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Ausblick

MÖSSBAUER-Effekt

Abb. 1 Anregung eines Atomkerns durch die Absorption eines Gammaquents

Wenn es im Kern - ähnlich wie in der Atomhülle - diskrete Energieniveaus gibt, so sollten auch Übergänge zwischen diesen diskreten Niveaus möglich sein. Je nachdem ob es zu einer Anhebung oder Absenkung der Energie im Kern kommt, wird dabei elektromagnetische Strahlung absorbiert oder emittiert.

 

Abb. 2 Energieabgabe eines Atomkerns durch die Emission eines Gammaquants

Im Unterschied zur Atomhülle ist der Abstand der Niveaus im Kern aber deutlich größer (\(\rm{MeV}\)-Bereich). Bei der Emission kommt es dabei in der Regel zur Ausstrahlung von \({\rm{\gamma }}\)-Quanten.

 

Aufgabe

Beispiel: \({\rm{L}}{{\rm{u}}^{\rm{*}}} \to {\rm{Lu}} + {\rm{\gamma }}\)

Beim β--Zerfall von Ytterbium (Yb) entsteht der angeregte Kern Lutetium (Lu*), der unter \({\rm{\gamma }}\)-Emission in den Grundzustand übergeht. Dabei werden folgende Energien für die \({\rm{\gamma }}\)-Quanten gemessen:

113,81 keV 137,65 keV 144,85 keV 251,46 keV 282,57 keV 396,31 keV

Stelle mit den obigen Messwerten ein Termschema für den Lutetium-Kern auf.

Lösung

Man braucht zur Darstellung keine sechs verschiedenen Niveaus, da sich einige Energiewerte durch Differenzbildung aus anderen Energiewerten ergeben.

Abb. 3 Rückstoß eines Atomkerns bei der Emission eines Gammaquants

Bei Übergängen in der Hülle (optischer Bereich) war die Energie der emittierten Quanten und damit auch deren Masse so klein, dass sie gegenüber der Atommasse vernachlässigbar waren. Somit musste der Rückstoß des Atoms bei der Emission nicht berücksichtigt werden. Anders liegen die Verhältnisse in der Kernphysik. Dazu betrachtet man einen Übergang des angeregten Kerns \({{\rm{K}}^{\rm{*}}}\) in seinen Grundzustand \({\rm{K}}\) unter Aussendung eines \({\rm{\gamma }}\)-Quants
\[{{\rm{K}}^{\rm{*}}} \to {\rm{K}} + {\rm{\gamma }}\]

Abb. 4 Unterschiedliche Energieen von angeregtem Kern und emittiertem Gammaquant

Die Energiebilanz für diesen Vorgang lautet
\[{E_{{{\rm{K}}^{\rm{*}}}}} = {E_{\rm{r}}} + {E_\gamma }\]
mit \({E_{{{\rm{K}}^{\rm{*}}}}}\): Anregungsenergie des Kerns, \({E_{\rm{r}}}\): kinetische Energie die zurückgestoßenen Kerns und \({E_\gamma }\): Energie des emittierten \({\rm{\gamma }}\)-Quants.

 

Zur Abschätzung der Rückstoßenergie gehen wir davon aus, dass der Impuls des Kerns vor der Emission Null war und dass nichtrelativistisch gerechnet werden darf. Aus dem Impulssatz erhält man dann
\[0 = {{\vec p}_{\rm{r}}} + {{\vec p}_\gamma } \Rightarrow \left| {{{\vec p}_{\rm{r}}}} \right| = \left| {{{\vec p}_\gamma }} \right| \Leftrightarrow {m_r} \cdot {v_r} = \frac{{{E_\gamma }}}{c} \Leftrightarrow {v_r} = \frac{{{E_\gamma }}}{{{m_r} \cdot c}}\]
Für die Energie des zurückgestoßenen Kerns ergibt sich dann
\[{E_{\rm{r}}} = \frac{1}{2} \cdot {m_r} \cdot {v_r}^2 = \frac{1}{2} \cdot {m_r} \cdot {\left( {\frac{{{E_\gamma }}}{{{m_r} \cdot c}}} \right)^2} = \frac{1}{2} \cdot \frac{{{E_\gamma }^2}}{{{m_r} \cdot {c^2}}} = \frac{1}{2} \cdot \frac{{{E_\gamma }^2}}{{{E_{r,0}}}}\]
Hierbei ist \({{E_{r,0}}}\) die Ruheenergie des zurückgestoßenen Kerns.

Aufgabe

Berechne die Rückstoßenergie eines \(_{77}^{191}\text{Ir}\)-Kerns bei der Emission eines \(129\rm{keV}\)-Quants. Vergleichen Sie diese Energie mit der natürlichen Linienbreite \(\Delta E\) der emittierten \({\rm{\gamma }}\)-Linie von ca. \(1 \cdot {10^{ - 9}}{\rm{eV}}\).

