Mit dem Zyklotron mit konstanter Zyklotronfrequenz können Teilchen nur bis zu Geschwindigkeiten von etwa \(0{,}1\cdot c\) beschleunigt werden. Bei höheren Geschwindigkeiten muss der Effekt der relativistischen Massenzunahme berücksichtigt werden. Dieser sorgt dafür, dass die Umlaufdauer \(T\) des Teilchens nicht konstant ist, sondern mit zunehmender Teilchenenergie größer wird. Damit weiterhin eine optimale Beschleunigung erfolgt, muss die Frequenz \(f\) der Wechselspannung ständig an die Umlaufdauer \(T\) der Teilchen angepasst werden. Diesen Vorgang bezeichnet man als "synchronisieren", weshalb diese Weiterentwicklung des Zyklotrons Synchro-Zyklotron genannt wird.
Stark vereinfachte Simulation eines Synchro-Zyklotrons
Wir danken Thomas Kippenberg für die Erlaubnis, diese Simulation der MintApps auf LEIFIphysik zu nutzen. Der Code steht unter GNU GPLv3.
Aufgabe
Aufgabe
Untersuche mithilfe der Simulation, welche Auswirkungen es hat, wenn die Zyklotronfrequenz \(f\) sich nicht wie in der Betriebsart "synchron" an die aktuellen Teilcheneigenschaften anpasst, sondern wie in der Betriebsart "konstant" den ganzen Beschleunigungsprozess über gleich bleibt (wie bei einem klassischen Zyklotron).
Rechnungen am Synchro-Zyklotron
Die kinetische Energie des zu beschleunigten Teilchens nimmt mit jedem Durchlauf durch die Beschleunigungsspannung um \(\Delta E=q\cdot U\) zu. Die Geschwindigkeit \(v\) ergibt sich aus relativistischer Betrachtung mit\[v=c\cdot\sqrt{{1-\frac{1}{\left(\frac{E_{\rm{kin}}}{E_0}+1\right)^2}}}\]Die LORENTZ-Kraft \(\vec F_{\rm{L}}\) wirkt als die notwendige Zentripetalkraft \(\vec F_{\rm{ZP}}\) für die Kreisbahn. Deshalb gilt für den Betrag der LORENTZ-Kraft\[\begin{eqnarray}{F_{\rm{L}}} &=& {F_{{\rm{ZP}}}}\\ \Leftrightarrow q \cdot v \cdot B &=& \frac{{m \cdot {v^2}}}{r}\\ \Rightarrow r &=& \frac{m \cdot v}{q \cdot B}\end{eqnarray}\]wobei \(m\) die relativistische Masse \(m(v) = \frac{m_0}{ \sqrt{1 - \left( \frac{v}{c} \right)^2 }}\) ist.
Prinzip aktueller Synchrotrone
In der Praxis bestehen moderne Teilchenbeschleuniger nicht mehr wie Zyklotrone oder Synchro-Zyklotrone aus zwei halbkreisförmigen, von einem homogenen B-Feld dursetzten Duanten. Bei einer solchen Bauweise wäre es kaum möglich die Teilchen auf die heute für die Forschung nötigen hohen Energien zu beschleunigen, da ein relativ ausgedehntes, starkes, homogenes Magnetfeld nötig wäre. Daher werden moderne Teilchenbeschleuniger für elektrisch geladene Teilchen, sog. Synchrotrone, als Ringbeschleuniger realisiert, in die bereits durch Linearbeschleuniger "vorbeschleunigte" Teilchen eingebracht werden. Im Ringbeschleuniger werden die Teilchen durch Magnetfelder auf einer sehr eng begrenzten Bahn geführt, die mehrmals durchlaufen wird. Beim Durchlaufen der Beschleunigungsstrecken wird den Teilchen dabei weiter Energie zugeführt. Entsprechend müssen bei Synchrotronen die B-Felder zu Ablenkung des beschleunigten Teilchens synchron mit der Energiezunahme des Teilchen verändert, also verstärkt werden - daher die Bezeichnung Synchrotron.
