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Geschichte

Kraftwerke und Verbundnetz

Mit der Erfindung des selbsterregenden Generators durch Werner von Siemens stand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine leistungsfähige elektrische Quelle zur Verfügung. Um einen größeren Generator betreiben zu können setzte man Dampfmaschinen oder auch wassergetriebene Turbinen ein. Erst mit dieser Quelle war eine sinnvolle Versorgung von Haushalten und Betrieben mit elektrischer Energie möglich.

Mit der Perfektionierung der Glühlampe durch Edison bestand in den Großstädten ein immer größer werdender Bedarf an Energie für die elektrische Beleuchtung, der durch die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (Kraftwerke) gedeckt werden musste. Werner von Siemens erkannte aber sehr früh, dass mit der Elektrizitätsversorgung und dem damit möglichen Betrieb von Elektromotoren die Arbeitsabläufe in kleinen Betrieben, die sich bisher keine Dampfmaschine leisten konnten, revolutioniert werden. Er schreibt in einem Brief:

"Man hat . . . sein Hauptaugenmerk über auf das elektrische Licht geworfen, da die Einführung der elektrischen Beleuchtung überall als ein Bedürfnis empfunden wird. Es ist jedoch den Elektrotechnikern wohl bekannt, dass die elektrische Beleuchtung nur den Übergang zu der sozial viel bedeutenderen elektrischen Kraftübertragung bildet. Durch die elektrische Kraftübertragung kann der städtischen Bevölkerung billige Arbeitskraft auf mühelosem Wege zugeführt werden. Dadurch wird die kleine Werkstatt, der einzelne in seiner Wohnung arbeitende Arbeiter, in die Lage gebracht, seine persönliche Arbeitskraft besser zu verwerten und mit den Fabriken, welche die benötigte Arbeitskraft durch Dampf- oder Gasmaschinen billig herstellen, zu konkurrieren. Es wird dieser Umstand mit der Zeit einen vollständigen Umschwung unserer Arbeitsverhältnisse zugunsten der Kleinindustrie hervorbringen. Dazu kommt, dass die Leichtigkeit der Krafterzeugung an der gewünschten Stelle unzählige Einrichtungen in den Häusern und auf den Straßen hervorrufen wird, welche zur Annehmlichkeit und Erleichterung des Lebens dienen - wie Ventilatoren, Aufzüge, Straßenbahnen usw. - Die Elektrizität hat ferner noch andere nützliche Verwendungen im gewerblichen Leben durch die elektrochemischen Wirkungen des elektrischen Stromes. Man kann durch dieselben die Elektrizität zu beliebiger Verwendung aufspeichern (d. h. Akkumulatoren laden), kann damit vergolden, versilbern, Galvanoplastik ausführen usw. Es wird einiger Zeit bedürfen, bis das Publikum sich an diese Benutzung der Elektrizität gewöhnt, es wird aber sicher eintreten. Dadurch wird dann eine elektrische Stromverteilungsanlage auch bei Tage Benutzung finden, während bei einer nur zu elektrischer Beleuchtung dienenden Anlage nur für wenige Abendstunden volle Verwendung vorhanden ist. Dies wird die Rentabilität der Anlagen wesentlich erhöhen. Gegenwärtig schwanken viele Städte noch, ob sie eine Gleichstrom- oder eine Wechselstromanlage erbauen sollen. So legt meine Firma im Haag gegenwärtig eine Gleichstromanlage an, während in Amsterdam eine Wechselstromanlage in Ausführung ist. Wechselstromanlagen sind aber für die Kraftübertragung nicht oder doch nur sehr unvollkommen geeignet, sie bilden daher ein Hindernis für künftige Entwicklung des städtischen sozialen Lebens.» (Hinweis: Hier irrte Siemens)

Erstes Kraftwerk in Berlin (1884); Die Dampfmaschinen (rechts) treiben die Edison-Dynamos (Mitte)

Um die Art und Weise, wie die elektrische Energie vom Kraftwerk zum Verbraucher gebracht werden soll, entspann sich ein harter Kampf, der insbesondere in Amerika mit großer Heftigkeit ausgetragen wurde ("Stromkrieg"). Edison favorisierte die Energieübertragung mit Gleichstrom, während Westinghouse und Tesla von den Vorteilen des Wechselstroms überzeugt waren.

Schließlich setzte sich die Übertragung elektrischer Energie mit Wechselstrom durch, da hierbei die Verluste auf langen Leitungsstrecken durch das einfache Transformieren auf hohe Spannungen klein gehalten werden können. Wenn die Leitungsverluste klein gehalten werden können, ist es möglich die Kraftwerke außerhalb der Städte aufzubauen.

Die nebenstehende Abbildung zeigt (sehr grob, da genaue Daten nicht zur Verfügung stehen) die installierte Kraftwerksleistung im Zeitraum zwischen 1895 und 1913. Dabei sind nur Kraftwerkszentralen dokumentiert.

Man kann den rasanten Aufschwung der Elektrizitätswirtschaft in diesen Jahren an der installierten Gesamtleistung gut erkennen.

Werke mit gemischten bzw. unbekanntem System sind solche, die sowohl Gleichspannungs- als auch Wechselspannungsgeneratoren (bzw. Drehstromgeneratoren) betreiben bzw. deren Generatortyp nicht mehr bekannt ist.

Die Grafik zeigt auch gut, wie ab ca. 1910 die Bedeutung der Gleichstromwerke zurückgegangen ist. Zum Vergleich: Im Jahre 2004 war die installierte Kraftwerksleistung in der BRD ca. 122 GW.

Die Anschlusswerte elektrischer "Verbraucher" gibt die Summe der Leistungen der in Deutschland vorhandenen Geräte an, die mit elektrischer Energie betrieben werden.

Man sieht aus der Grafik, dass anfänglich die Versorgung für die elektrische Beleuchtung im Vordergrund stand.

Ab 1908 braucht man für den Betrieb der Elektromotore schon mehr elektrische Energie als zum Betrieb der elektrischen Beleuchtung (vgl. Brief von Siemens weiter oben auf dieser Seite).

Ab 1909 beginnt die Elektrifizierung der Bahnen und auch im Haushalt wird elektrische Energie nicht mehr nur zur Beleuchtung eingesetzt.