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Grundwissen

Schwache Wechselwirkung

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Nur Teilchen mit einer von Null verschiedenen schwachen Ladung unterliegen der schwachen Wechselwirkung.
  • Die schwache Wechselwirkung wird durch Absorption und Emission von \(W^+\)-, \(W^-\), und \(Z\)-Bosonen vermittelt.
  • Alle Materieteilchen besitzen eine schwache Ladung von \(I=+\frac{1}{2}\) oder \(I=-\frac{1}{2}\). In ihrer Darstellung ist das Vorzeichen oft über die Ausrichtung der Spitze bzw. Rundung codiert.
  • Von den Botenteilchen haben nur die \(W\)-Bosonen eine schwache Ladung von \(I=\pm 1\).
Aufgaben Aufgaben
Schwache Wechselwirkung

 

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Abb. 1 Konzept der schwachen Wechselwirkung

Die schwache Wechselwirkung ist u.a. für die radioaktive β-Umwandlung ("β-Zerfall"), die Umwandlung von Protonen in Neutronen bei der Kernfusion und die Instabilität von Neutronen und Myonen verantwortlich.

Der schwachen Wechselwirkung unterliegen nur Teilchen, die eine schwache Ladung (genauer: eine von \(0\) verschiedene schwache Ladung, vgl. unten) besitzen.

Die Vermittlung der schwachen Wechselwirkung zwischen Teilchen mit einer schwachen Ladung geschieht durch Emission und Absorption von \({{\rm{W}}^ + }\), \({{\rm{W}}^ - }\) oder \({{\rm{Z}}}\)-Teilchen (oft auch Bosonen genannt), den Botenteilchen der schwachen Wechselwirkung. Dabei ändern sich im allgemeinen die beteiligten einzelnen Teilchen.

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Abb. 2 Beispiel für die Vermittlung der schwachen Wechselwirkung: ein (blaues) Down-Quark wandelt sich unter Emission eines \(\rm{W^-}\) in ein (blaues) Up-Quark um, das \(\rm{W^-}\) zerfällt danach in ein Elektron und ein Anti-Elektron-Neutrino

Die Vermittlung der schwachen Wechselwirkung zwischen Teilchen mit schwacher Ladung durch Emission und Absorption von \({{\rm{W^ + }}}\), \({{\rm{W^ - }}}\) und \(\rm{Z}\)-Teilchen ist in der Animation in Abb. 2 am Beispiel der Umwandlung eines Down-Quarks in ein Up-Quark dargestellt:

Das (blaue, die Farbe spielt hier aber keine Rolle) Down-Quark emittiert ein \({{\rm{W^ - }}}\) und wird zum (blauen) Up-Quark das \({{\rm{W^ - }}}\) zerfällt danach in ein Elektron und ein Anti-Elektron-Neutrino.

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Abb. 3 \(\beta^-\)-Umwandlung ("\(\beta^-\)-Zerfall") aus Sicht der Teilchenphysik: Ein Down-Quark wandelt sich unter Aussendung eines \(\rm{W^-}\) in ein Up-Quark um, das \(\rm{W^-}\) zerfällt in ein Elektron und ein Anti-Elektron-Neutrino

\(\beta^-\)-Umwandlung ("\(\beta^-\)-Zerfall")

Die Animation in Abb. 3 zeigt die \(\beta^-\)-Umwandlung ("\(\beta^-\)-Zerfall") aus Sicht der Teilchenphysik: Ein Down-Quark wandelt sich unter Aussendung eines \(\rm{W^-}\) in ein Up-Quark um, das \(\rm{W^-}\) zerfällt in ein Elektron und ein Anti-Elektron-Neutrino.

