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Aufgabe

Zerstörung von Krebszellen (Abitur BY 2008 LK A4-1)

Schwierigkeitsgrad: mittelschwere Aufgabe

Zur Bekämpfung bestimmter Krebsarten ist kurzreichweitige α-Strahlung besonders gut geeignet. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Wismut-Isotop \({}^{213}{\rm{Bi}}\), das an bestimmte Antikörper angehängt wird, die es dann gezielt zu den Krebszellen transportieren.

\({}^{213}{\rm{Bi}}\) lässt sich - wie oben skizziert - aus dem Zerfall des Actinium-Isotops \({}^{225}{\rm{Ac}}\) (Halbwertszeit \({T_{1/2,{\rm{Ac}}}} = 10\,{\rm{d}}\)) gewinnen. \({}^{225}{\rm{Ac}}\) wiederum wird durch Beschuss von \({}^{226}{\rm{Ra}}\) mit energiereichen Protonen aus einem Zyklotron erzeugt.

a)Beschreiben Sie die Funktionsweise eines Zyklotrons an Hand einer Skizze und erklären Sie, wie es möglich ist, zur Beschleunigung der Teilchen eine Wechselspannung konstanter Frequenz zu verwenden. (7 BE)

b)Stellen Sie die Kernreaktionsgleichung zur Erzeugung von \({}^{225}{\rm{Ac}}\) aus \({}^{226}{\rm{Ra}}\) auf. Geben Sie für den Ausgangskern und das Reaktionsprodukt jeweils an, welchen Zerfallsreihen sie angehören und nennen Sie Gründe dafür, warum \({}^{226}{\rm{Ra}}\) in der Natur vorkommt, \({}^{225}{\rm{Ac}}\) jedoch nicht. (7 BE)

c)Berechnen Sie, wie lange man ein \({}^{226}{\rm{Ra}}\)-Target mit Protonen bestrahlen muss, um eine \({}^{225}{\rm{Ac}}\)-Aktivität von \({{\rm{5}}{\rm{,0}} \cdot {\rm{1}}{{\rm{0}}^9}{\rm{Bq}}}\) zu erzeugen, wenn die Stromstärke des Protonenstrahls \(100\mu {\rm{A}}\) beträgt und nur \(1,2\% \) der Protonen zur gewünschten Kernreaktion führen. (5 BE)

Das Nuklid \({}^{213}{\rm{Bi}}\) zerfällt fast ausnahmslos mit der Halbwertszeit \({T_{1/2,{\rm{Bi}}}} = 46\,{\rm{min}}\) über β-Zerfall in das α-strahlende Isotop \({}^{213}{\rm{Po}}\), das seinerseits mit der Halbwertszeit \({T_{1/2,{\rm{Po}}}} = 4{,}2\,{\rm{ms}}\) zerfällt. Die α-Teilchen haben die kinetische Energie \({E_{\rm{\alpha }}} = 8{,}38\,{\rm{MeV}}\).

d)Die Krebszellen, in die das \({}^{213}{\rm{Bi}}\) durch die Antikörper transportiert wird, haben einen Durchmesser von etwa \(2 \cdot {10^{ - 4}}\,{\rm{m}}\). Im Körpergewebe besitzt die β-Strahlung von \({}^{213}{\rm{Bi}}\) eine Reichweite von einigen \(\rm{mm}\), ein α-Teilchen verliert etwa \(100\,{\rm{keV}}\) pro \(\mu {\rm{m}}\). Zeigen Sie, dass die infolge eines \({}^{213}{\rm{Bi}}\)-Zerfalls auftretende α- und β-Strahlung das umliegende Gewebe insgesamt relativ schwach belastet, während die Krebszelle durch die α-Strahlen stark geschädigt wird. (7 BE)

e)Berechnen Sie die Zerfallsenergie \(Q\) des vorliegenden α-Zerfalls von \({}^{213}{\rm{Po}}\) und erklären Sie qualitativ die Abweichung der kinetischen Energie \(E_{\rm{\alpha }}\) vom berechneten Wert. (6 BE)

