Der Versuch mit dem sogenannten Fadenstrahlrohr ist ein zentraler Versuch in der Oberstufe. Er zeigt die Beschleunigung und Ablenkung von Elektronen im magnetischen Feld und macht es möglich, die Masse \(m_{\rm{e}}\) des Elektrons zu bestimmen. Wir stellen hier den Aufbau des Realexperimentes vor, bieten eine Simulation an und führen anhand gezielter Aufgabenstellungen durch die Auswertung des Versuches.
In einem Glasgefäß mit einer Wasserstoffatmosphäre von niedrigem Druck wird ein Elektronenstrahl erzeugt. Einzelne Elektronen des Strahls treffen auf Wasserstoffatome und regen diese zum Leuchten an. Dadurch wird der Elektronenstrahl sichtbar.
Vor und hinter dem Glasgefäß befindet sich ein HELMHOLTZ-Spulenpaar (\(N=130\), \(R=15{,}0\,\rm{cm}\)). Wenn durch die beiden Spulen Strom fließt, so herrscht in der Zeichenebene (Mittelebene der HELMHOLTZ-Spulen) ein magnetisches Feld. Dieses Feld ist senkrecht zur Mittelebene gerichtet und hat in der gesamten Mittelebene weitestgehend den gleichen Betrag.
Durchführung
- Regele die an der Glühkathode K anliegende Heizspannung \(U_{\rm{H}}\) hoch, bis du das Leuchten der Glühwendel erkennst.
- Regele die zwischen Kathode K und Anode A anliegende Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) hoch, bis du den Verlauf des Elektronenstrahls anhand des Leuchtens des Gases in der Röhre erkennen kannst.
- Regele den durch die HELMHOLTZ-Spulen fließenden Strom \(I_{\rm{S}}\) hoch. Beobachte die Abhängigkeit der Ablenkung des Elektronenstrahls von der Beschleunigungsspannung bzw. dem Spulenstrom.
Beobachtung
Aufgabe
Stelle eine Vermutung auf, um welche Art von Bahnkurve es sich bei dem Elektronenstrahl handeln könnte.
Untersuche die Abhängigkeit der Ablenkung des Elektronenstrahls von der Beschleunigungsspannung bzw. dem Spulenstrom und formuliere deine Beobachtungen in Form von "je ..., desto ..."-Sätzen.
Auswertung
Die Idee des Versuches ist es nun
•zuerst durch theoretische Überlegungen einen Term herzuleiten, der den Verlauf des Elektronenstrahls in Abhängigkeit von den im Versuch relevanten Größen beschreibt; dies sind sicherlich die Spannung \(U_{\rm{B}}\), die Stromstärke \(I_{\rm{S}}\) sowie wahrscheinlich die Masse \(m_e\) sowie die Ladung \(e\) der Elektronen und
•anschließend durch Ausmessen des Elektronenstrahls möglicherweise einen Wert für die Masse \(m_e\) der Elektronen zu gewinnen - die Spannung und die Stromstärke können leicht gemessen werden und die Ladung \(e\) ist ja bereits durch den MILLIKAN-Versuch bekannt.
Wie du leicht beobachten kannst treten erst dann Elektronen aus der Elektronenkanone aus, wenn die Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) anliegt. Sie bringt die Elektronen auf die Geschwindigkeit \(v_0\), mit der sie dann aus der Elektronenkanone austreten. Gleichzeitig beeinflusst die Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) auch die weitere Bahn der Elektronen. Deshalb müssen wir zuerst die Beschleunigung der Elektronen durch die Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) genauer untersuchen.
Aufgabe
Leite mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes den Term \(v_0 = \sqrt {\frac{2 \cdot e \cdot U_{\rm{B}}}{m_{\rm{e}}}} \) für die Geschwindigkeit \(v_0\) der Elektronen beim Austritt aus der Elektronenkanone, d.h. nach Durchlaufen der Beschleunigungsspannung \(U_{\rm{B}}\) her.
Berechne – unter der Annahme, die Masse eines Elektrons mit \(m_{\rm{e}} = 9{,}1 \cdot {10^{ - 31}}\,\rm{kg}\) bereits zu kennen – die Geschwindigkeit der Elektronen beim Austritt aus der Elektronenkanone für \(U_{\rm{B}} = 200\,\rm{V}\) und gib diese Geschwindigkeit in Prozent der Lichtgeschwindigkeit an.
Die Ablenkung der Elektronen im Innern der Röhre geschieht nun durch die LORENTZ-Kraft, die dort auf die Elektronen wirkt. Wir wollen zuerst argumentieren, warum sich die Elektronen durch die LORENTZ-Kraft auf einer Kreisbahn bewegen.
Aufgabe
Erläutere, warum die LORENTZ-Kraft \({{\vec F}_{\rm{L}}}\) und auch die Bahn der Elektronen stets in der Mittelebene der HELMHOLTZ-Spulen liegen.
