Aus den quantitativen Versuchen zu Induktionsvorgängen konntest du Folgendes herausarbeiten:
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Bei der Änderung \(\frac{{dB}}{{dt}}\) der magnetische Flussdichte berechnet sich die Induktionsspannung durch \({U_{\rm{i}}} = - \frac{{dB}}{{dt}} \cdot A \cdot \cos\left(\varphi\right)\).
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Bei der Änderung \(\frac{{dA}}{{dt}}\) des Flächeninhalts berechnet sich die Induktionsspannung durch \({U_{\rm{i}}} = - B \cdot \frac{{dA}}{{dt}} \cdot \cos\left(\varphi\right)\).
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Bei der Änderung \(\frac{{d \varphi}}{{dt}}\) der Winkelweite berechnet sich die Induktionsspannung durch \({U_{\rm{i}}} = A \cdot B \cdot \frac{{d \varphi}}{{dt}} \cdot \sin\left(\varphi\right)\).
Die bisherigen Beobachtungen zu Induktionsvorgängen sehen mit den drei verschiedenen Änderungsmöglichkeiten recht unübersichtlich aus. Es wird uns aber gelingen, alle drei Situationen auf die Änderung einer einzigen physikalischen Größe zurückzuführen. Damit werden wir auch die drei Gleichungen zu einer einzigen Gleichung zusammenfassen können. Sei gespannt!
Magnetischer Fluss
Im Laufe der jahrhundertelangen Untersuchung von Induktionsvorgänge seit FARADAY hat sich gezeigt, dass die Definition der neuen physikalischen Größe "Magnetischer Fluss" der Schlüssel zur Beschreibung von Induktionsvorgängen ist.
Magnetischer Fluss
Der magnetische Fluss \(\Phi\) ist salopp gesagt das Maß für die "Menge an Magnetfeld, dass in einer Induktionsanordnung durch die Leiterschleife fließt".
Der magnetische Fluss \(\Phi\) ist definiert als das Produkt aus der magnetischen Flussdichte \(B\) des homogenen magnetischen Feldes, in dem sich Teile oder die ganze Leiterschleife befindet, dem Flächeninhalt \(A\) der (Teil-)Fläche der Leiterschleife, die sich im magnetischen Feld befindet und dem Kosinus der Weite \(\varphi\) des Winkels zwischen dem Feldvektor \(\vec B\) und dem Flächenvektor \(\vec A\):\[\Phi = B \cdot A \cdot \cos\left(\varphi\right) \quad (1)\]Mit Kenntnissen des sogenannten Skalarprodukts aus der Analytischen Geometrie kann man auch einfacher schreiben\[\Phi = \vec B \cdot \vec A \quad (1^*)\]
Größe | ||
Name | Symbol | Definition |
magnetischer Fluss | \(\Phi\) | \(\Phi := B \cdot A \cdot \cos\left(\varphi\right)\) |
Einheit | ||
Name | Symbol | Definition |
Weber | \(\rm{Wb}\) | \(1\,\rm{Wb}:=1\,\rm{T}\,\rm{m}^2=1\,\rm{V}\,\rm{s}\) |
Zu Ehren des deutschen Physikers Wilhelm Eduard WEBER wurde die Einheit des magnetischen Flusses nach diesem benannt.
Der magnetische Fluss \(\Phi\) ist eine skalare Größe ohne eine Richtung und kann sowohl positive als auch negative Werte annehmen.
Gleichung \((1)\) gibt eine Erklärung, was du dir unter einem magnetischen Fluss von \(1\,\rm{Wb}\) vorstellen kannst: In einer Induktionsanordnung besteht ein magnetischer Fluss von \(1\,\rm{Wb}\), wenn in einem homogenen magnetischen Feld der Flussdichte \(1\,\rm{T}\) eine Leiterschleife mit \(1\,\rm{m}^2\) Flächeninhalt senkrecht zum magnetischen Feldstärkevektor steht.
Will man in Kurzschreibweise ausdrücken, dass die Einheit des magnetischen Flusse \(1\,\rm{Wb}\) ist, so kann man schreiben \([\Phi] = 1\,\rm{Wb}\).
Induktionsgesetz
Du weißt auch, wann in Induktionsanordnungen eine Induktionsspannung gemessen werden kann:
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wenn sich die magnetische Flussdichte \(B\) des homogenen magnetischen Feldes, in dem sich Teile oder die ganze Leiterschleife befindet, ändert
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wenn sich der Flächeninhalt \(A\) der (Teil-)Fläche der Leiterschleife, die sich im magnetischen Feld befindet, ändert
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wenn sich die Weite \(\varphi\) des Winkels zwischen Feldvektor \(\vec B\) und Flächenvektor \(\vec A\) ändert.
Alle Versuche zur Induktion zeigen nun, dass der Induktion folgende Gesetzmäßigkeit zu Grunde liegt.
Induktionsgesetz
In einer Induktionsanordung kann man am Spannungsmesser in der Induktionsspule immer dann eine Induktionsspannung \(U_{\rm{i}}\) beobachten, wenn sich der magnetische Fluss \(\Phi\) durch die Leiterschleife ändert.
Bleibt der magnetische Fluss \(\Phi\) durch die Leiterschleife dagegen konstant, so ist keine Induktionsspannung beobachtbar.
