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Aufgabe

Brennstäbe (Abitur BY 2019 Ph12-1 A1)

Schwierigkeitsgrad: mittelschwere Aufgabe

Die in Kernkraftwerken eingesetzten Brennstäbe sind dünnwandige Rohre, die kleine Uran-Pellets enthalten. Ein frisches Uran-Pellet der Masse \(10\,\rm{g}\) besteht zu \(3{,}5\%\) aus \({}_{}^{235}{\rm{U}}\) und zu \(96{,}5\%\) aus \({}_{}^{238}{\rm{U}}\). Durch kontrollierte Kernspaltung von \({}_{}^{235}{\rm{U}}\) und durch die Folgereaktionen wird Energie freigesetzt.

a)Begründe, dass es unter den Gesichtspunkten des Strahlenschutzes vertretbar ist, ein frisches Uran-Pellet kurzzeitig in der mit einem Einweghandschuh geschützten Hand zu halten. (4 BE)

Die folgende Reaktionsgleichung beschreibt eine häufig bei \({}_{}^{235}{\rm{U}}\) auftretende Kernspaltung:\[{}_{92}^{235}{\rm{U}} + {}_0^1{\rm{n}} \to {}_{40}^{100}{\rm{Zr}} + {}_{52}^{133}{\rm{Te}} + 3 \cdot {}_0^1{\rm{n}}\]Gegebene Atommassen: \(m_{\rm{A}}\left( {}_{92}^{235}{\rm{U}} \right)=235{,}043930\,\rm{u}\) ; \(m_{\rm{A}}\left( {_{40}^{100}\rm{Zr}} \right) = 99{,}917762\,\rm{u}\) ; \({m_{\rm{A}}}\left( {_{52}^{133}\rm{Te}} \right) = 132{,}910955\,\rm{u}\)

b)Zeige, dass bei der Spaltung eines \({}_{}^{235}{\rm{U}}\)-Kerns eine Energie von \(184\,\rm{MeV}\) freigesetzt wird. (5 BE)

c)Beschreibe allgemein die Bedingungen, unter denen bei einer Kernspaltung eine Kettenreaktion in Gang gesetzt und kontrolliert aufrechterhalten werden kann. (4 BE)

d)Berechne den Wert, um den die Masse des Pellets abnimmt, wenn während der Nutzungszeit des Pellets ausschließlich die oben angegebene Reaktion abläuft und \(0{},27\,\rm{g}\) des \({}_{}^{235}{\rm{U}}\) im Pellet gespalten werden. (5 BE)

Nach etwa fünf Jahren werden die Brennstäbe aus dem Reaktor entnommen und die Kettenreaktion stoppt.

e)In den Pellets befinden sich zu diesem Zeitpunkt weitere radioaktive Isotope, z. B. das Iod-Isotop \({}_{}^{131}{\rm{I}}\) mit der Halbwertszeit \({T_{1/2}} = 8{,}0025\,{\rm{d}}\).

Bestimme die Zeitdauer, bis sich die zunächst vorhandene Anzahl der \({}_{}^{131}{\rm{I}}\)-Kerne auf \(1{,}0\,\%\) verringert hat. (5 BE)

f)Drei Monate nach dem Ende der kontrollierten Kettenreaktion liegt die Leistung eines verbrauchten Pellets bei \(0{,}10\,\rm{W}\).

Schätze die Äquivalentdosis ab, die durch eine Hand aufgenommen wird, wenn man ein solches Pellet für eine Minute in der geschlossenen und mit einem Einweghandschuh geschützten Hand hält.

Begründe die von dir getroffenen Annahmen kurz.

Interpretiere dein Ergebnis im Vergleich zum durchschnittlichen Wert der in Deutschland auftretenden natürlichen Strahlenbelastung. (6 BE)

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Hinweis: Bei dieser Lösung von LEIFIphysik handelt es sich nicht um den amtlichen Lösungsvorschlag des bayr. Kultusministeriums.

a)\({}_{}^{235}{\rm{U}}\)  und \({}_{}^{238}{\rm{U}}\) senden \(\alpha\)-Teilchen aus. Beide Isotope haben sehr lange Halbwertszeiten, so dass bei frischen Pellets nur relativ wenige Folgeprozesse auftreten, die mit einer durchdringenderen Strahlung verbunden sind. Da die \(\alpha\)-Teilchen durch feste Materialien gut absorbierbar sind, genügt ein Einweghandschuh um vor der Strahlung zu schützen.

