Aus den Versuchen mit Kathodenstrahlen gelangte Lenard zum sogenannten Dynamidenmodell des Atoms.
Er untersuchte das Absorptionsverhalten von Folien bei ganz niederen Elektronengeschwindigkeiten, wie sie z.B. beim Photoeffekt auftreten, bis hin zu den Elektronen, die von ß-Strahlern stammten, welche nahezu Lichtgeschwindigkeit erreichten.
Für niedrige Elektronengeschwindigkeiten wird die Elektronenablenkung durch die elektrischen und magnetischen Felder im Atom bewirkt. Dabei ergab sich ein Wirkungsquerschnitt des Atoms, der etwa dem Quadrat des Atomradius entsprach. Für hohe Geschwindigkeiten fand Lenard die im Massenabsorptionsgesetz formulierte Unabhängigkeit von den chemischen Eigenschaften des Atoms und zudem die fast völlige Durchlässigkeit der Materie für schnelle Elektronenstrahlung.
Er schreibt im Jahre 1903:
"Die Ausbreitungsweise der Kathodenstrahlen in der Materie wirft ein eigentümliches Licht auf die Raumerfüllung der letzteren. Jedes materielle Atom beansprucht erfahrungsgemäß einen gewissen Raum, in welchen ein anderes Atom nicht eindringen kann. Daß jedoch die Atome innerhalb dieser ihrer Volumina noch einen Aufbau aus feineren Bestandteilen aufweisen müssen und zwar mit vielen freien Zwischenräumen, war durch die Ausbreitungsweise der Kathodenstrahlen nahegelegt von der Zeit an, als man in denselben fortbewegte Quanten sehen lernte."
Lenard, P. (1903), Über die Absorption von Kathodenstrahlen verschiedener Geschwindigkeit. Ann. Phys., 317: 714-744. https://doi.org/10.1002/andp.19033171203
In einer Zusammenfassung seiner Arbeiten schreibt Lenard weiter: Aus: Lenard, P. (1918). Quantitatives über Kathodenstrahlen aller Geschwindigkeiten (Vol. 5). C. Winters. |
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Später brachte Lenard auch noch einen direkten Größenvergleich:
Ein genügend schnell bewegtes Strahlquantum kann frei Tausende von Atomen durchqueren, ohne daß seine Geschwindigkeit nach Größe und Richtung wesentlich sich änderte. Beispielsweise ist der Raum, in welchem ein Kubikmeter festes Platin sich befindet, leer bis auf höchstenfalls ein Kubikmillimeter als gesamtes wahres Dynamidenvolumen.
Auf dem Weg zum Atommodell von Rutherford stellt das von Lenard entwickelte Dynamidenmodell einen wichtigen Zwischenschritt dar. Im Gegensatz zum Atommodell von Thomson wird angenommen, dass die positive Ladung und der Sitz der Masse auf einen sehr kleinen Raumbereich beschränkt ist.