Der Wert der Induktionsspannung berechnet sich durch\[{U_{\rm{i}}} = - \frac{{d\Phi }}{{dt}} \quad(2)\]Besteht die Leiterschleife aus einer Spule mit \(N\) Windungen, dann gilt für die Induktionsspannung\[{U_{\rm{i}}} = - N \cdot \frac{d\Phi }{dt} \quad(3)\]In Aufgaben hat man häufig den Sonderfall, dass
- der magnetische Fluss \(\Phi\) in einer Zeitspanne \(\Delta t\) um den Wert \(\Delta \Phi\) linear ansteigt oder abfällt
Dann ist die Induktionsspannung \(U_{\rm{i}}\) konstant und sie berechnet sich durch\[U_{\rm{i}} = - N \cdot \frac{\Delta \Phi}{\Delta t} \quad (3^*)\]
Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, dass in dieser einfachen Gleichung \((2)\) alle bisherigen Versuchsergebnisse enthalten sind. Wenn wir aber in Gleichung \((2)\) die Definition \((1)\) einsetzen und dann Produkt- und Kettenregel aus der Analysis anwenden, erhalten wir ein verblüffendes Ergebnis:\[\begin{eqnarray}{U_{\rm{i}}} &=& - \frac{{d\Phi }}{{dt}}\\ &=& - \frac{d}{{dt}}\left( {B \cdot A \cdot \cos \left( \varphi \right)} \right)\\ &=& - \frac{d}{{dt}}\left( {\underbrace {\left( {B \cdot A} \right)}_{{\rm{1}}.\;{\rm{Faktor}}} \cdot \underbrace {\cos \left( \varphi \right)}_{{\rm{2}}.\;{\rm{Faktor}}}} \right)\\&{\underbrace = _{{\rm{Produktregel}}}}& - \left[ {\frac{d}{{dt}}\left( {B \cdot A} \right) \cdot \cos \left( \varphi \right) + \left( {B \cdot A} \right) \cdot \frac{d}{{dt}}\left( {\cos \left( \varphi \right)} \right)} \right]\\&{\underbrace = _{{\rm{Produktregel}}}}& - \left[ {\left( {\frac{{dB}}{{dt}} \cdot A + B \cdot \frac{{dA}}{{dt}}} \right) \cdot \cos \left( \varphi \right) + B \cdot A \cdot \frac{d}{{dt}}\left( {\cos \left( \varphi \right)} \right)} \right]\\&{\underbrace = _{{\rm{Kettenregel}}}}& - \left[ {\frac{{dB}}{{dt}} \cdot A \cdot \cos \left( \varphi \right) + B \cdot \frac{{dA}}{{dt}} \cdot \cos \left( \varphi \right) + B \cdot A \cdot \left( { - \sin \left( \varphi \right)} \cdot \frac{d\varphi}{dt} \right) } \right]\\ &=& \underbrace {- \frac{{dB}}{{dt}} \cdot A \cdot \cos \left( \varphi \right)}_{\scriptstyle{\rm{Induktion}}\;{\rm{durch}}\atop{\scriptstyle{\rm{Änderung}}\;{\rm{der}}\atop\scriptstyle{\rm{magnetischen}}\;{\rm{Flussdichte}}}}\;\;\underbrace {- B \cdot \frac{{dA}}{{dt}} \cdot \cos \left( \varphi \right)}_{\scriptstyle{\rm{Induktion}}\;{\rm{durch}}\atop{\scriptstyle{\rm{Änderung}}\;{\rm{des}}\atop\scriptstyle{\rm{Flächeninhalts}}}}\;\;\underbrace {+ B \cdot A \cdot \frac{{d\varphi }}{{dt}} \cdot \sin \left( \varphi \right)}_{\scriptstyle{\rm{Induktion}}\;{\rm{durch}}\atop{\scriptstyle{\rm{Änderung}}\;{\rm{der}}\atop\scriptstyle{\rm{Winkelweite}}}}\end{eqnarray}\]
Spannungsstoß
Durch Umformung des oben dargestellten Induktionsgesetzes erhält man\[{U_{\rm{i}} = - N \cdot \frac{{\Delta \Phi }}{{\Delta t}} \Leftrightarrow \underbrace {U_{\rm{i}} \cdot \Delta t}_{{\rm{Spannungsstoß}}} = \underbrace { - N \cdot \Delta \Phi }_{{\rm{Flussänderung}}}}\]Die letzte Beziehung gilt nur beim Auftreten einer konstanten Induktionsspannung (d.h. bei zeitlich linearer Flussänderung). Etwas allgemeiner lässt sich unter der Verwendung der Integralrechnung schreiben\[\int_{{t_1}}^{{t_2}} {{U_{\rm{i}}}\,dt = - N \cdot \Delta \Phi }\]Dies bezeichnet man oft als das Induktionsgesetz in integraler Form. Bei konstanter Induktionsspannung bezeichnet man das Produkt \({U_{\rm{i}} \cdot \Delta t}\), bei nicht konstanter Spannung das Integral \(\int_{{t_1}}^{{t_2}} {{U_{\rm{i}}}\,dt}\) als Spannungsstoß.