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Abb. 4 \(\beta^+\)-Umwandlung ("\(\beta^+\)-Zerfall") aus Sicht der Teilchenphysik: Ein Up-Quark wandelt sich unter Aussendung eines \(\rm{W^+}\) in ein Down-Quark um, das \(\rm{W^+}\) zerfällt in ein Positron und ein Elektron-Neutrino

\(\beta^+\)-Umwandlung ("\(\beta^+\)-Zerfall")

Die Animation in Abb. 4 zeigt die \(\beta^+\)-Umwandlung ("\(\beta^+\)-Zerfall") aus Sicht der Teilchenphysik: Ein Up-Quark wandelt sich unter Aussendung eines \(\rm{W^+}\) in ein Down-Quark um, das \(\rm{W^+}\) zerfällt in ein Positron und ein Elektron-Neutrino.

Schwache Ladung

Die schwache Ladung (Formelzeichen: \(I\)) eines Elementarteilchens bzw. eines Teilchensystems bestimmt, ob es der schwa­chen Wechselwirkung unterliegt.

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Abb. 3 Zahlenachse zur Darstellung der schwachen Ladung von Elementarteilchen oder Teilchensystemen

Die Beschreibung der physikalischen Größe "schwache Ladung" geschieht durch Zahlen, die ganzzahlige Vielfache von \(\frac{1}{2}\) sind.

Jedes Elementarteilchen oder Teilchensystem kann auf der Achse für die schwache Ladung platziert werden. Elementarteilchen oder Teilchensysteme ohne schwache Ladung platzieren wir auf dem Nullpunkt der Achse.

Die schwache Ladung eines Teilchensystems ergibt sich durch zahlenmäßige Addition der schwachen Ladungen der Elementarteilchen, aus denen das Teilchensystem besteht.

Bei allen Prozessen, die in der Natur ablaufen, ist die Summe der schwachen Ladungen aller Teilchen vor dem Prozess gleich der Summe der schwachen Ladungen aller Teilchen nach dem Prozess - schwache Ladungen bleiben erhalten.

Die folgende Abbildung zeigt die schwachen Ladungen aller Elementarteilchen.

 

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Abb. 5 Anordnung aller Elementarteilchen auf der Achse der schwachen Ladung

Alle Materieteilchen besitzen eine schwache Ladungszahl von \(I = + \frac{1}{2}\) oder \(I = - \frac{1}{2}\) und können daher schwach wechselwirken. Unter den Botenteilchen besitzen ausschließlich das \({{\rm{W}}^{\rm{ - }}}\) und das \({{\rm{W}}^{\rm{ + }}}\)-Teilchen eine von Null verschiedene schwache Ladungszahl. Das \(\rm{Z}\)-Teilchen sowie das Photon und die acht Gluonen besitzen die schwache Ladungszahl Null und unterliegen damit nur begrenzt der schwachen Wechselwirkung. Das HIGGS -Teilchen besitzt die schwache Ladungszahl \({I_{\rm{H}}} = - \frac{1}{2}\).

Codierung der schwachen Ladung durch Ausrichtung der Spitze oder Rundung

In den hier verwendeten Abbildungen und Darstellungen werden Materieteilchen, die eine positive schwache Ladungszahl besitzen, mit der Spitze bzw. Rundung nach oben dargestellt. Deutet hingegen die Spitze oder Rundung nach unten, besitzt das jeweilige Materieteilchen eine negative schwache Ladungszahl.

Aufgabe
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Abb. 6 Aufbau des Protons aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark

Bestimme mit Hilfe von Abb. 5 und Abb. 6 die schwache Ladung des Protons.

Lösung

Das Proton besteht aus zwei Up-Quarks und einem Down-Quark. Seine schwache Ladung beträgt somit\[I_{\rm{p}}=2 \cdot I_{\rm{u}}+1 \cdot I_{\rm{d}}= 2 \cdot \left( { + \frac{1}{2}} \right) + 1 \cdot \left( { - \frac{1}{2}} \right) = + \frac{1}{2}\]

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Abb. 7 Aufbau des \({\pi ^ - }\)-Mesons aus einem Anti-Up-Quark und einem Down-Quark

Bestimme mit Hilfe von Abb. 5 und Abb. 7 die schwache Ladung des \({\pi ^ - }\)-Mesons.