f)Nach einer klassischen Abschätzung müsste ein α-Teilchen, das sich beim \({}^{213}{\rm{Po}}\)-Zerfall von der Kernoberfläche löst und elektrisch abgestoßen wird, eine kinetische Energie von rund \(22\,{\rm{MeV}}\) erhalten. Erklären Sie mit einer geeigneten Modellvorstellung, wieso tatsächlich wesentlich kleinere α-Energien auftreten. Begründen Sie mit diesem Modell, dass α -Strahler in der Regel eine umso größere Halbwertszeit besitzen, je kleiner die Zerfallsenergie ist. (7 BE)

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Hinweis: Bei dieser Lösung von LEIFIphysik handelt es sich nicht um den amtlichen Lösungsvorschlag des bayr. Kultusministeriums.

a)Das Zyklotron besteht aus zwei innen hohlen Duanden (D-förmige Elektroden). Zwischen den voneinander elektrisch getrennten Duanden liegt eine hochfrequente Wechselspannung. Senkrecht zu den Duanden wird die gesamte im Vakuum befindliche Anordnung von einem homogenen Magnetfeld durchsetzt. Die in der Ionenquelle erzeugten Wasserstoffionen (Protonen) werden im Zwischenraum zwischen den Duanden beschleunigt und durchwandern dann in der Zeit, in der die Spannung das elektrische Feld zwischen den Duanden umpolt mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag auf Halbkreisbahnen (Bedingt durch das Magnetfeld) das vom elektrischen Feld freie innere des Duanden. Dann werden Sie im Zwischenraum erneut beschleunigt und durchwandern in der gleichen Zeit den zweiten Duanden auf einer größeren Halbkreisbahn. u.s.w.

Solange die Protonen noch keine wesentliche relativistische Massenzunahme haben werden zwar die Kreisbahnen größer, die Verweilzeiten im Duandeninneren für eine Halbkreisbahn bleiben aber konstant gleich der halben Periodendauer der anliegenden Beschleunigungsspannung. Zuletzt werden sie durch einen Ablenkkondensator aus dem Zyklotron heraus gelenkt.

b)Die Kernreaktionsgleichung lautet \[_{{\rm{88}}}^{{\rm{226}}}{\rm{Ra}} + _{\rm{1}}^{\rm{1}}{\rm{p}} \to _{{\rm{89}}}^{{\rm{225}}}{\rm{Ac}} + 2 \cdot _{\rm{0}}^{\rm{1}}{\rm{n}}\] \(_{}^{{\rm{226}}}{\rm{Ra}}\) gehört zur Uran - Radium - Reihe. Das Mutternuklid \(_{}^{{\rm{238}}}{\rm{U}}\) hat eine Halbwertszeit von \(4{,}5 \cdot {10^9}\) Jahren (etwa Alter der Erde) und ist deshalb noch in erheblichem Maße vorhanden. \(_{}^{{\rm{226}}}{\rm{Ra}}\) hat eine Halbwertszeit von \(1,6 \cdot {10^3}\) Jahren und kommt deshalb in uranhaltigem Gestein vor. \(_{}^{{\rm{225}}}{\rm{Ac}}\) gehört zur Neptunium-Reihe, diese ist wegen der Kurzlebigkeit (Halbwertszeit des Mutternuklids \(_{}^{{\rm{237}}}{\rm{Np}}\) ist \(2{,}1 \cdot {10^6}\) Jahren) im Vergleich zum Alter der Erde ausgestorben. Außerdem ist die Halbwertszeit von \(_{}^{{\rm{225}}}{\rm{Ac}}\) mit 10 Tagen sehr gering.

