Direkt zum Inhalt

Aufgabe

Kernspaltung (Abitur BY 2004 GK A4-1)

Schwierigkeitsgrad: mittelschwere Aufgabe

Eine zentrale energetische Größe der Kernphysik ist die Bindungsenergie.

a)Erläutere den Aufbau eines Atomkerns.

Gehe insbesondere darauf ein, welche Bedeutung dabei die Bindungsenergie hat. (6 BE)

Bei der Kernspaltung von schweren Kernen wird Energie frei, da die Bindungsenergie pro Nukleon bei den mittelschweren Spaltprodukten höher ist als beim Ausgangskern. Ein \(_{ 92}^{235}\text{U}\)-Kern wird durch ein Neutron gespalten. Die beiden Spaltprodukte sind instabil und gehen nach jeweils drei \(\beta^-\) -Zerfällen in die stabilen Kerne \(_{58}^{140}\text{Ce}\) und \(_{40}^{94}\text{Zr}\) über. Außerdem entstehen bei der Spaltung freie Neutronen.

b)Gib an, welche instabilen Kerne unmittelbar nach der Spaltung entstehen und über welche Zwischenkerne diese jeweils zu den stabilen Endprodukten führen. (6 BE)

c)Stelle die Gleichung für die Gesamtreaktion in die stabilen Endprodukte auf.

Berechne die dabei frei werdende Gesamtenergie. [zur Kontrolle: \(\Delta E = 208{,}2\,{\rm{MeV}}\)] (6 BE)

d)Schätze rechnerisch ab, wie viele Millionen Liter Heizöl man verbrennen müsste, um den gleichen Energiebetrag zu erhalten, der als Folge der Spaltung von \(1{\rm{kg}}\) \(_{ 92}^{235}\text{U}\) insgesamt freigesetzt werden kann. (Heizwert von Heizöl: \(42\,\rm{\frac{MJ}{kg}}\), Dichte von Heizöl: \(0{,}85\,\rm{\frac{g}{cm^{3}}}\)) (6 BE)

e)Wie das Unglück in Tschernobyl zeigte, darf das Gefährdungspotential, das von Kernkraftwerken ausgehen kann, nicht unterschätzt werden.

Erkläre kurz, warum Strahlung radioaktiver Stoffe für Menschen gefährlich sein kann.

Erläutere, wie man sich vor ihr schützen sollte. (6 BE)

Lösung einblendenLösung verstecken Lösung einblendenLösung verstecken

Hinweis: Bei dieser Lösung von LEIFIphysik handelt es sich nicht um den amtlichen Lösungsvorschlag des bayr. Kultusministeriums.

a)Der Atomkern ist aus Neutronen (Ruhemasse \({{m_{{\rm{n}}{\rm{,0}}}}}\)) und Protonen (Ruhemasse \({{m_{{\rm{p}}{\rm{,0}}}}}\)) aufgebaut. Für den Zusammenhalt der Nukleonen ist die kurzreichweitige Kernkraft verantwortlich, welche stärker ist als die abstoßende Coulombkraft zwischen den Protonen. Die Massesumme der Einzelbausteine ist beim stabilen Kern größer als die Kernmasse \({{m_{{\rm{K}}{\rm{,0}}}}}\). Man spricht vom sogenannten Massendefekt: \[\Delta m = Z \cdot {m_{{\rm{p,0}}}} + N \cdot {m_{{\rm{n}}{\rm{,0}}}} - {m_{{\rm{K,0}}}}\] wobei \(Z\) die Zahl der Protonen und \(N\) die Zahl der Neutronen ist.

Nach Einstein kann man dem Massendefekt eine entsprechende Energie \(\Delta E\) zuordnen, die als Bindungsenergie \({E_{\rm{B}}}\) bezeichnet wird: \[{E_{\rm{B}}} = \Delta E = \Delta m \cdot {c^2}\] Diese Bindungsenergie gibt an, wie viel Energie aufzuwenden ist, damit ein Kern in seine Einzelbestandteile zerlegt werden kann.

