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Aufgabe

TSS-1R - Mission

Schwierigkeitsgrad: schwere Aufgabe

Abb. 1 Die Crew der Mission mit dem Fesselsatelliten TSS im Hintergrund.

Am 2. Februar 1996 scheiterte zum zweiten Mal der Versuch der NASA (das Experiment lief unter der Bezeichnung TSS-1R), einen Forschungssatelliten während des Fluges der Raumfähre Columbia an einem \(20{,}7\,\rm{km}\) langen elektrisch leitfähigen Seil auszusetzen, da dieses in der Endphase des Manövers plötzlich riss. Dabei sollte unter anderem erprobt werden, ob ein durch ein Kabel mit einem Raumfahrzeug verbundener Satellit im Erdmagnetfeld zur Stromerzeugung verwendet werden könne. Der Stromkreis soll dabei durch die leitenden Ionosphärenschichten der oberen Erdatmosphäre geschlossen werden. Die vom Satelliten eingesammelten Elektronen fließen durch das Seil zum Orbiter, wo sie von einer Elektronenkanone wieder in die Ionosphäre zurückgegeben werden. Weitere Informationen zum Flug und der Mission findest du bei Wikipedia.

Zur Lösung der weiteren Teilaufgaben sind folgende Angaben zu verwenden: Erdmasse: \(5{,}97 \cdot 10^{24}\,\rm{kg}\); Erdradius: \(6{,}370 \cdot 10^3\,\rm{km}\); Masse von Shuttle, Satellit und Seil: \(85{,}0\,\rm{t}\); Flughöhe des Shuttles: \(300\,\rm{km}\); Erdumlaufdauer: \(1\,\rm{h}\,30\,\rm{min}\,24\,\rm{s}\); Betrag der Feldstärke des Erdmagnetfeldes in dieser Flughöhe: \(3{,}0 \cdot 10^{-5}\,\rm{T}\); Widerstand des Seilmaterials: \(2{,}319 \cdot 10^{-3}\,\frac{\Omega}{\rm{m}}\).

Nimm weiter an, dass das Seil in voller Länge auf einer geraden Linie zwischen Shuttle und Satellit gespannt ist und senkrecht zu den Feldlinien des Erdmagnetfeldes verläuft.

a)

Erstelle eine Skizze, aus der die Lage und die Bewegungsrichtung von Shuttle mit Seil und Satellit sowie die Orientierung der Feldlinien des Erdmagnetfeldes ersichtlich werden.

b)

Berechne die Spannung, die zwischen den Seilenden zu erwarten ist. [Kontrollergebnis: \(4800\,\rm{V}\)]

c)

Berechne die maximale Stärke des Stroms, der in dem Seil fließen könnte. [Kontrollergebnis: \(100\,\rm{A}\)]

d)

Berechne die elektrische Energie, die während eines Umlaufs gewonnen wird. [Kontrollergebnis: \(2{,}60 \cdot 10^{9}\,\rm{J}\)]

e)

Berechne den Betrag der Kraft, die auf das Gespann wirkt, wenn diesem “Generator“ der Maximalstrom entnommen wird.

Verdeutliche die Richtung dieser Kraft anhand der Skizze aus Aufgabenteil a).

f)

Erläutere, woher die gewonnene elektrische Energie stammt.

Berechne näherungsweise über eine Energiebetrachtung den Höhenverlust, den die Raumfähre während eines Umlaufs um die Erde erleidet.

g)

Erläutere, ob das Prinzip umgekehrt werden und die Fähre durch Einspeisen von Strom in das Kabel auf eine höhere Umlaufbahn gehoben werden kann.

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a)
Joachim Herz Stiftung unter Benutzung von Space Shuttle SVG Vector / CC0 und Satellite SVG Vector / CC0
Abb. 2 Skizze zur Bestimmung der Orientierung des Erdmagnetfelds

Wir gehen wir davon aus, dass das Shuttle - wie in Abb. 2 gezeigt - "vorwärts" fliegt. Weiter sollen sich laut Aufgabentext die (negativ geladenen!) Elektronen zum Shuttle hin bewegen, die LORENTZ-Kraft auf positive Ladungsträger muss dann vom Shuttle zum Satelliten gerichtet sein. Dann ergibt sich mit Hilfe der Drei-Finger-Regel der rechten Hand, dass das Erdmagnetfeld in die Zeichenebene hinein orientiert sein muss.

