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Grundwissen

Dosimetrie und Dosiseinheiten

Das Wichtigste auf einen Blick

Zur Beschreibung der biologischen Wirkung von ionisierender Strahlung führt man den Begriff der Dosis ein. Dabei unterscheidet man verschiedene Dosisarten.

  • Die Energiedosis \(D\), die ein Körper durch ionisierende Strahlung erhält, ist der Quotient aus der von dem Körper absorbierten Strahlungsenergie \(E\) und der Masse \(m\) des Körpers: \(D=\frac{E}{m}\). Die Energiedosis ist Grundlage der Dosimetrie im Strahlenschutz.
  • Die Ionendosis \(J\), die ein Körper durch ionisierende Strahlung erhält, ist der Quotient aus der durch Ionisation in dem Körper freiwerdenen elektrischen Ladung \(Q\) gleichen Vorzeichens und der Masse \(m\) des Körpers: \(J=\frac{Q}{m}\).
  • Die Äquivalentdosis \(H\), die ein Körper durch eine Energiedosis einer bestimmten Strahlung erhält, ist das Produkt aus der Energiedosis \(D\) und dem Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\) der Strahlung: \(H=w_{\rm{R}} \cdot D\).
  • Die effektive Dosis \(E\), die ein Organ/Gewebe durch eine Äquivalentdosis erhält, ist das Produkt aus der Äquivalentdosis \(H\) und dem Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) des absorbierenden Organs/Gewebes: \(E=w_{\rm{T}} \cdot H\).
Aufgaben Aufgaben

Das Ziel der sogenannten Dosimetrie im praktischen Strahlenschutz ist die Quantifizierung der Möglichkeit einer Schädigung biologischer Systeme durch ionisierende Strahlen.

Welche Faktoren beeinflussen die Schädigung eines biologischen Systems durch ionisierende Strahlung?

Die Schädigung eines Körpers durch ionisierende Strahlung wird hauptsächlich durch 4 Faktoren beeinflusst:

  • Absorbierte Energiemenge
  • Masse des Körpers
  • Ionisierungsfähigkeit der Strahlung
  • Empfindlichkeit des bestrahlten Gewebes/Organs

Zur Beschreibung der Wirkung von ionisierender Strahlung auf einen Körper führt man den Begriff der Dosis ein. Dabei unterscheidet man verschiedene Dosisarten:

Energiedosis \(D\) und die Einheit \(\rm{Gy}\) (Gray)

Es ist offensichtlich, dass die insgesamt von einem Körper in Form von ionisierender Strahlung absorbierte Energie einen Einfluss auf die schädigende Wirkung hat.

  • Je mehr Energie durch radioaktive Strahlung von einen Körper absorbiert wird, desto größer ist die schädigende Wirkung auf den Körper.
  • Wird die Energieenge aber von einer größeren Masse absorbiert und damit auf mehr Materie verteilt, so wird die schädigende Wirkung kleiner.

Deshalb definieren wir als die Energiedosis \(D\) (manchmal auch \(D_{\rm{E}}\)) den Quotient aus der von einem Körper absorbierten Energie \(E\) und der Masse \(m\) dieses Körpers.

Energiedosis \(D\) und die Einheit \(\rm{Gy}\) (Gray)

Die Energiedosis \(D\) (manchmal auch \(D_{\rm{E}}\)) ist der Quotient der von einem Körper absorbierten Strahlungsenergie \(E\) und der Masse \(m\) dieses Körpers:\[D=\frac{E}{m}\quad {\rm{oft\;auch}} \quad  D=\frac{\Delta E}{\Delta m} \quad (1)\]Die Energiedosis ist Grundlage der Dosimetrie im Strahlenschutz.

Tab. 1 Definition der Energiedosis und ihrer Einheit

Größe
Name Symbol Definition
Energiedosis \(D\) \(D := \frac{E}{m}\)
Einheit
Name Symbol Definition
Gray \(\rm{Gy}\) \(1\,\rm{Gy}:=1\,\frac{\rm{J}}{\rm{kg}}\)

Zu Ehren des englischen Physikers Louis Harold GRAY (1905-1965) wurde die Einheit der Energiedosis nach diesem benannt.

