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Grundwissen

Möglichkeiten der Kernfusion

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Verschiedene Atomkern können unter geeigneten Bedingungen miteinander fusionieren.
  • Die fusionierenden Atomkerne bestimmen, wie groß die frei werdende Energie ist.
  • Damit es zur Fusion kommen kann, müssen die elektrostatischen Abstoßungskräfte der Kerne überwunden werden.

Die Sonne als Vorbild

Abb. 1 Die Oberfläche der Sonne.

Die Sonne ist seit jeher der wesentliche Energiespender für die Entwicklung des Lebens auf der Erde. Vermutungen, die Energieproduktion auf der Sonne laufe so ähnlich wie bei der Verbrennung (Oxidation) von Holz, Kohle und Öl ab, müssen jedoch verworfen werden. Schon einfache Abschätzungen (vgl. Aufgabe Fossile Feuerung auf der Sonne) zeigen, dass die Sonne auf diese Weise schon längst "ausgebrannt" wäre.

Kernfusion anstatt Oxidation

Bei der Oxidation spielen sich Vorgänge in der Atomhülle ab, also bei einer Energieskala, die im \(\rm{eV}\)- bzw. \(\rm{keV}\)-Bereich liegt. Um viele Zehnerpotenzen höhere Energieumsetzungen finden im Kern bei Kernreaktionen statt. Hier liegen die Energien im \(\rm{MeV}\)-Bereich. Es lag also nahe für die Energieproduktion auf der Sonne Kernreaktionen verantwortlich zu machen. Hans BETHE (1906 - 2005) und Carl Friedrich von WEIZSÄCKER (1912 - 2007) konnten 1935 zeigen, wie auf der Sonne die Verschmelzung (Fusion) von Wasserstoffkernen zu Helium abläuft und dabei Energie frei wird (BETHE-WEIZSÄCKER-Zyklus).

Beispiele für mögliche Fusionsreaktionen

Grundsätzlich können jedoch verschiedene Kerne, zum Beispiel unterschiedliche Wasserstoffisotope, unter geeigneten Bedingungen miteinander verschmolzen werden. Dabei wird jeweils eine spezifische Menge Energie frei (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Beispiele für mögliche Fusionsreaktionen
Reaktion Reaktionsenergie in \(\rm{MeV}\)
\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^3{\rm{T}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_0^1{\rm{n}}\] \(17{,}6\)
\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^2{\rm{D}} \to {}_2^3{\rm{He}} + {}_0^1{\rm{n}}\] \(3{,}3\)
\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^2{\rm{D}} \to {}_1^3{\rm{T}} + {}_1^1{\rm{p}}\] \(4{,}0\)
\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_2^3{\rm{He}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_1^1{\rm{p}}\] \(18{,}3\)
\[{}_0^1{\rm{n}} + {}_3^6{\rm{Li}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_1^3{\rm{T}}\] \(4{,}8\)

Elektrostatische Abstoßung verhindert Fusion

Damit es zu exothermen Fusionsreaktionen kommen kann, müssen die beiden zu fusionierenden Kerne sich so nahe kommen, dass die kurzreichweitigen Kernkräfte wirken können. Dazu müssen zunächst die abstoßenden Coulombkräfte überwunden werden, die umso größer sind, je höher die Ordnungszahlen der beteiligten Elemente sind (je höher die Ordnungszahl eines Kerns ist, desto größer ist seine Protonenzahl).

Daher versucht man die Kernfusion auf der Erde in erster Linie mit leichten Elementen wie Wasserstoff zu erreichen. Hier ist die elektrostatische Abstoßung der zu fusionierenden Kerne geringer.

Überwinden der elektrostatischen Abstoßung der Kerne

Abb. 2 Teilchen im Gas- bzw. Plasmazustand

Um die abstoßenden elektrostatischen Kräfte zu überwinden versucht man auf der Erde im wesentlichen zwei Wege zu gehen:

  • Man schießt zwei hochenergetische Teilchenstrahlen gegeneinander. Die Aussichten, auf diese Weise einen wirtschaftlich arbeitenden Fusionsreaktor zu erhalten, sind eher gering.
  • Man erhitzt ein Gas aus leichten Elementen so stark, dass die Atome ihre Hülle verlieren und ein "Ionen- und Elektronengas" entsteht. Nach außen hin ist dieses Gebilde neutral und wird als Plasma bezeichnet (vgl. Abb. 2). Beim Plasma wird oft auch vom 4. Aggregatzustand gesprochen (Festkörper - Flüssigkeit - Gas - Plasma).

Frei werdende Energie im Vergleich

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Energien pro Kilogramm Brennstoff bei der Luftverbrennung, der Kernspaltung und der Kernfusion freigesetzt werden könnten:

  chemische Reaktion Kernspaltung Kernfusion
Beispielreaktion \[{\rm{C}} + {{\rm{O}}_{\rm{2}}} \to {\rm{C}}{{\rm{O}}_{\rm{2}}}\] \[{}_0^1{\rm{n}} + {}_{92}^{235}{\rm{U}} \to {}_{56}^{144}{\rm{Ba}} + {}_{36}^{89}{\rm{Kr}} + {\rm{3}} \cdot {}_0^1{\rm{n}}\] \[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^3{\rm{T}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_0^1{\rm{n}}\]
verwendeter Brennstoff Kohle, Öl und Luft angereichertes Uran Deuterium und Tritium
Typische Temperatur in \(\rm{K}\) \(1000\) \(1000\) \(100 000 000\)
Freigesetzte Energie in \(\frac{{{\rm{MJ}}}}{{{\rm{kg}}}}\) \(33\) \(2{,}1 \cdot {10^6}\) \(3{,}4 \cdot {10^8}\)
Aufgabe

Gib die Reaktionsgleich der D-T-Reaktion an und berechne die Reaktionsenergie.

Lösung

Die Reaktionsgleichung lautet\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^3{\rm{T}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_0^1{\rm{n}}\]und die frei werdende Energie berechnet sich aus \[\begin{eqnarray}\Delta E &=& \Delta m \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_1^2{\rm{D}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_1^3{\rm{T}}} \right) - \left( {{m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_0^1{\rm{n}}} \right)} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_1^2{\rm{D}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_1^3{\rm{T}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_0^1{\rm{n}}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {2{,}0141022{\rm{u}} + 3{,}0160494{\rm{u}} - 4{,}0026036{\rm{u}} - 1{,}008665{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}018883 \cdot {\rm{u}} \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}018883 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ &=& 17{,}6\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\]

Bestätige durch Rechnung den in obiger Tabelle angegebenen Wert für die freigesetzte Energie pro Kilogramm Brennstoff für die D-T-Fusionsreaktion.

Lösung

Bei einer Fusionsreaktion werden \(17{,}6\,{\rm{MeV}}\) Energie freigesetzt. Dabei ist eine Masse von \(2u + 3u = 5u\) beteiligt. Somit gilt für die von \(1\,\rm{kg}\) Brennstoff freigesetzte Energie\[{E = \frac{{1\,{\rm{kg}}}}{{5 \cdot {\rm{u}}}} \cdot 17{,}6 \cdot {10^6} \cdot 1{,}60 \cdot 10^{ - 19}\,{\rm{J}}} = {3{,}4 \cdot {10^{14}}\,{\rm{J}}} = {3{,}4 \cdot {10^8}\,{\rm{MJ}}}\]