Abb. 2 zeigt stark vereinfacht den schematischen Aufbau eines Ringbeschleunigers:
Man unterscheidet zwischen Ionen-Synchrotronen, die Protonen (bzw. schwere Ionen) beschleunigen und Elektronen-Synchrotronen, die Elektronen oder Positronen beschleunigen.
Ionen-Synchrotrone
Da Protonen eine relativ große Ruhemasse besitzen, können Protonen nicht bereits mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in den Ringbeschleuniger eingeschossen werden. Die Energie, die in den Beschleunigungsstrecken zugeführt wird, führt daher sowohl zu einer Zunahme der Teilchengeschwindigkeit als auch der relativistischen Masse des Teilchens. Daher müssen hier einerseits die Ablenkungs- Fokussierungsmagnete ständig mit den aktuellen Teilcheneigenschaften synchronisiert werden. Aber auch die Phasen der Hochfrequenzspannungen in den Beschleunigungsstrecken müssen ständig synchronisiert werden.
Large Hadron Collider am CERN
Das weltweit leistungsstärkste und bekannteste Synchrotron ist der Large Hadron Collider (LHC) am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf (siehe Abb. 3). Der Ring, den die Teilchen hier durchlaufen, ist \(26{,}7\,\rm{km}\) lang und liegt \(100\,\rm{m}\) unter der Erde. Im LHC werden Protonen oder Blei-Kerne beschleunigt. Dabei werden inzwischen Teilchenenergien von bis zu \(6{,}5\,\rm{TeV}\) erreicht. Da gleichzeitig zwei Teilchenstrahlen in entgegengesetzter Richtung durch den Ringbeschleuniger geführt werden können, sind am LHC Colliding-Beam-Experimente mit bis zu \(13\,\rm{TeV}\) möglich. Im Jahre 2012 wurde mit Hilfe des LHC und den angeschlossenen Detektoren das HIGGS-Boson nachgewiesen.
Elektronen-Synchrotrone
Da Elektronen bzw. Positronen eine relativ kleine Ruhemasse besitzen, können sie mit Hilfe von Vorbeschleunigern schon mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in den Ringbeschleuniger eingeschossen werden. Das Zuführen von Energie in den Beschleunigungsstrecken führt daher fast ausschließlich zu einer relativistischen Massenzunahme, während die Teilchengeschwindigkeit sich nur noch sehr geringfügig ändert. Daher muss hier bei jedem Durchlauf lediglich das Magnetfeld mit der Teilchenmasse synchronisiert werden. Die Phasenlage der Beschleunigungsstrecken kann hingegen gleich bleiben.
In der Praxis werden Elektronensynchrotrone nicht mehr zur Teilchenforschung eingesetzt, da Elektronen nur bis zu einer Energie von ca. \(10\,\rm{GeV}\) wirtschaftlich sinnvoll beschleunigt werden können. Elektronensynchrotrone werden dagegen zur gezielten Erzeugung von sog. Synchrotronstrahlung genutzt.
Abb. 4 zeigt den Aufbau des französischen Elektronensynchrotrons Soleil. In der Mitte befindet sich der Vorbeschleuniger und in den acht Armen sind wissenschaftliche Geräte, die die Synchrotronstrahlung der Elektronen auffangen und analysieren. Bekannt sind hierzulande insbesondere das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg und BESSY II in Berlin.
Synchrotronstrahlung
Bei der Ablenkung und damit der Beschleunigung von geladenen Teilchen geben diese elektromagnetische Strahlung tangential zu ihrer Bewegungsrichtung ab. Dies "entzieht" den Teilchen kinetische Energie. Die abgestrahlte Energie nimmt dabei mit der vierten Potenz der Energie zu, was die sinnvolle maximale Teilchenenergie begrenzt. Die Synchrotronstrahlung selbst bietet aber vielfältige Einsatzmöglichkeiten, da ihre Frequenz gut gesteuert werden kann, sie eine hohe Brillianz besitzt und auch mit sehr hoher Intensität erzeugt werden kann. Synchrotronstrahlung wird zur Strukturauflösung von verschiedensten Materialien genutzt. So wird z.B. die Wirksamkeit von Medikamenten gegen das SARS-CoV-2-Virus durch Strukturanalysen mithilfe von Synchrotronstrahlung untersucht.