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Geschichte

GALILEIs Dialog zum Trägheitssatz

Justus Sustermans [Public domain], via Wikimedia Commons Justus Sustermans
Abb. 1 Galileo GALILEI (1564 - 1642)

Die Theorien des ARISTOTELES beherrschten fast 2000 Jahre nahezu unverändert das naturwissenschaftliche Denken. Nur wenige wagten es, seine Ausführungen in Zweifel zu ziehen, und diese wenigen konnten sich nicht gegen die Autorität des ARISTOTELES durchsetzen.

Es war der in Pisa geborene Galileo GALILEI (1564-1642), der seine Argumentationen mit soviel Überzeugungskraft darstellen konnte, dass sie schließlich doch den Sturz des Weltbildes von ARISTOTELES einleiteten.

Aber auch GALILEI musste vorsichtig ans Werk gehen, denn das aristoteleische Weltbild entsprach der kirchlichen Lehre. Seine Veröffentlichungen waren daher überwiegend in Diskussionsform gehalten. Seine eigene Meinung lässt GALILEI von einem Mann namens SALVATI aussprechen. Der Anhänger und Verfechter der aristotelischen Lehre wird SIMPLICIO genannt. Im folgenden Dialog stellt GALILEI den zentralen Gesichtspunkt seiner Bewegungslehre dar.

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Abb. 2 Beschleunigte Bewegung einer Kugel auf einer abfallenden Unterlage.

SALVATI: Sagt mir also: Wenn Ihr eine ebene, völlig glatte, spiegelähnliche Fläche habt von stahlhartem Stoffe, die nicht horizontal, sondern etwas geneigt ist, und Ihr legt einen vollkommen kugelförmigen Ball darauf aus schwerem, sehr hartem Stoffe, etwa aus Bronze, was würde er, sich selbst überlassen, Eurer Ansicht nach tun? Meint Ihr nicht auch wie ich, er würde ruhig liegen bleiben?

SIMPLICIO: Und die Fläche soll geneigt sein?

SALVATI: Freilich, diese Voraussetzung habe ich ja gemacht.

SIMPLICIO: Keineswegs glaube ich, dass er liegen bleibt, im Gegenteil, ich bin völlig gewiss, dass er sich von selbst nach der geneigten Seite bewegen würde. (...)

SALVATI: So ist's. Wie lange und mit welcher Geschwindigkeit würde nun die Kugel fortfahren sich zu bewegen? Beachtet, dass ich von einer rollenden Kugel und einer ausgezeichnet glatten Ebene gesprochen habe, um damit alle äußeren und zufälligen Hindernisse auszuschließen. Ebenso möchte ich denn auch, dass Ihr von der Luft abseht, welche insofern ein Hindernis bildet, als sie dem Durchschneiden einen Widerstand entgegensetzt, desgleichen von allen anderen zufälligen Hemmnissen, wenn etwa solche vorhanden sein sollten.

SIMPLICIO: Ich habe das alles ganz gut verstanden. Eure Frage anlangend antworte ich: Sie würde ins Unendliche fortfahren sich zu bewegen, wenn die Neigung der Ebene so lange vorhielte, und zwar in stetig beschleunigter Bewegung.

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Abb. 3 Verzögerte Bewegung einer Kugel auf einer ansteigenden Unterlage

SALVATI: Wenn man also wollte, dass die Kugel auf der nämlichen Ebene sich nach oben bewegte, würde sie das Eurer Meinung nach tun?

SIMPLICIO: Freilich nicht, wohl aber, wenn man sie gewaltsam hinaufschiebt oder stößt.

SALVATI: Und wenn sie vermöge eines gewaltsam ihr mitgeteilten Anstoßes hinaufgetrieben würde, wie beschaffen und von wie langer Dauer würde ihre Bewegung dann sein?

SIMPLICIO: Die Bewegung würde immer mehr ermatten und sich verzögern, weil sie naturwidrig ist; sie würde ferner länger oder kürzer andauern, je nach der Stärke des Anstoßes und nach dem Grade der Steilheit.

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Abb. 4 Gleichförmige Bewegung einer Kugel auf einer waagerechten Unterlage

SALVATI: Nun sagt mir, was mit dem nämlichen Körper (der also durch einen Stoß in Bewegung gesetzt wurde) auf einer Fläche geschähe, die weder abschüssig ist noch ansteigt.(...)

SIMPLICIO: Ich kann weder einen Grund für eine Beschleunigung noch für eine Verzögerung finden, da weder ein Ab- noch ein Ansteigen stattfindet.

SALVATI: Gut, wenn aber kein Grund für eine Verzögerung vorliegt, so kann umso weniger ein solcher für ein völliges Stillstehen vorliegen. Wie lange muss demnach der Körper fortfahren sich zu bewegen?

SIMPLICIO: So lange als die Ausdehnung dieser weder steilen noch geneigten Fläche vorhält.

Aus: GALILEI, Galileo: Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische. 1632.