Lösung

Das \({\pi ^ - }\)-Meson besteht aus einem Anti-Up-Quark und einem Down-Quark. Seine schwache Ladung beträgt somit\[{I_{{\pi ^ - }}} = 1 \cdot {I_{{\rm{\bar u}}}} + 1 \cdot {I_{\rm{d}}} = 1 \cdot \left( { - \frac{1}{2}} \right) + 1 \cdot \left( { - \frac{1}{2}} \right) = - 1\]

\(\rm{W^+}\), \(\rm{W^-}\) und \(\rm{Z}\) - die Botenteilchen der schwachen Wechselwirkung

Das \({{\rm{W}}^ + }\), das \({{\rm{W}}^ - }\) und das \({{\rm{Z}}}\) (manchmal auch \({{\rm{Z^o}}}\))-Teilchen sind die Botenteilchen der schwachen Wechselwirkung.

Im Jahr 1983 gelang es zwei verschiedenen Experimenten am CERN erstmals, diese drei Botenteilchen nachzuweisen und ihre Massen genau zu bestimmen. Carlo RUBBIA und Simon VAN DER MEER erhielten für diesen Nachweis 1984 den Nobelpreis für Physik.

Die drei Teilchen besitzen die Massen \({m_{{{\rm{W}}^ + }}} = 80{,}4\,\frac{{{\rm{GeV}}}}{{{{\rm{c}}^{\rm{2}}}}}\), \({m_{{{\rm{W}}^ - }}} = 80{,}4\,\frac{{{\rm{GeV}}}}{{{{\rm{c}}^{\rm{2}}}}}\) und \(m_{\rm{Z}} = 91{,}2\,\frac{{{\rm{GeV}}}}{{{{\rm{c}}^{\rm{2}}}}}\).

Ihre elektrischen Ladungen betragen \(Z_{{\rm{W^ +}} } = + 1\), \(Z_{{\rm{W^ - }}} = - 1\) und \(Z_{{\rm{Z}}} = 0\).

Ihre schwachen Ladungen betragen \({I_{{{\rm{W^+}}}}} = + 1\), \({I_{{{\rm{W^-}}}}} = - 1\) und \({I_{{{\rm{Z}}}}} = 0\).

Das \({{\rm{W}}^ + }\), das \({{\rm{W}}^ - }\) und das \({{\rm{Z}}}\) tragen keine starke Ladung, d.h. \({\vec C_{{{\rm{W}}^{\rm{ + }}}}} = {\vec C_{{{\rm{W}}^{\rm{ - }}}}} = {\vec C_{\rm{Z}}} = \vec 0\).

 

Ein besonderes Merkmal der schwachen Wechselwirkung ist offenbar, dass es drei verschiedene Botenteilchen gibt. Im Gegensatz dazu existiert zur elektromagnetischen Wechselwirkung nur ein einziges Botenteilchen, das Photon.

Ein weiteres Charakteristikum der schwachen Wechselwirkung ist, dass das \({{\rm{W^ + }}}\) und \({{\rm{W^ - }}}\)-Botenteilchen, im Gegensatz zum Photon, sowohl elektrisch als auch schwach geladen sind: Das \({{\rm{W^ + }}}\) ist einfach elektrisch positiv geladen (\(Z_{{\rm{W^ + }}} = + 1\)), das \({{\rm{W^ - }}}\) ist einfach elektrisch negativ geladen (\(Z_{{\rm{W^ -}} } = - 1\)). Das \(\rm{Z}\) ist elektrisch neutral.

Darüber hinaus besitzen das \({{\rm{W^ + }}}\), \(\rm{Z}\) und \({{\rm{W^ - }}}\)-Teilchen die schwachen Ladungszahlen von \({I_{{{\rm{W^ + }}}}} = + 1\),\({I_{{{\rm{Z}}}}} = 0\) und \({I_{{{\rm{W^ - }}}}} = - 1\).

Da das \({{\rm{W^ + }}}\) und \({{\rm{W^ -}} }\) entgegengesetzte elektrische und schwache Ladungszahlen sowie eine identische Masse besitzen, ist das \({{\rm{W^ -}} }\) das Anti-Teilchen des \({{\rm{W^ + }}}\) und umgekehrt.

