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Aufgabe

Synchrotron (Abitur BY 2006 GK A1-2)

Schwierigkeitsgrad: schwere Aufgabe

Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Vereinfachte Skizze der geschlossenen Bahn eines Synchrotrons

Ein Synchrotron ist ein Beschleuniger, in dem geladene Teilchen eine geschlossene Bahn durchlaufen, auf die sie mit Hilfe von Ablenkmagneten gezwungen werden. Näherungsweise besteht die Bahn aus vier Viertelkreisen mit Radius \(r\) und geraden Verbindungsstücken. Auf den vier Geraden werden die Teilchen durch sogenannte Resonatoren beschleunigt. Da die Energie der Teilchen ständig zunimmt, der Kreisradius \(r\) dagegen unverändert bleibt, müssen die Magnetfelder angepasst (synchronisiert) werden.

Ein Synchrotron kann erst ab einer bestimmten Teilchenenergie arbeiten; deshalb werden die Teilchen auf die nötige Geschwindigkeit vorbeschleunigt und erst dann in das Synchrotron injiziert.

a)

Hinweis: Diese Teilaufgabe benötigt Kenntnisse der speziellen Relativitätstheorie.

1992 wurde in Hamburg das Synchrotron Hera in Betrieb genommen. In das Synchrotron werden Protonen mit der Geschwindigkeit \(v=0{,}99973\cdot c\) injiziert.

Berechne das Verhältnis der Masse des Protons zu seiner Ruhemasse im Moment der Injektion. (5 BE)

Das Synchrotron Hera hat einen Umfang von \(6{,}30\,\rm{km}\). Die Protonen werden mit einer Gesamtenergie von \(E_1=40{,}0\,\rm{GeV}\) injiziert und erreichen eine maximale Gesamtenergie von \(E_2=920\,\rm{GeV}\). Pro Umlauf wird den Protonen in jedem der vier Resonatoren durchschnittlich die Energie \(\Delta E=7{,}80\,\rm{keV}\) zugeführt. Energieverluste in Form von Synchrotronstrahlung sind hierin schon berücksichtigt.

b)

Berechne, wie viele Umläufe des Protons von der Injektion bis zum Erreichen der maximalen Gesamtenergie nötig sind. [Kontrollergebnis: \(n = 2{,}82\cdot 10^7\)] (5 BE)

c)

Berechne, welchem Vielfachen des Erdumfangs die dabei von den Protonen zurückgelegte Strecke entspricht. (3 BE)

d)

Schätze ab, wie lange der Vorgang von Teilaufgabe b) dauert. [Kontrollergebnis: \(593\,\rm{s}\)] (5 BE)

Berücksichtigt man, dass sich die Protonen nahezu mit Lichtgeschwindigkeit bewegen (\(v \sim c\)), so erhält man folgenden Zusammenhang zwischen der Gesamtenergie \(E=m \cdot c^2\) der Protonen und der magnetischen Flussdichte \(B\) des Magnetfelds, das die Protonen auf eine Kreisbahn zwingt:\[E=r\cdot e\cdot c\cdot B\]

e)

Leite ausgehend von einem Kraftansatz für die Kreisbewegung diese Gleichung her. (7 BE)

f)

Berechne, zwischen welchen Werten die magnetische Flussdichte \(B\) synchronisiert werden muss, wenn der Radius \(r\) der Kreisbahn in den Magnetfeldern \(r=800\,\rm{m}\) beträgt. [Kontrollergebnisse: \(B_1=0{,}167\,\rm{T}\) , \(B_2=3{,}84\,\rm{T}\)] (6 BE)

g)

Hinweis: Diese Teilaufgabe benötigt Kenntnisse der elektromagnetischen Induktion.

Im Synchrotron erzeugen supraleitende Spulen der Querschnittsfläche \(A=1{,}80\,\rm{m}^2\) das Magnetfeld, das die Protonen ablenkt. Der Anstieg des Magnetfelds induziert in jeder der Spulen eine Gegenspannung.

Berechne mit Hilfe der bisherigen Ergebnisse den mittleren Wert dieser Gegenspannung für eine Spule mit \(80\) Windungen. (6 BE)

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a)

Relativistische Massenveränderlichkeit:\[m(v) = \frac{{{m_0}}}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} \Leftrightarrow \frac{{m(v)}}{{{m_0}}} = \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {\frac{v}{c}} \right)}^2}} }} \Rightarrow \frac{{m(v)}}{{{m_0}}} = \frac{1}{{\sqrt {1 - {{\left( {0{,}99973} \right)}^2}} }} \approx 43\]

b)

Bei einem Umlauf durch die vier Resonatoren gewinnt ein Proton die Energie \(4 \cdot 7{,}80 \cdot {10^3}{\rm{eV}} = 3{,}12 \cdot {10^4}{\rm{eV}}\). Der Gesamtenergiezuwachs ist \(920\,{\rm{GeV}} - 40\,{\rm{GeV}} = 880\,{\rm{GeV}} = 880 \cdot {10^9}{\rm{eV}}\). Die Zahl der Umläufe ist demnach\[n = \frac{{880 \cdot {{10}^9}{\rm{eV}}}}{{3{,}12 \cdot {{10}^4}{\rm{eV}}}} = 2{,}82 \cdot {10^7}\]also ungefähr 28 Millionen Umläufe.

