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Grundwissen

Das Zusammenspiel von Kosmischer Inflation und String-Theorie

1. Kosmische Inflation

Zu Beginn war das Universum unvorstellbar dicht und heiß. Davon sind zumindest Anhänger der Urknall-Theorie überzeugt. Demnach ist das Universum wie wir es kennen, mitsamt aller Planeten, Sterne, Galaxien, und Galaxienhaufen einem punktförmigen und unendlich dichten Urzustand entsprungen, einer sogenannten “Singularität” in der Raumzeit (siehe auch Heiße Anfangsphase). Damit sich das Universum auf seine heutige, gewaltige Größe ausdehnen konnte, musste also einiges passieren. Wissenschaftler rätselten lange an einigen konzeptionellen Fragen, die sich beispielsweise durch Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung ergeben: Warum hat das Universum keine räumliche Krümmung, wie zum Beispiel die Oberfläche der Erde? Wie konnte sich Information im frühen Universum scheinbar schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten?
 
Die Beantwortung dieser und weiterer Fragen führt weit in das Feld der theoretischen Kosmologie hinein und zu der Idee der Kosmischen Inflation. Inflation bezeichnet dabei eine Phase exponentieller Ausdehnung in den ersten Sekundenbruchteilen des Universums (siehe Abbildung und folgenden Artikel bei Spektrum). Wie das klassische Beispiel sich vermehrender Seerosen auf der Oberfläche eines Teiches veranschaulicht, bedeutet “exponentiell” eine wahnsinnig schnelle Expansion. Tatsächlich ist ein Ergebnis der Inflationstheorie, dass sich das Universum in Bruchteilen von Sekunden um einen Faktor 1026 ausgedehnt hat!
 

Urknall und die Expansion der UniversumsNASA / WMAP Science Team


Im Rahmen der Theorie wird zudem vermutet, dass die kosmische Inflation durch ein “skalares” Teilchen – d. h. ein Elementarteilchen mit Spin null (ähnlich dem 2012 gefundenen Higgs Boson) – angetrieben wird. Dieses vorhergesagte Elementarteilchen wird als Inflaton bezeichnet.
Um die Vorgänge während der ersten Sekundenbruchteile des Universums zu beschreiben, müssen die zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden extremen Bedingungen berücksichtigt werden. Diese betreffen u. a. auch das Verhältnis der vier fundamentalen Wechselwirkungen. 
 

 

1.1 Einschub: Die fundamentalen Wechselwirkungen

In der Natur gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen. Die elektromagnetische Wechselwirkung kennen wir alle aus der Erfahrung, dass sich verschiedene Ladungen anziehen, während sich gleiche Ladungen abstoßen. Auch die Kräfte zwischen den Polen von Magneten beruhen auf der elektromagnetischen Wechselwirkung. Eine weitere Wechselwirkung ist die sogenannte starke Wechselwirkung. Genau wie die schwache Wechselwirkung spielt sie hauptsächlich eine Rolle im Inneren von Atomkernen. Während erstere die Quarks zu Protonen und Neutronen bindet, und Protonen und Neutronen im Kern zusammenhält, ist letztere beispielsweise für radioaktive Strahlung verantwortlich.
 
Die Namen der Wechselwirkungen sagen bereits viel über ihre Eigenschaften aus: tatsächlich ist die starke Wechselwirkung auch die stärkste Wechselwirkung. