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Grundwissen

Kernkraft

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Kernkraft basiert auf der starken Wechselwirkung
  • Die Kernkraft sorgt bei kleinen Nukleonenabständen von etwa \(0{,}5\,\rm{fm}\) bis  \(2{,}5\,\rm{fm}\) für eine Anziehung der Nukleonen und hält somit den Atomkern zusammen.
  • Die Kernkraft ist wesentlich stärker als die Gravitationswechselwirkung oder die elektromagnetische Wechselwirkung.
  • Für den Radius eines Atomkerns gilt näherungsweise \({{r_k} = 1{,}4 \cdot {10^{ - 15}}\,\rm{m} \cdot \sqrt[3]{A}}\), wo \(A\) die Nukleonenanzahl ist.
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Historische Ideen zum Aufbau des Atomkerns

  • Rutherford sprach 1911 nur davon, dass im Zentrum des Atoms eine nahezu punktförmige positive Zentralladung sitzt. Später benutzte er für diese Zentralladung den Begriff "Kern" (engl.: nucleus).
  • Im Jahre 1920 bezeichnet Rutherford den Kern des Wasserstoffatoms als "Proton".
  • Manche Physiker vermuteten, dass schwerere Atom aus Wasserstoffatomen (ein Proton im Kern, ein Elektron in der Atomhülle) aufgebaut seien. Dies hätte jedoch mit den Kenntnissen, welche man über die Masse und die Elektronenzahl von Atomen zu dieser Zeit schon hatte, zu Widersprüchen geführt.
    Deshalb vermutete Rutherford (1920) neben dem Proton einen weiteren Kernbaustein, das Neutron. Dieses Teilchen sollte etwa dieselbe Masse wie das Proton besitzen, jedoch keine elektrische Ladung tragen. Man bezeichnet die Kernbausteine Proton und Neutron auch mit dem Überbegriff Nukleon.
  • Im Jahr 1932 konnte ein Schüler Rutherfords, nämlich J. Chadwick, das Neutron nachweisen.

Die Kernkraft hält die Nukleonen zusammen

Die folgenden qualitativen Erkenntnisse über die Kernkraft gewann man im Wesentlichen aus Experimenten, bei denen Nukleonen an Nukleonen gestreut wurden. Eine einfache Formel zur mathematischen Beschreibung, wie sie etwa für die Coulombkraft oder die Gravitationskraft gefunden wurde, existiert für die Kernkraft nicht.

Bei jedem Atom mit der Ausnahme von Wasserstoff befinden sich mehrere Protonen im Kern. Nun wissen wir, dass sich Protonen aufgrund der wirkenden Coulombkraft gegenseitig abstoßen und zwar um so stärker, je geringer ihr Abstand ist. Bei dem kleinen Kerndurchmesser ist also diese Abstoßungskraft zwischen den Protonen beträchtlich. Damit ein Kern stabil ist, die Protonen also zusammenhalten, muss es neben der abstoßenden Coulombkraft noch eine weitere, anziehende Kraft geben, die den Zusammenhalt der Protonen gewährleistet. Man nennt diese Kraft die Kernkraft (auch die Abweichung der Streuverteilung energiereicher α-Teilchen von der durch die reine Coulomb-Wechselwirkung vorhergesagten Streuverteilung deutet schon auf das Wirken einer Kraft zwischen den Kernbausteinen hin, wenn sich diese nur nahe genug kommen). Inzwischen weiß man, dass die Kernkraft eine Restwechselwirkung der starken Wechselwirkung zwischen den Quarks im Atomkern ist. Obwohl sowohl Proton als auch Neutron immer die Farbladung null/weiß haben, gibt es zwischen ihnen noch Wechselwirkungen, die gerade die Kernkraft ist.

Eigenschaften der Kernkraft

Im Folgenden sind einige Eigenschaften der Kernkraft, welche zwischen den Nukleonen wirkt, zusammengestellt. Die genaueren Kenntnisse über die Kernkraft gewann man im wesentlichen aus Experimenten, bei denen Nukleonen an Nukleonen gestreut wurden:

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Abb. 1 Kern- und COULOMB-Potential
  • Die anziehende Wirkung der Kernkraft zwischen den Nukleonen setzt erst ab einem Abstand der Nukleonenmittelpunkte ein, der kleiner als ca. \(2{,}5\,\rm{fm}\) ist. Ab diesem Wert ist anziehende Kernkraft stärker als die elektrische Abstoßung durch die COULOMB-Kraft.
    Hinweis: \(1\,\rm{fm}=10^{-15}\,\rm{m}\) (Femtometer)
  • Kommen sich die Nukleonenmittelpunkte näher als etwa \(0{,}5\,\rm{fm}\), so wirkt die Kernkraft stark abstoßend, wie ein harter Kern. Dies verhindert den Kollaps der Kerne.

