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Ausblick

Gefahr durch Strom

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Es kommt in Deutschland jedes Jahr zu ca. 40 tödlichen Unfällen durch elektrischen Strom.
  • Die Gefahrenquellen sind vielfältig, besonders Oberleitungen an Bahnstrecken und die Verbindung von Strom und Wasser sind sehr gefährlich.
  • Der Fehlerstromschutzschalter hat die Zahl der tödlichen Unfälle stark reduziert.

Schädigende Wirkungen

Strom schädigt dabei den menschlichen Organismus auf verschiedene Arten. Fließt ein entsprechend großer Strom durch den Körper, so stört dieser die Signalleitung von Nerven und Muskeln oder macht die Signalleitung unmöglich. Dies kann zu Herzrhythmusstörungen, Herzkammerflimmern und Atemstörungen führen. Besonders gefährlich ist es, wenn der Wechselstrom durch die Brustregion fließt und damit direkt am Herzen vorbei. Weiter verursachen große Stromstärken Verbrennungen am und im Körper. Auch Nerven können durch den elektrischen Strom geschädigt werden.

Mögliche Schädigungen durch Strom

  • Herzschädigungen: Arhythmien, reversibler Herzstillstand und Herzkammerflimmern. Letzteres ist besonders gefährlich, da es bereits bei kleinen Stromstärken eintreten kann und durch die üblichen Wiederbelebungsmaßnahmen nicht beeinflusst werden kann.
  • Atemstörungen: Bestimmte Stromstärken führen zur Verkrampfung der Atemmuskulatur.
  • Verbrennungen: Große Stromstärken können lebensgefährliche Verbrennungen verursachen.
  • Nierenschäden: Als Spätfolge ist noch nach vielen Stunden ein Nierenversagen möglich.
  • Nervenschäden: Bewusstlosigkeit, Dauerschäden.
  • Muskulaturverkrampfung: Ein Verkrampfen der Muskulatur bewirkt, dass die Stromquelle nicht mehr losgelassen werden kann. Dadurch wirkt der Strom länger ein, die anderen genannten Schädigungen werden dadurch entsprechend schlimmer.
  • Schock: Ein Stromschlag kann einen Schock hervorrufen. Ein Schock kann tödlich sein.

Tödliche Stromunfälle in Deutschland

Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Tödliche Unfälle mit elektrischem Strom in Deutschland nach Jahren. Basierend auf Daten aus der Gesund­heits­bericht­erstat­tung des Bundes (https://www.gbe-bund.de/)

Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen mit elektrischem Strom. Abb. 1 zeigt die Zahl der tödlichen Unfälle mit elektrischem Strom in Deutschland in den letzten Jahren. Dabei sind jeweils etwa 1/4 der tödlichen Unfälle Arbeitsunfälle, 3/4 der Fälle Heim- und Freizeitunfälle. Erfreulicherweise wurde seit 1998 (Beginn der nachprüfbaren Daten) kein einziger tödlicher Unfall mit Strom in der Schule registriert. Im Vergleich dazu kam es seit 1998 zu 23 tödlichen Schulunfällen durch Ertrinken.

Insgesamt zeigt die Grafik, dass die Anzahl an tödlichen Unfällen insbesondere im Vergleich mit Zahlen aus 1970 bzw. 1990 einen Rückgang, während die Zahlen der Unfälle in den letzten Jahren eher konstant bis leicht zunehmend im Bereich von 34-40 Todesfällen pro Jahr ist. Der generelle Rückgang ist dabei insbesondere auf die verbesserte Schutzeinrichtung im Haushalt durch Fehlerstromschutzschalter zurückzuführen.

An Schäden durch Blitzschlag starben zwischen 1998 und 2018 64 Menschen. 

