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Geschichte

Historische Vorstellungen zum Kernaufbau

1. Deutungsversuch: Kernaufbau aus Protonen und Kernelektronen

Um den Unterschied zwischen der Kernladungszahl Z (Anzahl der Protonen) und der relativen Atommasse Ar bei einem Atom wie z.B. Helium (\(Z=2\); \({\rm{A}}_{\rm{r}} \approx 4\)) erklären zu können, nahm man zunächst an, dass sich die Kerne höherer Ordnungszahl aus Protonen und Elektronen zusammensetzen. Mit dieser Annahme konnte man grob die drei folgenden Erscheinungen erklären:

  • Ganzzahligkeit der relativen Atommassen
    Bei nicht zu hohen Anforderungen an die Genauigkeit konnte man die nahezu Ganzzahligkeit der relativen Atommassen erklären: Die Masse des Elektrons beträgt nur etwa 1/2000 der Masse des Protons. Der Kern des Wasserstoffatoms (Proton) hat ungefähr die relative Atommasse 1. Wenn der Heliumkern aus vier Protonen und zwei Elektronen bestünde, käme man dann mit der nahezu vernachlässigbaren Elektronenmasse auf eine relative Massezahl von ungefähr vier beim normalen Helium.

  • \(\beta^{-}\)-Zerfall
    Bei radioaktiven Zerfällen wurden schnelle Elektronen beobachtet, die wegen ihrer hohen kinetischen Energie nicht aus der Hülle stammen konnten. Mit den "Kernelektronen" wäre der \(\beta^{-}\)-Zerfall verständlich.

  • Stabilität von Atomkernen
    Aufgrund der Coulomb-Abstoßung der Protonen im Kern (die starke Wechselwirkung war zu dieser Zeit noch nicht etabliert) hatte man Schwierigkeiten, die Stabilität der Kerne zu verstehen. Mit den "Kernelektronen", welche die abstoßende Wirkung der Protonen untereinander "mildern" konnten, wäre die Stabilität der Kerne eher zu verstehen gewesen. So könnte man sich den Aufbau des Heliumkerns aus zwei Protonen und zwei Elektron-Proton-Paaren, die sich in der elektrischen Ladung kompensieren, vorstellen.

Hinweis: Im Jahre 1933 konnte FERMI bei seiner Theorie des ß-Zerfalls nachweisen, dass es keine Kernelektronen gibt. Eine Abschätzung mit Hilfe der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation stützt diese Aussage. Wenn Sie an dieser Abschätzung interessiert sind, so könnne Sie sich diese einblenden lassen.

2. Deutungsversuch: Kernaufbau aus Protonen und Neutronen

Rutherford vermutete bereits 1920, dass die Kopplung eines Elektron-Proton-Paars im Kern von anderer Natur sei als z.B. die Kopplung des Hüllenelektrons mit Kernproton beim Wasserstoff. Er ging davon aus, dass die Kopplung zwischen Kernelektron und Proton so stark sei, dass man von einem einzigen neutralen Teilchen ausgehen kann, dessen Masse sehr nahe bei der Protonenmasse liegt. 1921 führte W. D. Harkins für dieses hypothetische Teilchen den Namen "Neutron" ein. Erst im Jahre 1932 konnte Chadwick die Neutronen experimentell nachweisen und damit die entsprechende Vorstellung bestätigen.

Mit dem experimentellen Nachweis des Neutrons war man sich in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts sicher, dass der Atomkern aus zwei Sorten von Kernteilchen (Nukleonen) bestehen kann, den Protonen und den Neutronen. In den folgenden Bildern ist der Aufbau einiger leichter Atome stark vereinfacht dargestellt. Das Standardmodell der Teilchenphysik zu dieser Zeit war also recht überschaubar. Es bestand aus den drei Teilchen: Elektron, Proton und Neutron.

Erst mit dem Aufkommen der großen Beschleunigungsanlagen wuchs die Zahl der "Elementarteilchen" bis zur Unübersichtlichkeit an ("Teilchenzoo"). Gell-Mann u.a. konnten 1965 durch die Einführung der Quarks Ordnung in das Teilchengestrüpp bringen. Auf ihren Ideen fußt das zurzeit anerkannte Standardmodell der Teilchenphysik.