Bewegt sich das Shuttle in die entgegengestzte Richtung, muss das Erdmagnetfeld entsprechend aus der Zeichenebene heraus orientiert sein.

b)
Joachim Herz Stiftung unter Benutzung von Space Shuttle SVG Vector / CC0 und Satellite SVG Vector / CC0
Abb. 3 Skizze zur Berechnung des Betrags  der Induktionsspannung

Zur Berechnung des Betrags \(\left| U_{\rm{i}} \right|\) der Induktionsspannung nutzen wir die Formel des Sonderfalls zur Berechnung der Induktionsspannung bei Änderung des Flächeninhalts. Obwohl hier keine reale Leiterschleife vorhanden ist, können wir uns - wie in Abb. 3 dargestellt - eine Fläche denken, die sich durch die Bewegung des Seils wie eine Papierrolle abrollt und dadurch vergrößert. Es gilt\[\left| U_{\rm{i}} \right|=N \cdot B \cdot v \cdot l\]Mit \(N=1\), \(B=3{,}0 \cdot 10^{-5}\,\rm{T}\) und \(l=20{,}7\,\rm{km}=20{,}7 \cdot 10^3\,\rm{m}\) benötigen wir nur noch die Geschwindigkeit \(v\). Diese berechnen wir mit\[v = \frac{s}{t}\underbrace  = _{{\rm{hier}}}\frac{{{u_{{\rm{Kreis}}}}}}{T} = \frac{{2 \cdot \pi  \cdot r}}{T}\]Damit ergibt sich\[\left| {{U_{\rm{i}}}} \right| = N \cdot B \cdot \frac{{2 \cdot \pi  \cdot r}}{T} \cdot l\]Mit \(r=6{,}370 \cdot 10^3\,\rm{km}+300\,\rm{km}=6{,}670 \cdot 10^3\,\rm{km}=6{,}670 \cdot 10^6\,\rm{m}\) und \(T=1\,\rm{h}\,30{,}4\,\rm{min}=90{,}4\,\rm{min}=5424\,\rm{s}\). liefert das Einsetzen der gegebenen Werte\[\left| {{U_{\rm{i}}}} \right| = 1 \cdot 3{,}0 \cdot {10^{ - 5}}\,{\rm{T}} \cdot \frac{{2 \cdot \pi  \cdot 6{,}670 \cdot {{10}^6}\,{\rm{m}}}}{{5424\,{\rm{s}}}} \cdot 20{,}7 \cdot {10^3}\,{\rm{m}} = 4800\,{\rm{V}}\]

c)

Zur Berechnung der Stromstärke \(I\) benutzen wir das OHMsche Gesetz\[U=R \cdot I \Leftrightarrow I=\frac{U}{R}\]Den Widerstand \(R\) des Seils berechnen wir zu\[R=2{,}319 \cdot 10^{-3}\,\frac{\Omega}{\rm{m}} \cdot 20{,}7 \cdot 10^3\,\rm{m}=48{,}0\,\Omega\]Mit \(U=\left| {{U_{\rm{i}}}} \right|=4800\,\rm{V}\) erhalten wir schließlich\[I=\frac{4800\,\rm{V}}{48{,}0\,\Omega}=100\,\rm{A}\]

d)

Die "gewonnene" elektrische Energie lässt sich über die elektrische leistung des "Stromkreises" berechnen. Es ergibt sich\[{\Delta E_{{\rm{el}}}} = P \cdot t = U \cdot I \cdot t\underbrace  = _{{\rm{hier}}}U \cdot I \cdot T\]nach Einsetzen der gegebenen und berechneten Werte\[{\Delta E_{{\rm{el}}}} = 4800\,{\rm{V}} \cdot 100\,{\rm{A}} \cdot 5424\,{\rm{s}} = 2{,}60 \cdot {10^9}\,{\rm{J}}\]

e)
Joachim Herz Stiftung unter Benutzung von Space Shuttle SVG Vector / CC0 und Satellite SVG Vector / CC0
Abb. 4 Skizze zur Bestimmung der magnetischen Kraft

Die Kraft auf das Shuttle beruht auf der magnetischen Kraft \(\vec F_{\rm{mag}}\), die auf den Strom im Seil wirkt. Zur Berechnung des Kraftbetrags \(F_{\rm{mag}}\) benutzen wir die Formel\[{F_{{\rm{mag}}}} = I \cdot l \cdot B \cdot \sin \left( \varphi \right)\]Mit \(\varphi = 90^\circ\) und damit \(\sin \left( \varphi \right)=1\), \(I=100\,\rm{A}\), \(l=20{,}7 \cdot 10^3\,\rm{m}\) und \(B=3{,}0 \cdot 10^{-5}\,\rm{T}\) ergibt sich\[{F_{{\rm{mag}}}} = 100\,{\rm{A}} \cdot 20{,}7 \cdot {10^3}\,{\rm{m}} \cdot 3{,}0 \cdot {10^{ - 5}}\,{\rm{T}} \cdot 1 = 62{,}1\,{\rm{N}}\]Mit Hilfe der Drei-Finger-Regel der rechten Hand ergibt sich - wie in Abb. 4 gezeigt -, dass die magnetische Kraft der Bewegungsrichtung des Shuttle entgegengesetzt ist und somit das Shuttle abbremst.

