Direkt zum Inhalt

Aufgabe

Protonen und Pionen in der Medizin (Abitur BY 2012 Ph11-1 A1)

Schwierigkeitsgrad: mittelschwere Aufgabe

In darauf spezialisierten Instituten werden Tumore mit geladenen Teilchen, sogenannten Pionen, bestrahlt. Zu deren Erzeugung benötigt man Protonen hoher Energie. Ruhende Protonen werden daher zunächst beschleunigt und anschließend in einen Speicherring eingeleitet.

Gehe im Weiteren vereinfachend davon aus, dass die im Speicherring gesammelten Protonen mit der Geschwindigkeit \(v = 0{,}79\cdot c\) durch den Einsatz geeigneter Ablenkmagnete auf einer Kreisbahn mit Radius \(r = 8{,}8\,\rm{m}\) gehalten werden.

a)Zeichne einen Ausschnitt der Protonen-Kreisbahn mit Kennzeichnung der magnetischen Feldlinienrichtung.

Trage außerdem in einem Punkt der Kreisbahn für ein Proton die Richtung des Geschwindigkeitsvektors sowie die der Lorentzkraft ein. (4 BE)

b)Berechne die Umlaufdauer eines Protons im Speicherring.

Berechne die Anzahl seiner Umläufe innerhalb einer Sekunde. (4 BE)

c)Zeige, dass ein solches Proton die Masse \(1{,}6 \cdot m_0\) (\(m_0\): Ruhemasse des Protons) eine kinetische Energie von mehr als \(0{,}5\,\rm{GeV}\) besitzt. (5 BE)

d)Berechne den Betrag der magnetischen Flussdichte im Speicherring. (4 BE)

Mittels der Protonen aus dem Speicherring werden Pionen erzeugt, die allerdings sehr rasch zerfallen. Im Weiteren werden Pionen betrachtet, die sich näherungsweise mit Lichtgeschwindigkeit durch einen \(8,0\rm{m}\) langen Kanal auf den Patienten zubewegen.

e)Ermittle mit Hilfe des nebenstehenden Zerfallsdiagramms, wie viel Prozent der ursprünglichen Pionen man bei Vernachlässigung relativistischer Effekte am Ende des Kanals erwarten würde. (3 BE)

f)Erkläre, warum in Wirklichkeit viel mehr Pionen am Ende des Kanals ankommen, als der in Teilaufgabe e) ermittelte Prozentsatz angibt. (5 BE)

Lösung einblendenLösung verstecken Lösung einblendenLösung verstecken

Hinweis: Bei dieser Lösung von LEIFIphysik handelt es sich nicht um den amtlichen Lösungsvorschlag des bayr. Kultusministeriums.

a)Die LORENTZ-Kraft muss zur Mitte der Kreisbahn gerichtet sein, da sie als Zentripetalkraft wirkt. Damit dies erfüllt ist, müssen die Geschwindigkeitsrichtung und die Magnetfeldrichtung so wie in der Zeichnung orientiert sein.

Drei-Finger-Regel der rechten Hand: Daumen: Richtung des Geschwindigkeitsvektors; Zeigefinger: Richtung des Magnetfeldes; Mittelfinger: Richtung der Lorentzkraft

b)Für die Umlaufdauer gilt\[T = \frac{{2 \cdot \pi  \cdot r}}{v} \Rightarrow T = \frac{{2 \cdot \pi \cdot 8{,}8\,{\rm{m}}}}{{0{,}79 \cdot 3{,}0 \cdot {{10}^8}\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}}}} = 2{,}3 \cdot {10^{ - 7}}\,{\rm{s}}\]Für die Zahl der Umläufe pro Sekunde (= Betrag der Frequenz) gilt\[f = \frac{1}{T} \Rightarrow f = \frac{1}{{{\rm{2}},{\rm{3}} \cdot {\rm{1}}{{\rm{0}}^{ - 7}}{\rm{s}}}} = 4{,}3 \cdot {10^6}\,{\rm{Hz}}\]In der Sekunde finden ca. \(4{,}3 \cdot {10^6}\) Umläufe statt.