Die beiden obigen Aussagen kann man auch durch den in Abb. 1 skizzierten Verlauf der Kraft zwischen zwei Nukleonen in Abhängigkeit vom Abstand \(r\) ihrer Mittelpunkte darstellen. Danach ist die anziehende Kernkraft bei ca. \(1{,}3\,\rm{fm}\) am größten und überwiegt die (nur zwischen den Protonen wirkende) abstoßende Coulombkraft deutlich.

  • Die Kernkraft ist unabhängig von der elektrischen Ladung, d.h. sie ist bei einer Neutron-Neutron-, Neutron-Proton- oder Proton-Proton-Wechselwirkung gleich. Natürlich wirkt sich bei der Proton-Proton-Wechselwirkung noch zusätzlich die Coulombabstoßung aus.
Abb. 2 Annäherung eines Protons an einen Atomkern; dargestellt werden dabei die zunächst abstoßende COULOMB-Kraft und die später anziehende Kernkraft
  • Nähert man ein Proton einem Kern, der schon Protonen enthält, so wächst aufgrund der Langreichweitigkeit der Coulombkraft die abstoßende Kraft mit der Zahl der Protonen im Kern.
    Nähert man ein Nukleon einem Kern, so ist die anziehende Wirkung aufgrund der Kurzreichweitigkeit der Kernkraft nahezu unabhängig von der Zahl der im Kern vorhandenen Nukleonen, da das einzubauende Nukleon nur die unmittelbaren Nachbarn "sieht".
  • Die Kernkraft (starke Wechselwirkung) ist wesentlich stärker als z.B. die Gravitationswechselwirkung oder die elektromagnetische Wechselwirkung. So ist die Kernkraft zwischen zwei Protonen im Abstand von 10-15m etwa 35mal so groß wie die elektrische Abstoßungskraft der Protonen in diesem Abstand.
  • Die Kernkräfte besitzen "Sättigungscharakter". Dies zeigt sich darin, dass die in einem Kern gebundenen Nukleonen trotz der zwischen ihnen wirkenden anziehenden Kräfte sich nicht auf ein immer kleineres Volumen zusammenziehen. Vielmehr ist in allen Kernen das Volumen pro Nukleon nahezu konstant.
    Dies bedeutet, dass das Volumen des Gesamtkerns \(V_{\rm{k}}\) proportional zur Nukleonenzahl \(A\) ist. Somit ergibt sich er folgende Zusammenhang zwischen dem Kernradius \(r_{\rm{k}}\) und der Nukleonenzahl \(A\): \[{V_k} \sim A \Rightarrow \frac{4}{3}{r_k}^3 \cdot \pi  \sim A \Rightarrow {r_k} \sim \sqrt[3]{A}\] Mit den experimentellen Befunden über die Kernradien lässt sich dann die folgende Näherungsformel für die Kernradien aufstellen: \[{{r_k} = 1{,}4 \cdot {10^{ - 15}}\,\rm{m} \cdot \sqrt[3]{A}}\]
  • Ein Folge der Kurzreichweitigkeit der Kernkraft und der Langreichweitigkeit der Coulombkraft ist der Aufbau von größeren, stabilen Kernen, wie er in der Nuklidtafel in Abb. 3 dargestellt ist. Die stabilen Kerne sind hier als schwarze Punkte eingetragen. Man sieht, dass die größeren stabilen Kerne unterhalb der Winkelhalbierenden liegen, bei ihnen überwiegt also die Neutronenzahl \(N\) die Protonenzahl \(Z\).

    Abb. 3 N-Z-Nuklidkarte stabiler Kerne

    Die Erklärung dieses Phänomens ist die lange Reichweite der Coulombkraft: In größeren Kernen sitzen schon so viele Protonen, dass ein neu einzubauendes Proton die abstoßende Kraft von allen diesen Kernprotonen "spürt". Überwiegt diese Coumlombkraft die anziehende Kernkraft der unmittelbaren Nachbarn, so kann das Proton nicht stabil in den Kern integriert werden.

Moderne Erkenntnisse

Nach neueren Erkenntnissen der Elementarteilchenphysik sind Neutron und Proton keine strukturlosen Teilchen und somit nicht elementar. Sie setzen sich vielmehr aus noch kleineren Teilchen, den sogenannten Quarks zusammen. Die Kernkraft wird dann im Gefolge der Wechselwirkungskräfte zwischen den Quarks erklärt.

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