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Geschichte

GALILEIs Methode

Das Vorgehen Galileis

Galileo GALILEI (1564 - 1642)
von Justus Sustermans [Public domain], via Wikimedia Commons

"Bei der Untersuchung der natürlichen beschleunigten Bewegung ließen wir uns von den Gewohnheiten der Natur selbst leiten, die uns in all ihren verschiedenen Prozessen lehrt, nur die allgemeinsten, einfachsten und leichtesten Mittel anzuwenden."
Galilei führt dann noch spezieller aus, was er unter diesem Einfachheitsprinzip versteht:
Der einfachste Vorgang einer beschleunigten Bewegung ist der, bei dem die Geschwindigkeit in gleichen Zeitintervallen um gleiche Beträge zunimmt (also \( v \sim t \)). Ebenso einfach ist aber auch die Hypothese, dass die Geschwindigkeit der zurückgelegten Strecke proportional ist (also \( v \sim s\)). Diese beiden Möglichkeiten sind sicher einfacher als die folgenden Ansätze:

\[ v \sim \frac{1}{t} \; ; \qquad v \sim \frac{1}{t^2} \; ; \qquad v \sim t^2  \; ; \qquad v \sim t^2 \; ; \qquad v \sim \frac{1}{s^2} \; ; \qquad v \sim s^2 \]

Die Entscheidung über die beiden ersten Ansätze kann jedoch nicht mehr durch reines Nachdenken fallen, sondern muss dem "Gericht des Experimentes" unterbreitet werden.

Bei der schnell ablaufenden Fallbewegung kann man die Vermutung \( v \sim t \) nicht direkt überprüfen. Galilei folgert aus der Annahme \( v \sim t \) für den Weg \( s \sim t^2 \). Diese Hypothese verifiziert er nicht durch direkte Fallversuche, sondern bei dem "verlangsamten" Fallvorgang, der sich beim Rollen einer Kugel auf der schiefen Ebene abspielt. Lassen wir Galilei mit seinen eigenen Worten berichten:

"Wir verwendeten eine etwa 12 Ellen lange, eine halbe Elle breite und drei Finger breite dicke Planke oder Bohle. An ihrer Schmalseite wurde eine etwa einen Finger breite, vollkommen gerade Rinne eingeschnitten. Diese glätteten und polierten wir und kleideten sie mit möglichst glattem gut poliertem Pergament aus. In der Rinne ließen wir eine harte, glatte und vollkommen runde Bronzekugel rollen. Wir lagerten das eine Ende ein bis zwei Ellen höher als das andere und ließen, wie ich soeben sagte, entlang der jetzt schief liegenden Rinne die Kugel rollen. Die zum Abrollen benötigte Zeit stellten wir mit Hilfe einer noch zu schildernden Methode fest. Diesen Versuch wiederholten wir mehrere Male, um die Messgenauigkeit der Zeit soweit zu erhöhen, dass die Abweichungen zwischen je zwei Beobachtungen nie größer als ein Zehntel Pulsschlag waren. Als dieses vollbracht war und wir uns von der Zuverlässigkeit der Methode überzeugt hatten, ließen wir die Kugel nur den vierten Teil der Gesamtlänge der Rinne durchlaufen; als wir die hierfür nötige Zeitspanne maßen, stellten wir fest, dass sie genau die Hälfte von der im ersten Versuch gemessenen betrug. Dann untersuchten wird andere Entfernungen und verglichen die zum Durchlaufen der gesamten Länge der Rinne benötigte Zeit mit der für die Hälfte, zwei Drittel, drei Viertel oder einen beliebigen Bruchteil benötigten. Bei diesen Versuchen, die wir alle hundertmal wiederholten, erhielten wir stets das Ergebnis, dass sich die zurückgelegten Strecken wie die Quadrate der Zeiten verhielten. Das traf für alle Neigungen der Ebene, d.h. der Rinne zu, über die wir die Kugel rollen ließen. Auch beobachteten wir, dass die Laufzeiten für verschiedene Neigungen der Ebene genau in dem Verhältnis zueinander standen, das der Autor dafür abgeleitet und vorhergesagt hatte . . . .

Zur Messung der Zeit verwendeten wir ein großes, mit Wasser gefülltes, in erhöhter Lage aufgestelltes Gefäß: auf seinem Boden war ein Röhrchen mit kleinem Durchmesser angelötet, durch das ein dünner Wasserstrahl herausspritzte. Während der Laufzeit der Kugel über die ganze Länge der Rinne oder über einen Bruchteil ihrer Länge wurde das ausgelaufene Wasser in einem kleinen Glas gesammelt und anschließend auf einer sehr genauen Waage ausgewogen; die Differenzen und Verhältnisse der Gewichte gaben uns die Differenzen und Verhältnisse der Zeiten, und zwar mit solcher Genauigkeit, dass trotz vieler, vieler Wiederholungen keine nennenswerten Schwankungen der Messwerte auftraten.

Hinweis:
Im Deutschen Museum in München können Sie in der Physikabteilung die Nachbildung des Labors von Galilei besichtigen.

Die Experimente an der schiefen Ebene hatten nicht den Sinn, neue Erscheinungen zu entdecken, sondern eine Entscheidung über verschiedene mögliche Hypothesen für die Abhängigkeit der Fallgeschwindigkeit vom Fallweg oder von der Fallzeit herbeizuführen.

 

 

Zusammenfassung:
Galilei stellt zunächst zwei sehr einfache Hypothesen zum freien Fall auf (kompliziertere scheiden wegen seines Einfachheitsprinzips aus):

1. Möglichkeit: \( v \sim s \)

2. Möglichkeit: \( v \sim t\)

In Galileis Worten lautet dies: "Wenn wir genau aufmerken, werden wir keinen Zuwachs einfacher finden als denjenigen, der in immer gleicher Weise hinzutritt . . . und so werden wir nicht fehlgehen, wenn wir die Vermehrung der Geschwindigkeit der Zeit entsprechen lassen

Aus \( v \sim t \) folgert er \( s \sim t^2 \) wie im Folgenden in unserer heutigen Schreibweise dargestellt wird:

Startet der Körper mit der Geschwindigkeit Null, dann ist die mittlere Geschwindigkeit:

\[ \overline{v} = a \cdot \frac{t}{2} \]

Daraus folgt für den zurückgelegten Weg:

\[ s = \overline{v} \cdot t \quad \Rightarrow \quad s = a \cdot \frac{t}{2} \cdot t \quad \Rightarrow \quad s = a \cdot \frac{t^2}{2} \quad \Rightarrow \quad s \sim t^2 \]

Die zuletzt dargestellte Beziehung kann er experimentell überprüfen (allerdings nur beim verlangsamten "Fall" an der schiefen Ebene. Das Ergebnis des Versuches, nämlich \( \frac{s_1}{t_1^2} = \frac{s_2}{t_2^2} \), bestätigt die eine seiner zwei gemachten Hypothesen.