(t) = \frac{-F_{\rm{G,tan}}}{m}\quad (**)\]Nun analysieren wir schrittweise den Term auf der rechten Seite von Gleichung \((**)\).

Schritt 1

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Abb. 2 Detailskizze zur Bestimmung der Tangentialkomponente der Gewichtskraft

In der Detailskizze in Abb. 2 kann man folgendes erkennen:

Der Winkel mit der Weite \(\varphi\) zwischen der Senkrechten (gestrichelt) und dem gedachten Radius der Halfpipe findet sich in dem kleinen Dreieck, gebildet aus Gewichtskraft \(\vec F_{\rm{G}}\), Tangentialkomponente \(\vec F_{\rm{G,tan}}\) und gestrichelter Strecke wieder.

Dieses Dreieck ist rechtwinklig mit der Gewichtskraft \(\vec F_{\rm{G}}\) als Hypotenuse und der Tangentialkomponente \(\vec F_{\rm{G,tan}}\) als Gegenkathete des Winkels. Damit ergibt sich nach dem Sinussatz im rechtwinkligen Dreieck\[\sin \left( \varphi  \right) = \frac{{{F_{{\rm{G,tan}}}}}}{{{F_{\rm{G}}}}} \Leftrightarrow {F_{{\rm{G,tan}}}} = {F_{\rm{G}}} \cdot \sin \left( \varphi  \right)\]und mit \({F_{\rm{G}}}=m \cdot g\)\[ F_{\rm{G,tan}}= m \cdot g \cdot \sin \left( \varphi  \right) \quad (3)\]

Schritt 2

Für kleine Winkel ist die im Bogenmaß gemessene Winkelweite \(\varphi\) fast gleich mit dem Sinus \(\sin \left( \varphi  \right)\) des Winkels. Es gilt also\[\sin \left( \varphi  \right) \approx \varphi \quad (4)\]

Schritt 3

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Abb. 3 Detailskizze zur Umrechnung zwischen Winkelweite und Koordinate

Die Detailskizze in Abb. 3 zeigt den aus der Senkrechten (gestrichelt), dem Radius \(r\) und der \(x\)-Koordinate gebildeten Kreisausschnitt. Für diesen Kreisausschnitt gilt (im Bogenmaß) das Verhältnis\[\frac{{{\rm{Teilwinkel}}}}{{{\rm{Vollwinkel}}}}{\rm{ = }}\frac{{{\rm{Kreisbogen}}}}{{{\rm{Kreisumfang}}}} \Leftrightarrow \frac{\varphi }{{2 \cdot \pi }} = \frac{x}{{2 \cdot \pi \cdot r}} \Leftrightarrow \varphi = \frac{x}{r}\]Da diese Beziehung zu jedem Zeitpunkt \(t\) der Bewegung gilt, können wir statt \(x\) allgemeiner \(x(t)\) schreiben und erhalten\[\varphi = \frac{x(t)}{r} \quad(5)\]

 

Setzen wir \((3)\), \((4)\) und \((5)\) in \((**)\) ein, so erhalten wir\[\ddot x(t) = \frac{{ - {F_{{\rm{G}},{\rm{tan}}}}}}{m}\underbrace  = _{(3)}\frac{{ - m \cdot g \cdot \sin \left( \varphi  \right)}}{m}\underbrace  = _{(4)}\frac{{ - m \cdot g \cdot \varphi }}{m}\underbrace  = _{(5)}\frac{{ - m \cdot g \cdot \frac{{x(t)}}{r}}}{m} =  - \frac{g}{r} \cdot x(t)\]Bringen wir noch alle Terme auf die linke Seite der Gleichung, so erhalten wir\[\ddot x(t) + \frac{g}{r} \cdot x(t) = 0\quad (***)\]Diese Gleichung \((***)\) ist die Differentialgleichung zur Beschreibung des Fadenpendels mit den Anfangsbedingungen \(x(0) = {x_0}\) und \(v(0)=\dot x(0) = 0\).