Typische Gefahrenquellen

Im Haushalt
  • Keine Elektrogeräte aus der Badewanne oder Dusche bedienen.
  • Elektrogeräte von Badewanne, Dusche, Waschbecken immer fernhalten.
  • Stecker nicht am Kabel herausziehen, Kabel nicht beschädigen.
  • Keine Geräte, die selbst oder deren Zuleitung beschädigt ist, anschließen.
  • Nicht selbst an Elektroanlagen und -geräten arbeiten.
  • Bei Kindern im Haus Steckdosen sichern.
Im Freien
  • Keine Drachen oder Luftballons in der Nähe von Hochspannungsleitungen steigen lassen.
  • Bei umgestürzten Masten oder herunterhängenden Leitungen großen Abstand halten.
Rund um Bahnanlagen
  • Die Fahrleitung führt Spannungen von \(15000\,\rm{V}\). Daher kann es schon zu einem tödlichen Lichtbogenüberschlag kommen, wenn du zu Nahe an die Leitung kommst - du musst die Leitung dazu nicht berühren.
  • Keine Drachen oder Luftballons in der Nähe von Fahrleitungen steigen lassen.
  • Nicht mit Wasser auf die Fahrleitung spritzen oder gar von Brücken auf diese pinkeln.
  • Nicht auf abgestellte Wagen klettern, bei zu geringem Abstand zur Fahrleitung kann ein Lichtbogen entstehen.
  • Bei Gärten neben Bahngleisen: Vorsicht mit Leitern und bei Baumschneidearbeiten.

Erste Hilfe bei Stromunfällen

  • Wenn möglich sofort die Stromquelle ausschalten (Sicherung, Not-Aus).
  • Ist die betroffene Person noch mit der Stromquelle verbunden, sollte diese nicht direkt angefasst werden, sonst gibt es eventuell zwei Opfer. Wenn möglich mit einem Nichtleiter als Hilfsmittel (z.B. Besen) die Person von der Quelle trennen. 
  • Danach die üblichen Erste-Hilfe-Maßnahmen einleiten.
  • Da Schäden und Auswirkungen von Stromunfällen nicht immer sofort auftreten müssen, sondern teilweise auch erst nach einiger Zeit bemerkbar werden, ist ein Arztbesuch nach einem Stromunfall unerlässlich, auch wenn es dem Opfer auf den ersten Blick gut geht! 

Bericht eines Stromunfalls

Aus dem Tagesanzeiger vom Dienstag, 2.7.2002

Vom Badezimmer in die Intensivstation

Ein 27-Jähriger greift ans Badezimmerkästchen, wird von einem Stromschlag getroffen und kommt auf die Intensivstation. Jetzt hat er den Elektriker angezeigt.

Von Lukas Häuptli

«Ich hatte den Tod vor Augen», sagt Beat Abegg (Name geändert). Der ganze Körper sei steif gewesen, alles habe gezittert, «und irgendwann bekam ich keine Luft mehr». Wie in einem Film seien ihm vor dem inneren Auge Erinnerungen aus Kindheit und Jugend erschienen. «Ich wollte um Hilfe schreien. Aber es ging nicht.»

Das war am vergangenen 30. Dezember, einem Sonntag. Der Büroangestellte hatte in seiner Drei-Zimmer-Altwohnung in Zürich-Seebach eben ein Bad genommen; schliesslich feierte die Schwester am Abend Geburtstag. Kurz tauchte er seinen Kopf unter Wasser, griff dann hinter sich nach dem Kamm, der auf der Ablage des Badezimmerkästchens lag. Da geschah es: Ein Stoss durchfuhr Abegg, seine linke Hand blieb am metallenen Kästchen kleben, «10 bis 12 Sekunden lang» stand der 27-Jährige unter 230 Volt.

Glücklicherweise rutschte die Hand irgendwie wieder vom Kästchen ab, er konnte sich aus der Wanne ans Telefon schleppen und unter Schock - «mehr schreiend als redend» - einen Freund benachrichtigen. Abegg wurde mit der Ambulanz auf die Intensivstation des Zürcher Waidspitals gebracht, wo man ihn sofort an einen Elektrokardiografen anschloss. Der 27-Jährige hatte Glück im Unglück: Sein Herz schlug normal. Dafür erlitt er durch den Stromschlag eine Verbrennung zweiten Grades an der rechten Hand, hatte tagelang spastische Zuckungen am ganzen Körper und während längerer Zeit depressive Verstimmungen.