Gleichung \((1)\) gibt eine Erklärung, was du dir unter einer Energiedosis von \(1\,\rm{Gy}\) vorstellen kannst: Ein Körper erhält eine Energiedosis von \(1\,\rm{Gy}\), wenn er pro \(1\,\rm{kg}\) Masse ionisierende Strahlung der Energie \(1\,\rm{J}\) absorbiert.

Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit der Energiedosis \(1\,\rm{Gy}\) ist, so kann man schreiben \([D] = 1\,\rm{Gy}\).

Hinweis: Die alte Einheit der Energiedosis war das Rad \(\rm{rd}\). Es gilt \(1\,{\rm{rd}} = 10^{-2}\,{\rm{Gy}}\).

Hinweis
  • Die Energiedosis \(D\) ist zwar die physikalische Basisgröße für die Dosimetrie, kann aber in der Strahlenschutzpraxis nur sehr schwer gemessen werden. Indirekt wird \(D\) mittels Detektoren bestimmt, die auf energieabhängige physikalische Strahlenwirkungen in der bestrahlten Material ansprechen, wie Wärmeentwicklung, Ionisation oder die kinetische Energie erzeugter geladener Teilchen. Eingesetzt werden z. B. Kalorimeter, Ionisationskammern und Halbleiterdetektoren.

Ionendosis \(J\)

Wie der Name "ionisierende Strahlung" schon sagt ist deren Hauptwirkung die Ionisation von Atomen und Molekülen. Diese Ionisation zeigt sich durch freiwerdende Ladungen, wobei immer gleichgroße entgegegesetze Ladungen frei werden.

  • Je mehr Ionisationen in einem Körper stattfinden (d.h. je mehr Ladung in dem Körper frei wird), desto größer ist die schädigende Wirkung auf den Körper.
  • Wird die Zahl der Ionisatonen (d.h. die Menge der Ladung) aber auf eine größere Masse und damit mehr Materie verteilt, so wird die schädigende Wirkung kleiner.

Deshalb definieren wir als die Ionendosis \(J\) (manchmal auch \(D_{\rm{J}}\)) den Quotient aus der durch Ionisation freiwerdenen elektrischen Ladung \(Q\) gleichen Vorzeichens und der Masse \(m\) des Körpers, in dem diese Ladung frei wird.

Ionendosis \(J\)

Die Ionendosis \(J\) (manchmal auch \(D_{\rm{J}}\)) ist der Quotient der durch Ionisation freiwerdenen elektrischen Ladung \(Q\) gleichen Vorzeichens und der Masse \(m\) des Körpers, in dem diese Ladung frei wird:\[J=\frac{Q}{m}\quad {\rm{oft\;auch}} \quad  J=\frac{\Delta Q}{\Delta m} \quad (2)\]

Tab. 2 Definition der Ionendosis und ihrer Einheit

Größe
Name Symbol Definition
Ionendosis \(J\) \(J := \frac{Q}{m}\)
Einheit
Name Symbol Definition
- - \([J]=1\,\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\)

Gleichung \((2)\) gibt eine Erklärung, was du dir unter einer Ionendosis von \(1\,\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\) vorstellen kannst: Ein Körper erhält eine Ionendosis von \(1\,\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\), wenn pro \(1\,\rm{kg}\) Masse die ionisierende Strahlung eine Ladung von \(+1\,\rm{C}\) (und damit gleichzeitig auch von \(-1\,\rm{C}\)) freisetzt.

Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit der Ionendosis \(1\,1\,\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\) ist, so kann man schreiben \([J] = 1\,\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\).

Hinweis: Die alte Einheit der Ionendosis war das Röntgen \(\rm{R}\). Es gilt \(1\,{\rm{R}} = 2{,}58 \cdot 10^{-4}\,1\frac{\rm{C}}{\rm{kg}}\).

Hinweis
  • Die Ionendosis spielt zwar heute als Dosisgröße keine Rolle mehr, aber \(J\) beschreibt das, was man im Strahlenschutz misst. Die Anzahl von Ionisationen kann leicht mit Hilfe von Ionisationskammern bestimmt werden.