Kopplungsparameter der schwachen Wechselwirkung

Berechnungen zeigen, dass sich die potenzielle Energie \({E_{{\rm{pot,W}}}}\) der schwachen Wechselwirkung in Abhängigkeit vom Abstand \(r\) wie folgt verändert:\[{E_{{\rm{pot}},{\rm{W}}}}\left( r \right) = \hbar  \cdot c \cdot {\alpha _{\rm{W}}} \cdot \frac{{{I_1} \cdot {I_2}}}{r} \cdot {e^{ - \frac{r}{{{\lambda _{\rm{W}}}}}}}\]Dabei stehen \(I_1\) und  \(I_2\) für die schwachen Ladungen der beteilgten Teilchen1. Mit \({\lambda _{\rm{W}}} = 0,002{\rm{fm}}\) tritt neben \({\alpha _{\rm{W}}}\) ein zweiter charakteristischer Parameter für die schwache Wechselwirkung auf. Aufgrund des exponentiell mit \(r\) abfallenden zweiten Faktors strebt die potenzielle Energie für sich vergrößernde Abstände sehr schnell gegen Null.

Bei sehr kleinen Äbständen dagegen hat der zweite Faktor wegen \(\mathop {\lim }\limits_{r \to 0} \left( {{e^{ - \frac{r}{{{\lambda _{\rm{W}}}}}}}} \right) = 1\) fast den Wert \(1\), so dass man näherungsweise erhält\[{E_{{\rm{pot,W}}}}\left( r \right) = \hbar  \cdot c \cdot {\alpha _{\rm{W}}} \cdot \frac{{{I_1} \cdot {I_2}}}{r} \]

Für den Kopplungsparameter erhält man den teilchenunabhängigen Wert \({\alpha _{\rm{W}}} \approx \frac{1}{{30}}\).

1 Die schwache Ladung (auch: schwache Isospinladung) besitzt wie die Farbladung ebenfalls einen Vektorcharakter. Dabei hat die schwache Ladung eine ähnliche Struktur wie der Spin: Von ihren drei Komponenten \(\left( {{I^{(1)}},{I^{(2)}},{I^{(3)}}} \right)\) ist quantenmechanisch nur eine festgelegt. Hierfür wird üblicherweise die Komponente \({{I^{(3)}}}\) gewählt, die wir als schwache Ladungszahl \(I\) bezeichnen. Für das Produkt zweier schwacher Ladungen schreiben wir auch nur kurz \({{I_1} \cdot {I_2}}\), obwohl dieses Produkt eigentlich quantenmechanisch als Skalarprodukt \({{\vec I}_1} \cdot {{\vec I}_2}\) ausgewertet werden muss.

Reichweite der schwachen Wechselwirkung

Die Reichweite der \(\rm{W}\)-Teilchen mit einer Masse von \(80{,}4\,\frac{{{\rm{GeV}}}}{{{{\rm{c}}^{\rm{2}}}}}\) beträgt demnach\[{\lambda _{\rm{W}}} = \frac{{\hbar \cdot c}}{{{m_{\rm{W}}} \cdot {{\rm{c}}^{\rm{2}}}}} = \frac{{0{,}197\,{\rm{GeV}} \cdot {\rm{fm}}}}{{80{,}4\,{\rm{GeV}}}} \approx 0{,}002\,{\rm{fm}}\]also ca. \(\frac{1}{{400}}\) des Protonradius, der ca. \(0{,}8\,\rm{fm}\) beträgt. Die \(\rm{Z}\)-Teilchen mit einer Masse von \(91{,}2\,\frac{{{\rm{GeV}}}}{{{{\rm{c}}^{\rm{2}}}}}\) besitzen mit\[{\lambda _{\rm{Z}}} = \frac{{\hbar \cdot c}}{{{m_{\rm{W}}} \cdot {{\rm{c}}^{\rm{2}}}}} = \frac{{0{,}197\,{\rm{GeV}} \cdot {\rm{fm}}}}{{91{,}2\,{\rm{GeV}}}} \approx 0{,}002\,{\rm{fm}}\]annähernd die gleiche Reichweite.