Ein Bad in seiner Seebacher Wohnung nahm Beat Abegg nie mehr. «Ich hatte richtig Angst.» Wegen des Vorfalls zog der Büroangestellte Anfang dieses Monats sogar um. Doch abgeschlossen ist die Angelegenheit noch nicht: Vor rund einem Monat erstattete er bei der Zürcher Stadtpolizei Anzeige wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung. Fachleute hatten nämlich unmittelbar nach dem Vorfall am 30. Dezember 2001 herausgefunden, dass ein Schalter in der Küche von Abeggs Wohnung falsch installiert worden war. Aus diesem Grund stand auch das Badezimmerkästchen - zumindest zeitweise - unter Strom. Gegenwärtig ermittelt die Stadtpolizei gegen den verantwortlichen Elektriker.

«Absolut tödlich»

«Ein Stromschlag bei einer Spannung von 230 Volt kann absolut tödlich sein», sagt Jost Keller, Leiter der Abteilung Sichere Elektrizität beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat in Fehraltorf. Laut Keller stellt sich beim Menschen bereits bei einer Stromstärke von 50 Milliampere ein Herzkammerflimmern ein. 230 Volt Spannung ergeben (bei einem angenommen Körperwiderstand von 1000 Ohm) eine fast fünf Mal grössere Stromstärke, nämlich rund 230 Milliampere. Zahlreiche Personen, die einen Stromschlag erleiden, sterben denn auch, weil anhaltendes Herzkammerflimmern die Sauerstoffversorgung des Körpers, namentlich des Gehirns, beeinträchtigt.

Abegg ist nicht der Einzige, dessen Badezimmerkästchen unter Strom stand. Ebenfalls im letzten Dezember erlitt Elvira Kammer (Name geändert) in ihrer Dreieinhalb-Zimmer-Altwohnung in Wollishofen einen Stromschlag. Die Eventmanagerin hatte an einem Morgen ein Bad genommen, war in der Wanne aufgestanden und hatte das Spiegeltürchen ihres Badezimmerkästchens öffnen wollen. Da durchfuhr sie ein Stromstoss. Die 32-Jährige erlitt einen Schock, wurde ohnmächtig und fiel in die Wanne. Zum Glück kam sie kurz darauf wieder zu Bewusstsein und konnte eine Freundin alarmieren. Mehrere beigezogene Elektriker stellten später fest, dass der Spiegel des hölzernen Kästchens vorübergehend unter 230 Volt stand. Den Grund dafür fand allerdings keiner von ihnen heraus.

In der ganzen Schweiz wurden 1999 schätzungsweise 250 Personen bei Stromunfällen im Haushalt und während der Freizeit verletzt, wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung in Bern hochgerechnet hat. Knapp ein halbes Dutzend der Betroffenen starb durch einen Stromschlag. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Wie viele der Elektrounfälle in Badezimmern passierten, ist nicht erfasst; es dürften zahlreiche sein. Schliesslich kommen sich Mensch, Strom und Wasser sonst nirgends so nahe - und Wasser mit seiner ausserordentlichen Leitungsfähigkeit begünstigt Stromschläge.

«In der Regel kommt es allerdings nicht wegen Fehlern von Fachleuten zu Unfällen», sagt Jost Keller vom Starkstrominspektorat. Vielmehr seien «Basteleien» oder Unachtsamkeiten - wie beim klassischen Föhn in der Badewanne - Ursache davon. Entsprechend rät er von privaten Elektroinstallationen ab. «Und wenn jemand an einem ungewohnten Ort auch nur leicht elektrisiert wird, soll er unverzüglich einen Fachmann beiziehen.»

Schutz dank FI-Schaltern

Noch sicherer ist laut Keller allerdings, wer in seiner Wohnung oder seinem Haus einen FI-Schalter, einen so genannten Fehlerstrom-Schutzschalter, einbauen lässt. Diese schalten den Strom bereits bei einer Fehlerstromstärke von 30 Milliampere aus. Die herkömmliche Sicherung macht das erst bei 10 000 Milliampere beziehungsweise 10 Ampere. Seit 1986 ist die Installation derartiger Schalter bei Neubauten obligatorisch, und zwar in Nasszellen und an Aussensteckdosen. Empfehlenswert wäre sie aber auch für alle Altwohnungen. Ein Schalter für die ganze Wohnung kostet 130 Franken. «Mit einem FI-Schalter hätten die beiden Stromunfälle mit den Badezimmerkästchen gar nie passieren können», sagt Robert Nyffenegger von der Beratungsstelle für Unfallverhütung. «Dann wäre der Strom rechtzeitig ausgeschaltet worden.»