Für die dabei abgegebene mechanische Energie ergibt sich mit\[{\Delta E_{{\rm{mech}}}} = F \cdot s\underbrace  = _{{\rm{hier}}}{F_{{\rm{mag}}}} \cdot {u_{{\rm{Kreis}}}} = {F_{{\rm{mag}}}} \cdot 2 \cdot \pi  \cdot r\]nach Einsetzen der gegebenen und berechneten Werte ebenfalls\[{\Delta E_{{\rm{mech}}}} = 62{,}1\,\rm{N} \cdot 2 \cdot \pi  \cdot 6{,}670 \cdot 10^6\,\rm{m} = 2{,}60 \cdot 10^9\,{\rm{J}}\]

f)

Die aufgenommene elektrische Energie \(\Delta E_{\rm{el}}\) muss der mechanischen Gesamtenergie \(E_{\rm{ges}}\), die Shuttle, Satellit und Seil auf einer stabilen Umlaufbahn um die Erde haben müssen, entnommen werden. Für diese Gesamtenergie gilt\[{E_{{\rm{ges}}}}\left( r \right) = - \frac{1}{2} \cdot G \cdot m \cdot M \cdot \frac{1}{r}\]Hat das Shuttle zu Beginn einer Erdumrundung den Abstand \(r\) vom Erdmittelpunkt, so habe es aufgrund des Energieverlustes am Ende der Erdumrundung nur noch den Abstand \(r_1\) vom Erdmittelpunkt. Damit gilt\[\begin{eqnarray}{E_{{\rm{ges}}}}\left( r \right) - \Delta E &=& {E_{{\rm{ges}}}}\left( {{r_1}} \right)\\ - \frac{1}{2} \cdot G \cdot m \cdot M \cdot \frac{1}{r} - \Delta E &=&  - \frac{1}{2} \cdot G \cdot m \cdot M \cdot \frac{1}{{{r_1}}}\\\frac{1}{r} + \frac{{2 \cdot \Delta E}}{{G \cdot m \cdot M}} &=& \frac{1}{{{r_1}}}\\\frac{{G \cdot m \cdot M + 2 \cdot \Delta E \cdot r}}{{r \cdot G \cdot m \cdot M}} &=& \frac{1}{{{r_1}}}\\\frac{{r \cdot G \cdot m \cdot M}}{{G \cdot m \cdot M + 2 \cdot \Delta E \cdot r}} &=& {r_1}\end{eqnarray}\]Einsetzen der gegebenen und berechneten Werte liefert\[{r_1} = \frac{{6{,}670 \cdot {{10}^6}\,{\rm{m}} \cdot 6{,}674 \cdot {{10}^{ - 11}}\frac{{{{\rm{m}}^3}}}{{{\rm{kg}}\,{{\rm{s}}^2}}} \cdot 85{,}0 \cdot {{10}^3}{\rm{kg}} \cdot 5{,}97 \cdot {{10}^{24}}\,{\rm{kg}}}}{{6{,}674 \cdot {{10}^{ - 11}}\frac{{{{\rm{m}}^3}}}{{{\rm{kg}}\,{{\rm{s}}^2}}} \cdot 85{,}0 \cdot {{10}^3}{\rm{kg}} \cdot 5{,}97 \cdot {{10}^{24}}\,{\rm{kg}} + 2 \cdot 2{,}60 \cdot {{10}^{12}}{\rm{J}} \cdot 6{,}670 \cdot {{10}^6}\,{\rm{m}}}} = 6{,}663 \cdot {10^6}\,{\rm{m}}\]Damit sinkt das Shuttle während einer Erdumrundung um \(\Delta h = r-r_1=6{,}670 \cdot {10^6}\,{\rm{m}} - 6{,}663 \cdot {10^6}\,{\rm{m}} = 0{,}007 \cdot {10^6}\,{\rm{m}} = 7\,{\rm{km}}\) ab.

g)

Ja, bei Stromeinspeisung wirkt die Kraft auf den stromdurchflossenen Leiter in entgegengesetzter Richtung. Das Shuttle würde also beschleunigt und dadurch auf eine höhere Umlaufbahn gebracht.

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Elektrizitätslehre

Elektromagnetische Induktion