Nicht jedes Elementarteilchen wird von allen vier Wechselwirkungen beeinflusst. Es gibt bestimmte Eigenschaften der Elementarteilchen, die festlegen, welche Wechselwirkungen für genau dieses Teilchen bedeutsam sind.
Bezieht man sich auf die Animation von Kwork-Quark, dann brauchen die Trickfiguren die "Eigenschaft" Hände, um sich einen Bumerang oder Briefe zuzuwerfen. Ohne Hände würden die Figuren nicht unter dem Einfluss der zugehörigen Wechselwirkung stehen. Analog brauchen die Figuren die "Eigenschaft" Kopf, damit sie sich Mützen zuwerfen zu können und damit von der Wechselwirkung beeinflusst werden können, die zur Wesensveränderung bzw. Umwandlung von Teilchen führt. Derartige "Eigenschaften" von Teilchen bezeichnet man im Standardmodell der Teilchenphysik als Ladungen.
Basiskonzept Ladungen
Das grundlegende Basiskonzept des Standardmodells ist das Konzept der Ladung. Die Ladungen des Standardmodells besitzen u.a. die folgenden vier Merkmale:
- Ladungen sind fundamentale und unveränderliche Eigenschaften eines Teilchens, die es zusammen mit seiner Masse eindeutig charakterisieren und die angeben, welchen Wechselwirkungen das Teilchen unterliegt.
- Ladungen können nur bestimmte Werte annehmen, die in gleichmäßigen Abständen zueinander liegen - man sagt, Ladungen sind "gequantelt".
- Die Ladung eines Systems, das aus mehreren Teilchen besteht (z.B. ein Atom), ergibt sich aus der Summe der Ladungen der einzelnen Teilchen.
- Bei allen Prozessen, die in der Natur ablaufen, ist die Summe der Ladungen aller Teilchen vor dem Prozess gleich der Summe der Ladungen aller Teilchen nach dem Prozess - man sagt, Ladungen bleiben "erhalten".
Das Standardmodell der Teilchenphysik benötigt zur Beschreibung der Natur drei verschiedene Arten von Ladungen: die starke Ladung (starke Wechselwirkung), die schwache Ladung (schwache Wechselwirkung) und die elektrische Ladung (elektromagnetische Wechselwirkung). Zur gravitativen Wechselwirkung kennen wir keine zugehörige Ladung, auch wenn auf den ersten Blick die Masse als eine solche Ladung erscheint. Dies hat u.a. zwei wesentliche Gründe:
- Die Masse ist keine Erhaltungsgröße; eine Ladung im Sinne des Standardmodells müsste aber eine Erhaltungsgröße sein.
- Es gibt keine negativen Massen; eine Ladung im Sinne des Standardmodells müsste aber beim Wechsel von Teilchen und Anti-Teilchen ihr Vorzeichen wechseln.
Im Folgenden werden wir die drei Ladungen des Standardmodells vorstellen.
Starke Ladung (Farbladung)
- Die starke Ladung ("Farbladung") (Formelzeichen \(\vec C\)) eines Elementarteilchens bzw. eines Teilchensystems bestimmt, ob es der starken Wechselwirkung unterliegt.
- Die Beschreibung der physikalischen Größe "Farbladung" geschieht durch Vektoren. Es gibt sechs verschiedene Farbladungen: rot, grün, blau, anti-rot, anti-grün und anti-blau (siehe Abb. 1).
- Die Einordnung der Elementarteilchen geschieht in einem zweidimensionalen Farbgitter. Dieses Farbgitter besitzt drei Achsen, die jeweils einen Winkel der Weite \(120^\circ \) miteinander bilden (siehe Abb. 2). Die drei Farben "rot", "grün" und "blau" werden in die Pfeilrichtungen, die Anti-Farben "anti-rot", "anti-grün" und "anti-blau" entgegen der Pfeilrichtungen abgetragen.
- Jedes Elementarteilchen oder Teilchensystem, das eine oder mehrere Farbladungen besitzt, kann auf einem der Gitterpunkte des Farbgitters platziert werden. Befindet sich ein Elementarteilchen oder ein Teilchensystem aufgrund einer bestimmten Kombination von Farbladungen auf dem Schnittpunkt der drei Farbachsen (Farbladungsvektor \(\vec 0\)), so bezeichnen wir seine Farbladung salopp als "weiß".
- Die Farbladung eines Teilchensystems erhält man aus der vektoriellen Addition der Farbladungsvektoren der Elementarteilchen, aus denen das Teilchensystem zusammengesetzt ist. Allerdings kommen in der Natur Teilchensysteme nur dann vor, wenn sie farbneutrale („weiße“, Farbladungsvektor \(\vec 0\)) Kombinationen aus Elementarteilchen sind.
- Bei allen Prozessen, die in der Natur ablaufen, ist die Summe der Farbladungen aller Teilchen vor dem Prozess gleich der Summe der Farbladungen aller Teilchen nach dem Prozess - Farbladungen bleiben erhalten.
Elementarteilchen mit Farbladung
Die nebenstehende Abbildung zeigt die Farbladungen aller Elementarteilchen mit Farbladung. Die Quarks, die Anti-Quarks und die Gluonen sind die einzigen bekannten Elementarteilchen, die eine Farbladung d.h. Farbladungsvektoren besitzen.