Erläutere dann, warum die LORENTZ-Kraft keine Arbeit an den Elektronen verrichtet und deshalb der Betrag \(v_0\) der Geschwindigkeit der Elektronen konstant bleibt.
Erläutere schließlich, dass der Betrag \({F_{\rm{L}}}\) der LORENTZ-Kraft konstant bleibt und sich somit die Elektronen auf einer Kreisbahn bewegen.
Wie wir gesehen haben ist der Betrag \({F_{\rm{L}}}\) der LORENTZ-Kraft u.a. proportional zum Betrag \(B\) des Magnetischen Feldes. Obwohl wir die Werte der beiden Beträge im weiteren Verlauf des Versuchs gar nicht mehr explizit benötigen, ist es doch interessant und lehrreich, diese genauer zu untersuchen.
Aufgabe
Der Betrag \(B\) der Magnetischen Feldstärke in der Mittelebene einer HELMHOLTZ-Spule berechnet sich durch \(B = \mu _0 \cdot \frac{8}{{{{\sqrt 5 }^3}}} \cdot \frac{N}{R} \cdot I_{\rm{S}}\). Berechne den Betrag \(B\) der Magnetischen Feldstärke für \(N=130\), \(R=15,0\rm{cm}\) und \({I_{\rm{S}}} = 1,53{\rm{A}}\).
Berechne mit diesem Wert für \(B\) den Betrag \(F_{\rm{L}}\) der LORENTZ-Kraft auf ein Elektron mit der Geschwindigkeit \(v_0 = 8,4 \cdot {10^6}\frac{\rm{m}}{\rm{s}}\).
Vergleiche – unter der Annahme, die Masse eines Elektrons mit \({m_e} = 9,1 \cdot {10^{ - 31}}{\rm{kg}}\) bereits zu kennen – die LORENTZ-Kraft mit der Gewichtskraft auf ein Elektron und begründe, warum die Gewichtskraft gegenüber der LORENTZ-Kraft in diesem Experiment vernachlässigt werden kann.
Wir haben erarbeitet, dass sich die Elektronen im Versuch auf einer Kreisbahn bewegen und dabei die LORENTZ-Kraft als Zentripetalkraft wirkt. Mit dem bis hier gewonnenen Wissen können wir nun der Radius dieser Kreisbahn bestimmen.
Aufgabe
Leite durch den Ansatz, dass die LORENTZ-Kraft als Zentripetalkraft der Kreisbewegung der Elektronen wirkt, den Term \(r = \frac{{{m_e} \cdot {v_0}}}{{e \cdot B}}\) her.
Setze in den Term für \(r\) die Terme für \(v_0\) und \(B\) aus den bisherigen Aufgabenteilen ein, forme dann in die Form \(r = \frac{{\sqrt 2 \cdot }}{{\sqrt {\frac{e}{{{m_e}}}} \cdot {\mu _0} \cdot \frac{8}{{{{\sqrt 5 }^3}}} \cdot \frac{N}{R}}} \cdot \frac{{\sqrt {{U_{\rm{B}}}} }}{{{I_{\rm{S}}}}}\) um und begründe, warum diese Umformung sinnvoll ist.
Berechne – unter der Annahme, die Masse eines Elektrons mit \({m_e} = 9,1 \cdot {10^{ - 31}}{\rm{kg}}\) bereits zu kennen – den Radius \(r\) des Elektronenstrahls für die Werte \({U_{\rm{B}}} = 200{\rm{V}}\), \({I_{\rm{S}}} = 1,53{\rm{A}}\), \(N=130\) und \(R=15,0\rm{cm}\) und überprüfe dein Ergebnis mit Hilfe der Simulation.
Zum Abschluss wollen wir noch einmal zurückblicken und sehen, welches Ziel unser Versuch ursprünglich hatte: wir wollten durch Ausmessen des Elektronenstrahls Informationen über die Masse \(m_e\) der Elektronen gewinnen.
Aufgabe
Forme die Gleichung \(r = \frac{{\sqrt 2 \cdot }}{{\sqrt {\frac{e}{{{m_e}}}} \cdot {\mu _0} \cdot \frac{8}{{{{\sqrt 5 }^3}}} \cdot \frac{N}{R}}} \cdot \frac{{\sqrt {{U_{\rm{B}}}} }}{{{I_{\rm{S}}}}}\) nach \(\frac{e}{{{m_e}}}\) um.
Berechne mit \({U_{\rm{B}}} = 200{\rm{V}}\), \({I_{\rm{S}}} = 1,53{\rm{A}}\), \(N=130\), \(R=15,0\rm{cm}\) und \(r=4,0\rm{cm}\) die sogenannte spezifische Ladung \(\frac{e}{{{m_e}}}\) des Elektrons.
Berechne schließlich mit \(e = 1,602 \cdot {10^{ - 19}}{\rm{As}}\) die Masse \(m_e\) des Elektrons.