Lösung

\[{E_{\rm{r}}} = \frac{1}{2} \cdot \frac{{{E_\gamma }^2}}{{{E_{r,0}}}} \Rightarrow {E_{\rm{r}}} = \frac{1}{2} \cdot \frac{{{{\left( {129 \cdot {{10}^3}{\rm{eV}}} \right)}^2}}}{{191 \cdot 931 \cdot {{10}^6}{\rm{eV}}}} = 5 \cdot {10^{-2}}{\rm{eV}}\]
Die Rückstoßenergie ist um etwa sechs Zehnerpotenzen höher als die natürliche Linienbreite.

Rückstoßfreie Resonanzabsorption bei Kernen - MÖSSBAUER-Effekt

Aus der Atomphysik weißt du, dass man mit dem gelben Licht, das von einer Natriumdampflampe emittiert wird, andere Natriumatome anregen kann (Resonanzabsorption). Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass ein ähnlicher Vorgang auch mit der von Kernen emittierten γ-Strahlung möglich sein müsste. Hier macht jedoch die Rückstoßenergie, welche der emittierende Kern aufnimmt, einen Strich durch die Rechnung. Beim Absorptionsprozess wird auf den absorbierenden Kern noch einmal die gleiche kinetische Energie übertragen, so dass insgesamt die Energie \(2 \cdot {E_{\rm{r}}}\) fehlt, um die Resonanzbedingung zu erfüllen.

Nun muss man aber noch berücksichtigen, dass sich die Kerne in thermischer Bewegung befinden. Bewegt sich z.B. der Kern gerade mit einer (thermischen) Geschwindigkeit \(v_{\rm{Theorie}}\)th in Emissionsrichtung, so kann u. U. die aufgrund des Rückstoßes verminderte Frequenz des γ-Quants durch den Doppler-Effekt gerade wieder soweit erhöht werden, dass prinzipiell Resonanzabsorption möglich wäre. Die Doppler-Verschiebung hat natürlich wegen der thermischen Geschwindigkeitsverteilung keinen festen Wert. Insgesamt gesehen ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Resonanzabsorption sehr gering.

Rudolf MÖSSBAUER (1929 in München - 2011) löste das Problem, indem er den emittierenden und absorbierenden Kern in ein Kristallgitter einbaute. Die Kerne waren somit nicht mehr "frei", sondern an viele andere Atome gekoppelt. Bei der Emission eines Photons traten somit viele Milliarden Atome als Rückstoßpartner auf. Da die Rückstoßenergie \({E_{\rm{r}}}\) umgekehrt proportional zur Masse \({m_{\rm{r}}}\) des Rückstoßpartners ist, geht die Rückstoßenergie gegen Null. Nun war in einem hohen Maße Resonanzabsorption möglich.

Hinweis: Nicht alle \({\rm{\gamma }}\)-Quanten fallen in den Bereich der rückstoßfreien "MÖSSBAUER-Linie". Es gibt auch noch ein breites Doppler-Kontinuum von nicht-rückstoßfreien Quanten (Phononen-Anregung des Festkörpers), das aber durch tiefe Temperaturen verringert werden kann.

Abb. 5 Aufbau, Durchführung und Beobachtung des Versuchs zum Nachweis des MÖSSBAUER-Effektes

Nachweis des MÖSSBAUER-Effekts in Transmission (Prinzip)

Die Quelle (z.B. Iridium-Strahler) kann durch eine geeignete Vorrichtung mit definierter Geschwindigkeit \(v\) auf den Absorber (Iridium-Probe) zu oder von ihm weg bewegt werden. Solange keine Resonanzabsorption stattfindet (dies ist wegen der DOPPLER-Verschiebung für \(v\) ungleich Null der Fall) durchdringt die \({\rm{\gamma }}\)-Strahlung der Quelle den Absorber und kann mit einem Detektor (NaJ-Zähler) nachgewiesen werden. Im Falle der Resonanzabsorption geht die Zählrate massiv zurück.

Durch die langsame Bewegung der Quelle kann auf diese Weise das Profil der \({\rm{\gamma }}\)-Emissionslinie aufgenommen werden. Ihre relative Breite beträgt
\[\frac{\Delta E}{E_{\gamma}} = \frac{\Delta f}{f}\]
Einige Beispiel für die relative Breite der Linie:

Ir-191 Fe-57 Zn-67
3·10-11 3·10-13 5·10-16

Die extreme Frequenzempfindlichkeit des MÖSSBAUER-Effekts wurde für viele Untersuchungen in der Festkörper- und Kernphysik ausgenutzt. Aber auch zur Überprüfung relativistischer Effekte, wie z.B. die Frequenzverschiebung bei Licht im Gravitationsfeld, fand der MÖSSBAUER-Effekt seine Anwendung.

Eine Biographie von Rudolf MÖSSBAUER, der lange auch an der TU in München gelehrt hat, finden Sie unter der Adresse: http://www.nobel.se/physics/laureates/1961/mossbauer-bio.html