Jedes der Quarks kommt jeweils mit einem der drei verschiedenen Farbladungsvektoren vor. Entsprechend kommt jedes Anti-Quark jeweils mit einem der drei verschiedenen Anti-Farbladungsvektoren vor.
Die acht Gluonen besitzen jeweils eine Kombination aus Farbladungsvektoren. Sechs der acht Gluonen besitzen einen Farbladungsvektor, der sich aus einer Farbe und einer Anti-Farbe zusammensetzt. Bei den beiden verbleibenden Gluonen addieren sich Farben und Anti-Farben jeweils auf komplizierte Art und Weise zum Nullvektor, sie besitzen also keine resultierende Farbladung, ihre Farbladung ist "weiß".
Aufgabe
Bestimme mit Hilfe von Abb. 3 und Abb. 4 die Farbladung des Protons.
Bestimme mit Hilfe von Abb. 3 und Abb. 6 die Farbladung des \({\pi ^ - }\)-Mesons.
Schwache Ladung
•Die schwache Ladung (Formelzeichen: \(I\)) eines Elementarteilchens bzw. eines Teilchensystems bestimmt, ob es der schwachen Wechselwirkung unterliegt.
•Die Beschreibung der physikalischen Größe "schwache Ladung" geschieht durch Zahlen, die ganzzahlige Vielfache von \(\frac{1}{2}\) sind.
Jedes Elementarteilchen oder Teilchensystem kann auf der Achse für die schwache Ladung platziert werden. Elementarteilchen oder Teilchensysteme ohne schwache Ladung platzieren wir auf dem Nullpunkt der Achse.
•Die schwache Ladung eines Teilchensystems ergibt sich durch zahlenmäßige Addition der schwachen Ladungen der Elementarteilchen, aus denen das Teilchensystem besteht.
•Bei allen Prozessen, die in der Natur ablaufen, ist die Summe der schwachen Ladungen aller Teilchen vor dem Prozess gleich der Summe der schwachen Ladungen aller Teilchen nach dem Prozess - schwache Ladungen bleiben erhalten.
Die folgende Abbildung zeigt die schwachen Ladungen aller Elementarteilchen.
Alle Materieteilchen besitzen eine schwache Ladungszahl von \(I = + \frac{1}{2}\) oder \(I = - \frac{1}{2}\) und können daher schwach wechselwirken. Unter den Botenteilchen besitzen ausschließlich das \({{\rm{W}}^{\rm{ - }}}\) und das \({{\rm{W}}^{\rm{ + }}}\)-Teilchen eine von Null verschiedene schwache Ladungszahl. Das \(\rm{Z}\)-Teilchen sowie das Photon und die acht Gluonen besitzen die schwache Ladungszahl Null und unterliegen damit nicht der schwachen Wechselwirkung. Das HIGGS -Teilchen besitzt die schwache Ladungszahl \({I_{\rm{H}}} = - \frac{1}{2}\).
In den hier verwendeten Abbildungen und Darstellungen werden Materieteilchen, die eine positive schwache Ladungszahl besitzen, mit der Spitze bzw. Rundung nach oben dargestellt. Deutet hingegen die Spitze oder Rundung nach unten, besitzt das jeweilige Materieteilchen eine negative schwache Ladungszahl.
Aufgabe
Bestimme mit Hilfe von Abb. 9 und Abb. 10 die schwache Ladung des Protons.
Bestimme mit Hilfe von Abb. 9 und Abb. 11 die schwache Ladung des \({\pi ^ - }\)-Mesons.
Elektrische Ladung
•Die elektrische Ladung (Formelzeichen: \(Z\)) eines Elementarteilchens bzw. eines Teilchensystems bestimmt, ob es der elektromagnetischen Wechselwirkung unterliegt.
•Die Beschreibung der physikalischen Größe "elektrische Ladung" geschieht durch Zahlen, die ganzzahlige Vielfache von \(\frac{1}{3}\) sind.
Jedes Elementarteilchen oder Teilchensystem kann auf der Achse für die elektrische Ladung platziert werden. Elementarteilchen oder Teilchensysteme ohne elektrische Ladung platzieren wir auf dem Nullpunkt der Achse.
•Die elektrische Ladung eines Teilchensystems ergibt sich durch zahlenmäßige Addition der elektrischen Ladungen der Elementarteilchen, aus denen das Teilchensystem besteht.
•Bei allen Prozessen, die in der Natur ablaufen, ist die Summe der elektrischen Ladungen aller Teilchen vor dem Prozess gleich der Summe der elektrischen Ladungen aller Teilchen nach dem Prozess - elektrische Ladungen bleiben erhalten.
Die folgende Abbildung zeigt die elektrischen Ladungen aller Elementarteilchen.
Alle Elementarteilchen, die eine elektrische Ladung ungleich Null besitzen, nehmen an der elektromagnetische Wechselwirkung teil. Die elektrisch neutralen Elementarteilchen (die drei Neutrinos, die drei Antineutrinos, das \(\rm{Z}\)-Teilchen, das Photon, das HIGGS-Teilchen und die acht Gluonen) wechselwirken hingegen nicht elektromagnetisch.
Aufgabe
Bestimme mit Hilfe von Abb. 13 und Abb. 14 die elektrische Ladung des Protons.
Bestimme mit Hilfe von Abb. 13 und Abb. 15 die elektrische Ladung des \({\pi ^ - }\)-Mesons.