b)\[\begin{eqnarray}Q &=& \Delta m \cdot c^2\\ &=& \left[ m_{\rm{A}}\left( {}_{92}^{235}{\rm{U}} \right)+m_{\rm{n}} - \left( m_{\rm{A}}\left( {}_{40}^{100}{\rm{Zr}} \right) + m_{\rm{A}}\left( {}_{52}^{133}{\rm{Te}} \right) + 3 \cdot m_{\rm{n}} \right) \right] \cdot c^2\\ &=& \left[ m_{\rm{A}}\left( {}_{92}^{235}{\rm{U}} \right) - m_{\rm{A}}\left( {}_{40}^{100}{\rm{Zr}} \right) - m_{\rm{A}}\left( {}_{52}^{133}{\rm{Te}} \right) - 2 \cdot m_{\rm{n}} \right] \cdot c^2\\ &=& \left[ 235{,}043930\,{\rm{u}} - 99{,}917762\,{\rm{u}} - 132{,}910955\,{\rm{u}} - 2 \cdot 1{,}008665\,{\rm{u}} \right] \cdot c^2\\ &=& 0{,}197883 \cdot {\rm{u}} \cdot c^2\\ &=& 0{,}197883 \cdot 931{,}49\,\rm{MeV}\\ &=& 184\,\rm{MeV}\end{eqnarray}\]

c)Die bei der Kernspaltung entstehenden schnellen Neutronen müssen in einem Moderator (meist Wasser) abgebremst werden, da der Wirkungsquerschnitt für weitere Spaltungen von Urankernen für langsame Neutronen wesentlich höher ist als für schnelle Neutronen.

Damit die Kettenreaktion kontrolliert abläuft und es nicht zu einer unkontrollierten Explosion kommt, können zwischen die Brennelement-Stäbe sogenannte Regelstäbe aus stark neutronenabsorbierendem Material geschoben werden.

d)Berechnung der Zahl der gespaltenen Urankerne:\[N = \frac{{m({\rm{gesamtes}}{\;^{235}}{\rm{U}},{\rm{gespalten}})}}{{{m_{\rm{A}}}\left( {{}_{92}^{235}U} \right)}} \Rightarrow N = \frac{{0{,}27 \cdot {{10}^{ - 3}}\,{\rm{kg}}}}{{235{,}043930\,{\rm{u}}}} = \frac{{0{,}27 \cdot {{10}^{ - 3}}\,{\rm{kg}}}}{{235{,}043930 \cdot 1{,}66054 \cdot 1{0^{ - 27}}\,{\rm{kg}}}} = 6{,}9 \cdot {10^{20}}\]Da die Masse pro Spaltung (vgl. Teilaufgabe b)) um \(\Delta m = 0{,}197883\,{\rm{u}}\) abnimmt, gilt für die gesamte Massenabnahme \(m\)\[m = N \cdot \Delta m \Rightarrow m = 6{,}9 \cdot {10^{20}} \cdot 0{,}1979 \cdot 1{,}661 \cdot 1{0^{ - 27}}\,{\rm{kg}} = 2{,}3 \cdot 10^{ - 7}\,{\rm{kg}}\]

e)\[N(t) = {N_0} \cdot {e^{ - \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \Leftrightarrow \frac{{N(t)}}{{{N_0}}} = {e^{ - \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \Rightarrow 0,010 = {e^{ - \frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \cdot t}} \Leftrightarrow \ln \left( {0{,}010} \right) =  - \frac{{t \cdot \ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}} \Leftrightarrow t =  - \frac{{{T_{1/2}} \cdot \ln \left( {0{,}010} \right)}}{{\ln \left( 2 \right)}}\]Einsetzen der gegebenen Werte liefert\[t =  - \frac{{8{,}025{\rm{d}} \cdot \ln \left( {0{,}010} \right)}}{{\ln \left( 2 \right)}} \approx {\rm{53d}}\]

f)Für die Äquivalentdosis \(H\) und die Energiedosis \(D\) gelten die Beziehungen\[H = q \cdot D\]und\[D = \frac{E}{m}\]Daraus ergibt sich mit \({E = P \cdot \Delta t}\)\[H = q \cdot \frac{E}{m} = q \cdot \frac{{P \cdot \Delta t}}{m}\]Da eventuell in der Strahlung vorhandene Alphateilchen durch den Handschuh abgeschirmt werden, kann von einem Bewertungsfaktor \(q = 1\) (gültig für \(\beta\)- und \(\gamma\)-Strahlung) ausgegangen werden. Nimmt man für die Hand eine Masse von \(m = 0{,}60\,\rm{kg}\) hat, so ergibt sich für \(H\)\[H = q \cdot \frac{{P \cdot \Delta t}}{m} \Rightarrow H = 1 \cdot \frac{{0{,}1\,\rm{W} \cdot 60\,\rm{s}}}{{0{,}60\,\rm{kg}}} = 10\,{\rm{Sv}}\]Die durchschnittliche Äquivalentdosis in Deutschland beträgt im Jahr ca. \(2 \cdot {10^{ - 3}}\,{\rm{Sv}}\), d.h. die Strahlenbelastung durch das abgebrannte Pellet (1 Minute in der Hand) wäre etwa um 3 Größenordnungen höher als die durchschnittliche Äquivalentdosis in Deutschland im Jahr.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Kern-/Teilchenphysik

Kernspaltung und Kernfusion

Radioaktivität - Fortführung