c)Zusammenhang zwischen geschwindigkeitsabhängiger Masse \(m\) und Ruhemasse \(m_0\):\[m = \frac{{{m_0}}}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} \Leftrightarrow \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} = \frac{m}{{{m_0}}}\] \[\Rightarrow \frac{m}{{{m_0}}} = \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} = \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{{0,79c}}{c}} \right)}^2}} }} = \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {0,79} \right)}^2}} }} = 1{,}6\]Für den Zusammenhang zwischen Gesamtenergie \(E\), Ruheenergie \(E_0\) und kinetischer Energie \(E_{kin}\) gilt\[E = {E_0} + {E_{{\rm{kin}}}} \Leftrightarrow {E_{{\rm{kin}}}} = E - {E_0} \Rightarrow {E_{{\rm{kin}}}} = \frac{{{m_0} \cdot {c^2}}}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} - {m_0} \cdot {c^2} = {m_0} \cdot {c^2} \cdot \left( {\frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} - 1} \right)\]Hieraus ergibt sich mit den obigen Ergebnissen\[{E_{{\rm{kin}}}} = {m_0} \cdot {c^2} \cdot \left( {1{,}6 - 1} \right) = {m_0} \cdot {c^2} \cdot 0{,}6\]Einsetzen der gegebenen Werte liefert\[{E_{{\rm{kin}}}} = 0{,}938 \cdot 0{,}6\,{\rm{GeV}} \approx 0{,}563\,{\rm{GeV}} > 0{,}5{\rm{GeV}}\]

d)Die LORENTZ-Kraft wirkt hier als Zentripetalkraft; daraus ergibt sich mit den Ergebnissen aus Aufgabenteil c)\[{F_{\rm{L}}} = {F_{{\rm{Zp}}}} \Leftrightarrow e \cdot v \cdot B = \frac{{m \cdot {v^2}}}{r} \Leftrightarrow B = \frac{{1{,}6 \cdot {m_0} \cdot v}}{{r \cdot e}} = \frac{{1{,}6 \cdot v}}{{r \cdot \frac{e}{{{m_0}}}}}\]Einsetzen der gegebenen Werte liefert\[B = \frac{{1{,}6 \cdot 0{,}79 \cdot 3{,}0 \cdot {{10}^8}\,{\rm{Vs}}}}{{8{,}8 \cdot 9{,}58 \cdot {{10}^7}\,{{\rm{m}}^{\rm{2}}}}} = 0{,}45\,{\rm{T}}\]

e)Die Pionen legen eine Strecke von \(s = 8{,}0\,{\rm{m}}\) mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zurück. Ohne die Berücksichtigung relativistischer Effekte brauchen sie hierfür die Zeit \(\Delta {\rm{t}}\).\[\Delta t = \frac{s}{c} \Rightarrow \Delta t = \frac{{8{,}0\,{\rm{m}}}}{{3{,}0 \cdot {{10}^8}\,\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}}}} = 27\,{\rm{ns}}\]Aus dem nebenstehenden Diagramm ersieht man, dass - ohne die Berücksichtigung relativistischer Effekte - nur ca. 50% der Pionen beim Patienten ankommen.

f)In der Relativitätstheorie kennt man die Erscheinung der Zeitdilatation, die etwas abstrakt ausgedrückt besagt: "Eine bewegte Uhr geht langsamer als ein Satz relativ zueinander ruhender, synchronisierter Uhren, an denen die bewegte Uhr vorbeikommt."

Auf die Pionen übertragen bedeutet dies: Die im Labor gemessene Halbwertszeit für die Pionen von ca. \(27\,{\rm{ns}}\) gilt für schnell bewegte Pionen nicht. Die "innere Uhr" der Pionen geht langsamer, daher kommt beim Patienten ein deutlich höherer Prozentsatz als der in Teilaufgabe e) berechnete an.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Kern-/Teilchenphysik

Anwendungen der Kernphysik