Zusammenhang zwischen \(D\) und \(J\)

Den Zusammenhang zwischen der Energiedosis \(D=\frac{E}{m}\) und der Ionendosis \(J=\frac{Q}{m}\) kann man grob herleiten:

Wenn ein Körper der Masse \(m\) die Energie \(E\) ionisierender Strahlung absorbiert, dann geschieht dies im Wesentlichen durch die Erzeugung einfach geladener Ionenpaare (IP). Werden durch die Energie \(E\) nun \(N\) dieser Ionenpaare mit der jeweiligen mittleren Bildungsenergie \(E_{\rm{IP}}\) erzeugt, dann gilt

  • für die vom Körper absorbierte Energie \(E=N \cdot E_{\rm{IP}}\) und
  • für die im Körper freigesetzte Ladung \(Q=N \cdot e\).

Damit gilt\[\frac{D}{J}=\frac{\frac{E}{m}}{\frac{Q}{m}}=\frac{E}{m} \cdot \frac{m}{Q}=\frac{N \cdot E_{\rm{IP}}}{N \cdot e}=\frac{E_{\rm{IP}}}{e}=\rm{konstant}\]und damit\[D \sim J\]Für \(\gamma\)-Strahlung ist diese Proportionalität gut erfüllt.

Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\), Äquivalentdosis \(H\) und die Einheit \(\rm{Sv}\) (Sievert)

Wie in der Einleitung bereits gesagt beeinfluss auch die Ionisationsfähigkeit der Strahlung die schädigende Wirkung auf einen Körper. Die schädigende Wirkung von \(\alpha\)-Strahlung (\({}_2^4{\rm{He}}\)-Kerne) ist z.B. wesentlich stärker als die von \(\gamma\)-Strahlung (Photonen), die Wirkung von \(\alpha\)-Strahlung mit großer Energie stärker als die mit kleinerer Energie.

Um die Strahlenbelastung durch verschiedene Strahlungen vergleichen zu können, wurden für verschiedene Strahlungen experimentell sogenannte Strahlungswichtungsfaktoren \(w_{\rm{R}}\) (\(\rm{R}\) für engl. radiation: Strahlung) ermittelt. Diese Strahlungswichtungsfaktoren hängen von der Strahlungsart und der kinetischen Energie der jeweiligen Teilchen ab.

Multipliziert man nun eine Energiedosis \(D\) mit einem Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\), so erhält man ein Maß für die Strahlenbelastung durch eine Energiedosis dieser Strahlung. Den berechneten Wert bezeichnen wir als Äquivalentdosis \(H\) durch diese Energiedosis dieser Strahlung.

Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\), Äquivalentdosis \(H\) und die Einheit \(\rm{Sv}\) (Sievert)

Der Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\) einer ionisierenden Strahlung ist ein experimentell bestimmter Wert für die relative biologische Wirksamkeit dieser Strahlung. Der Strahlungswichtungsfaktor hängt von der Strahlungsart und der kinetischen Energie der jeweiligen Teilchen ab. Strahlungswichtungsfaktoren haben keine Maßeinheit, sondern sind Zahlenwerte zwischen \(1\) und \(20\).

Die Äquivalentdosis \(H\), die ein Körper durch eine Energiedosis einer bestimmten Strahlung erhält, ist das Produkt aus der Energiedosis \(D\) und dem Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\) der Strahlung:\[H=w_{\rm{R}} \cdot D \quad (3)\]

Radiumhemmets arkiv, Public domain, via Wikimedia Commons
Abb. 3 Rolf Maximilian SIEVERT (1896-1966)

Tab. 3 Definition der Äquivalenzdosis und ihrer Einheit

Größe
Name Symbol Definition
Äquivalenzdosis \(H\) \(H := w_{\rm{R}} \cdot D\)
Einheit
Name Symbol Definition
Sievert \(\rm{Sv}\) \([H]=1\,\rm{Sv}= 1\,\frac{\rm{J}}{\rm{kg}}\)

Die Äquivalentdosis hat per Definition die gleiche Einheit wie die Energiedosis.  Zu Ehren des schwedischen Physikers und Mediziners Rolf Maximilian Sievert (1896-1966) wurde die Einheit der Äquivalenzdosis nach diesem benannt.

Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit der Äquivalenzdosis \(1\,\rm{Sv}\) ist, so kann man schreiben \([H] = 1\,\rm{Sv}\).

Hinweis: Die alte Einheit der Äquivalenzdosis war das Rem \(\rm{rem}\). Es gilt \(1\,{\rm{rem}} = 10^{-2}\,{\rm{Sv}}\).