b)\[_{55}^{140}{\rm{Cs}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{56}^{140}{\rm{Ba}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{57}^{140}{\rm{La}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{58}^{140}{\rm{Ce}}\]

\[_{37}^{94}{\rm{Rb}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{38}^{94}{\rm{Sr}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{39}^{94}{\rm{Y}}\;\begin{array}{*{20}{c}}{_{{\beta ^ - }}}\\ \to \\{}\end{array}\;_{40}^{94}{\rm{Zr}}\]

c)\[{}_{92}^{235}{\rm{U + }}{}_0^1{\rm{n}} \to {}_{58}^{140}{\rm{Ce}} + {}_{40}^{94}{\rm{Zr}} + 2 \cdot {}_0^1{\rm{n}} + 6 \cdot {}_{ - 1}^0{\rm{e}} + 6 \cdot {}_0^0\bar \nu \] \[\begin{eqnarray}\Delta E &=& \Delta m \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_{92}^{235}{\rm{U}}} \right) + {m_{\rm{n}}} - \left( {{m_{\rm{A}}}\left( {_{58}^{140}{\rm{Ce}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_{40}^{94}{\rm{Zr}}} \right) + 2 \cdot {m_n}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_{92}^{235}{\rm{U}}} \right) + {m_{\rm{n}}} - {m_{\rm{A}}}\left( {_{58}^{140}{\rm{Ce}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_{40}^{94}{\rm{Zr}}} \right) - 2 \cdot {m_n}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {235{,}043928{\rm{u}} + 1{,}008665{\rm{u}} - 139{,}905466{\rm{u}} - 93{,}906313{\rm{u}} - 2 \cdot 1{,}008665{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}223484 \cdot u \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}223484 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ &=& 208{,}2\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\]

d)Die Zahl \(N\) der Uranatome in \(1\,{\rm{kg}}\) Uran berechnet sich durch \[N = \frac{{1\,{\rm{kg}}}}{{235{,}043928{\rm{u}}}} = \frac{{1\,{\rm{kg}}}}{{235{,}043928 \cdot 1{,}660540 \cdot {{10}^{ - 27}}{\rm{kg}}}} = 2{,}562133 \cdot {10^{24}}\] Die frei werdende Energie \(E_{\rm{U}}\) ergibt sich dann zu \[E_{\rm{U}} = N \cdot \Delta E = 2{,}562133 \cdot {10^{24}} \cdot 208{,}2{\rm{MeV}} = 5{,}334 \cdot {10^{32}}{\rm{eV}} = 5{,}334 \cdot {10^{32}} \cdot 1{,}602 \cdot {10^{ - 19}}\,{\rm{J}} = 8{,}545 \cdot {10^{13}}\,{\rm{J}}\] Die pro Liter Heizöl frei werdende Energie \(E_{\rm{H}}\) beträgt \[{E_{\rm{H}}} = {H_{{\rm{Öl}}}} \cdot {\rho _{{\rm{Öl}}}} \cdot 1{\rm{d}}{{\rm{m}}^3} = 42 \cdot {10^6}\frac{{\rm{J}}}{{{\rm{kg}}}} \cdot 0{,}85\,\frac{{{\rm{kg}}}}{{{\rm{d}}{{\rm{m}}^3}}} \cdot 1\,{\rm{d}}{{\rm{m}}^3} = 3{,}570 \cdot {10^7}\,{\rm{J}}\] Daraus ergibt sich die zu verbrennende Anzahl an Litern Heizöl zu \[N = \frac{{8,545 \cdot {{10}^{13}}{\rm{J}}}}{{3,570 \cdot {{10}^7}{\rm{J}}}} = 2,4 \cdot {10^6}\] Man müsste also ungefähr 2,4 Millionen Liter Heizöl verbrennen.

e)Radioaktive Strahlung kann sowohl genetische als auch somatische Schäden hervorrufen.

Man kann sich vor den negativen Folgen radioaktiver Strahlung schützen, indem man diese durch Absorber (Blei, Aluminium usw. aber auch Wasser für Neutronenstrahlung) abschirmt. Außerdem versucht man einen großen Abstand zur radioaktiven Quelle zu gewinnen und sich nur möglichst kurze Zeit der Strahlung auszusetzen.

Hinweis: Die hier angegebenen Atommassen wurden der AME2016 des AMDC-Atomic Mass Data Center entnommen.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Kern-/Teilchenphysik

Kernspaltung und Kernfusion