c)Berechnung der zu erzeugenden Mutterkerne von \(_{}^{{\rm{225}}}{\rm{Ac}}\): \[N = \frac{A}{\lambda } = \frac{A}{{\frac{{\ln \left( 2 \right)}}{{{T_{1/2}}}}}} = \frac{{A \cdot {T_{1/2}}}}{{\ln \left( 2 \right)}} \Rightarrow N = \frac{{10 \cdot 24 \cdot 3600\,{\rm{s}} \cdot 5{,}0 \cdot {{10}^9}\frac{{\rm{1}}}{{\rm{s}}}}}{{\ln \left( 2 \right)}} = 6{,}2 \cdot {10^{15}}\] Die Anzahl der erzeugten Mutterkerne ergibt sich aus dem Wirkungsgrad und der im Zeitintervall eingetroffenen Protonen \[N = 0{,}12 \cdot \frac{{I \cdot \Delta t}}{e} \Leftrightarrow \Delta t = \frac{{N \cdot e}}{{0{,}012 \cdot I}} \Rightarrow \Delta t = \frac{{6{,}2 \cdot {{10}^{15}} \cdot 1{,}6 \cdot {{10}^{ - 19}}{\rm{As}}}}{{0{,}012 \cdot 100 \cdot {{10}^{ - 6}}{\rm{A}}}} = 827\,{\rm{s}} \approx 14\,{\rm{min}}\]

d)Reichweite \(s\) der α -Teilchen von \(_{}^{{\rm{213}}}{\rm{Po}}\): \[s = \frac{{8{,}38 \cdot {{10}^6}{\rm{eV}}}}{{1{,}0 \cdot {{10}^5}\frac{{{\rm{eV}}}}{{{\rm{\mu m}}}}}} = 84\,{\rm{\mu m}}\] Die Reichweite der α -Teilchen ist geringer als die Hälfte des Durchmessers einer Krebszelle, geben ihre hohe Energie also vorwiegend im Inneren der Krebszelle ab, schädigen also trotz ihres hohen Bewertungsfaktors \(q = 20\) die Umgebung kaum. Die β -Strahlung schädigt zwar das umliegende Gewebe, wegen seiner geringen Energie (\(1{,}1\,{\rm{MeV}}\) aus Formelsammlung) und des geringen Bewertungsfaktors \(q = 1\) ist die Schädigung aber relativ schwach.

e)Berechnung des \(Q\)-Wertes:
\[\begin{eqnarray}Q &=& \Delta m \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_{84}^{213}{\rm{Po}}} \right) - \left( {{m_{\rm{A}}}\left( {_{82}^{209}Pb} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_{84}^{213}{\rm{Po}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_{82}^{209}Pb} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ &=& \left[ {212{,}995201{\rm{u}} - 208{,}981090{\rm{u}} - 4{,}002603{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}011508 \cdot u \cdot {c^2}\\ &=& 0{,}011508 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ &=& 10{,}72\,{\rm{MeV}}\end{eqnarray}\] Der Tochterkern \(_{}^{{\rm{208}}}{\rm{Pb}}\) nimmt Rückstoßenergie mit, diese beträgt \[{E_{{\text{Rückst}}}} = \frac{4}{{213}} \cdot 10{,}72\,{\rm{MeV}} = 0{,}20\,{\rm{MeV}}\] also genau den Differenzbetrag.

f)Grund ist der sogenannte Tunneleffekt. Aufgrund der von Null verschiedenen Aufenthaltswahrscheinlichkeit auch außerhalb der Potentialbarriere kann ein Alphateilchen bereits bei geringeren als den \(22\,{\rm{MeV}}\) außerhalb des Bereichs gelangen, an dem die abziehenden Kernkräfte gegenüber abstoßenden Coulombkräfte dominieren, z.B. bei \(8{,}54\,{\rm{MeV}}\) die es dann mitträgt. Je niedriger die Energie des Alphateilchens, desto "weiter unten" im Potentialtopf befindet sich das Alphateilchen und desto dicker ist die Potentialbarriere. Die Wahrscheinlichkeit die Barriere zu durchdringen ist dort geringer, was sich in einer längeren Halbwertszeit ausdrückt.

Hinweis: Die hier angegebenen Atommassen wurden der AME2016 des AMDC-Atomic Mass Data Center entnommen.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Kern-/Teilchenphysik

Anwendungen der Kernphysik