c)

Der Erdumfang ist \({u_{\rm{E}}} = 2 \cdot \pi \cdot {r_{\rm{E}}} \Rightarrow {u_{\rm{E}}} = 2 \cdot \pi \cdot 6368\,{\rm{km}} = 4{,}001 \cdot {10^4}{\rm{km}}\). Die vom Proton zurückgelegte Strecke \(s\) ist \(s = {u_{{\rm{Syn}}}} \cdot n \Rightarrow s = 6{,}30\,{\rm{km}} \cdot 2{,}82 \cdot {10^7} = 1{,}78 \cdot {10^8}{\rm{km}}\). Für die Zahl \(n_{\rm{E}}\) der Erdumläufe ergibt sich dann\[{n_{\rm{E}}} = \frac{s}{{{u_{\rm{E}}}}} \Rightarrow {n_{\rm{E}}} = \frac{{1{,}78 \cdot {{10}^8}{\rm{km}}}}{{4{,}001 \cdot {{10}^4}{\rm{km}}}}{\mkern 1mu} = 4{,}44 \cdot {10^3}\]

d)

Die Teilchen bewegen sich näherungsweise mit der Lichtgeschwindigkeit (der Energiezuwachs äußert sich nicht mehr in einem nennenswerten Geschwindigkeitszuwachs sondern in einer Massenzunahme):\[\Delta t = \frac{s}{c} \Rightarrow \Delta t = \frac{{1{,}78 \cdot {{10}^{11}}{\rm{m}}}}{{3{,}00 \cdot {{10}^8}\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}}}} = 593\,{\rm{s}}\]Die Teilchen sind also ca. \(10\,\rm{min}\) in der Beschleunigungsanlage.

e)

Aus dem Ansatz, dass die LORENTZ-Kraft als Zentripetalkraft wirkt, erhält man\[{F_{{\rm{ZP}}}} = {F_{\rm{L}}} \Leftrightarrow \frac{{m \cdot {v^2}}}{r} = q \cdot v \cdot B\]Mit \(v \approx c\) und \(q = e\) ergibt sich\[m \cdot {c^2} = r \cdot e \cdot c \cdot B \Rightarrow E = r \cdot e \cdot c \cdot B\]

f)

Aus Teilaufgabe e) folgt\[ B = \frac{E}{r \cdot e \cdot c} \]Die Gesamtenergie des Protons beim Einschuss ist \({E_1} = 40{,}0 \cdot {10^9}\,{\rm{eV}} = 6{,}40 \cdot {10^{ - 9}}\,{\rm{J}}\) Damit ergibt sich\[{B_1} = \frac{{6{,}40 \cdot {{10}^{ - 9}}{\rm{J}}}}{{800\,{\rm{m}} \cdot 1{,}60 \cdot {{10}^{ - 19}}{\rm{As}} \cdot 3{,}00 \cdot {{10}^8}\frac{{\rm{m}}}{{\rm{s}}}}} =\frac{1}{6}\,\rm{T}=0{,}167\,{\rm{T}}\]Da \({E_2} = 920 \cdot {10^9}\,{\rm{eV}}=23\cdot E_1\) ist, muss das Magnetfeld hier \[B_2=23\cdot B_1\Rightarrow B_2=23\cdot \frac{1}{6}\,{\rm{T}}=3{,}83\,\rm{T}\] betragen. Das Magnetfeld muss also von \(0{,}167\,{\rm{T}}\) bis auf \(3{,}83\,{\rm{T}}\) ansteigen.

 

Hinweis: Alternativ kannst du auch die Energie in eV einsetzen und die Elementarladung \(e\) "kürzen".

g)

Das Induktionsgesetz in differentieller Form kann für Mittelwerte in folgender Form geschrieben werden:\[\left| \overline{U}_{\rm{i}} \right| = N \cdot \dot \Phi = N \cdot \frac{{\Delta \Phi }}{{\Delta t}} = N \cdot \frac{{A \cdot \Delta B}}{{\Delta t}}\]Das Magnetfeld ändert sich zwischen den beiden in Teilaufgabe f) berechneten Werten. Für die Dauer der Änderung gilt der in Teilaufgabe d) berechnete Wert. Damit erhält man\[\left| \overline{U}_{\rm{i}} \right| = N \cdot \frac{{A \cdot \Delta B}}{{\Delta t}}\]Einsetzen der gegebenen Werte liefert (mit drei gültigen Ziffern Genauigkeit)\[\left| \overline{U}_{\rm{i}} \right| = 80 \cdot \frac{{1{,}80\,{{\rm{m}}^{\rm{2}}} \cdot \left( {3{,}83\,{\rm{T}} - 0{,}167\,{\rm{T}}} \right)}}{{593\,{\rm{s}}}} = 0{,}89\,{\rm{V}}\]Es entsteht also eine Gegenspannung von ca. \(0{,}9\,\rm{V}\).

Grundwissen zu dieser Aufgabe

Elektrizitätslehre

Bewegte Ladungen in Feldern

Elektromagnetische Induktion

Relativitätstheorie

Spezielle Relativitätstheorie