4. Lösen der Bewegungsgleichung

Genau wie die Bewegungsgleichung eines Federpendels wird Gleichung \((***)\) allgemein durch eine Funktion der Form\[x(t) = \hat x \cdot \cos \left( {\omega  \cdot t} \right)\]gelöst. Bestimmen wir die 2. Ableitung \(\ddot x(t) =  - \hat x \cdot {\omega ^2} \cdot \cos \left( {\omega  \cdot t} \right)\) und setzen \(x(t)\) und \(\ddot x(t)\) in Gleichung \((***)\) ein, so erhalten wir\[\begin{eqnarray} - \hat x \cdot {\omega ^2} \cdot \cos \left( {\omega  \cdot t} \right) + \frac{{g}}{r} \cdot \hat x \cdot \cos \left( {\omega  \cdot t} \right) &=& 0\\ - \hat x \cdot \cos \left( {\omega  \cdot t} \right) \cdot \left[ {{\omega ^2} - \frac{{g}}{r}} \right] &=& 0\end{eqnarray}\]Die linke Seite dieser Gleichung ist nur dann immer \(0\), wenn\[{{\omega ^2} - \frac{{g}}{r} = 0 \Rightarrow \omega  = \sqrt {\frac{{g}}{r}} }\]Weiter ergibt sich\[x(0) = {x_0} \Rightarrow \hat x \cdot \underbrace {\cos \left( {\omega  \cdot 0} \right)}_{ = \;1} = {x_0} \Rightarrow \hat x = {x_0}\]und mit \(v(t)=\dot x(t) =  - \hat x \cdot \omega \cdot \sin \left( {\omega  \cdot t} \right)\)\[v(0)=\dot x(0) =  - \hat x \cdot \omega  \cdot \underbrace {\sin \left( {\omega  \cdot 0} \right)}_{ = \;0} = 0\]Damit wird die Bewegung des Skaters in der Halfpipe beschrieben durch die Zeit-Ort-Funktion\[x(t) = {x_0} \cdot \cos \left( {\sqrt {\frac{{g}}{r}}  \cdot t} \right)\]Für die Schwingungsdauer \(T\) ergibt sich dann wegen \(T=\frac{2 \cdot \pi}{\omega}\)\[T = \frac{{2 \cdot \pi }}{{\sqrt {\frac{{g}}{r}} }} = 2 \cdot \pi  \cdot \sqrt {\frac{r}{{g}}} \]

Bewegung des Skaters in der Halfpipe

Bei geeignet gewähltem Koordinatensystem (vgl. Animation in Abb. 1) und den Anfangsbedingungen \(x(0) = {x_0}\) und \(v(0)=\dot x(0) = 0\) wird die Bewegung eines Skaters in einer Halfpipe mit dem Radius \(r\) für kleine Auslenkungen beschrieben durch die Zeit-Ort-Funktion\[x(t) = {x_0} \cdot \cos \left( {\sqrt {\frac{{g}}{r}}  \cdot t} \right)\]Der Skater in der Halfpipe schwingt somit für kleine Auslenkungen harmonisch.

Die Schwingungsdauer ist insbesondere unabhängig von der Masse des Skaters und beträgt\[T = 2 \cdot \pi  \cdot \sqrt {\frac{r}{{g}}} \]

Hinweise

Häufig wird fälschlicherweise behauptet, dass die beschleunigende Kraft beim Skater in der Halfpipe die vektorielle Summe aus Gewichtskraft und Bodenkraft sei. Hierbei wird übersehen, dass der Boden nicht nur die Komponete der Gewichtskraft orthogonal zur Bahn aufbringen muss, sondern zusätzlich noch die Zentripetalkraft zum Erzwingen der Kreisbahn. Somit ist z.B. beim Durchgang durch die Ruhelage wegen der (dort maximal) aufzubringenden Zentripetalkraft der Betrag der Bodenkraft wesentlich größer als der Betrag der Gewichtskraft. Die vektorielle Summe aus Bodenkraft und Gewichtskraft würde nicht verschwinden, sondern nach oben zeigen. Dies lässt sich auch experimentell nachweisen.

Nur für kleine Winkel kann der Sinus des Winkels durch den Winkel im Bogenmaß ersetzt werden. Der Skater in der Halfpipe schwingt daher nur für kleine Auslenkwinkel harmonisch.

Eine rollende Kugel in einer halbkreisförmigen Schale schwingt auch für kleine Auslenkwinkel nicht harmonisch. Dies liegt daran, dass die Kugel durch das Rollen in eine Eigenrotation versetzt wird.