Hier einige Strahlungswichtungsfaktoren.

Tab. 4 Beispiele für Strahlungswichtungsfaktoren
Strahlenart / kinetische Energie
Strahlungswichtungsfaktor \(w_{\rm{R}}\)
Photonen (RÖNTGEN-Strahlung, \(\gamma\)-Strahlung)
\(1\)
Elektronen, Myonen
\(1\)
Neutronen
kleiner als \(30\,\rm{keV}\)
\(2{,}5\) bis \(5\)
\(30\,\rm{keV}\) bis \(90\,\rm{MeV}\)
\(5\) bis \(20{,}7\)
\(1\,\rm{MeV}\)
\(20{,}7\)
größer als \(90\,\rm{MeV}\)
\(2{,}5\) bis \(5\)
Protonen, Pionen
\(2\)
Alphateilchen, Spaltrückstände, schwere Kerne
\(20\)

Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) und effektive Dosis \(E\)

Wie in der Einleitung bereits gesagt beeinflusst auch die Art eines Organs oder Gewebes, das ionisiernede Strahlung absorbiert, die schädigende Wirkung der Strahlung. Die schädigende Wirkung auf Knochenmark ist z.B. wesentlich größer als die auf die Knochenöberfläche.

Um die Strahlenbelastung der verschiedenen Organe/Gewebe vergleichen zu können, wurde von der Internationalen Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) für jedes Organ/Gewebe ein sogenannter Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) (\(\rm{T}\) für engl. tissue: Gewebe) vorgeschlagen. Diese Gewebewichtungsfaktoren hängen u.a. von der Häufigkeit von Zellteilungen in dem Organ/Gewebe ab und sind alters- und geschlechtsgemittelt.

Multipliziert man nun eine Äquivalentdosis \(H\) mit einem Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\), so erhält man ein Maß für die Strahlenbelastung dieses Organs/Gewebes durch diese Äquivalentdosis. Den berechneten Wert bezeichnen wir als effektive Dosis \(E\) dieses Organs/Gewebes durch diese Äquivalentdosis.

Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) und effektive Dosis \(E\)

Der Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) eines Organs/Gewebes ist ein vorgeschlagener Wert für die relative biologische Wirksamkeit von ionisierender Strahlung auf ein Organ/Gewebe. Gewebewichtungsfaktoren haben keine Maßeinheit, sondern sind Zahlenwerte zwischen \(0{,}01\) und \(0{,}12\).

Die effektive Dosis \(E\), die ein Organ/Gewebe durch eine Äquivalentdosis erhält, ist das Produkt aus der Äquivalentdosis \(H\) und dem Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\) des absorbierenden Organs/Gewebes:\[E=w_{\rm{T}} \cdot H \quad (4)\]

Tab. 5 Definition der effektiven Dosis und ihrer Einheit

Größe
Name Symbol Definition
effektive Dosis \(E\) \(E := w_{\rm{T}} \cdot H\)
Einheit
Name Symbol Definition
Sievert \(\rm{Sv}\) \([H]=1\,\rm{Sv}= 1\,\frac{\rm{J}}{\rm{kg}}\)

Die effektive Dosis hat per Definition die gleiche Einheit wie die Äquivalentdosis, das Sievert.

Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit der effektiven Dosis \(1\,\rm{Sv}\) ist, so kann man schreiben \([E] = 1\,\rm{Sv}\).

Hinweis: Die alte Einheit der effektiven Dosis war ebenfalls das Rem \(\rm{rem}\). Es gilt \(1\,{\rm{rem}} = 10^{-2}\,{\rm{Sv}}\).

Hier einige Gewebewichtungsfaktoren.

Tab. 6 Beispiele für Gewebewichtungsfaktoren
Organ Gewebewichtungsfaktor \(w_{\rm{T}}\)
Knochenmark \(0{,}12\)
Dickdarm \(0{,}12\)
Lunge \(0{,}12\)
Magen \(0{,}12\)
Brust \(0{,}12\)
Keimdrüsen \(0{,}08\)
Blase \(0{,}04\)
Leber \(0{,}04\)
Speiseröhre \(0{,}04\)
Schilddrüse \(0{,}04\)
Haut \(0{,}01\)
Knochenoberfläche \(0{,}01\)
Gehirn \(0{,}01\)
Speicheldrüsen \(0{,}01\)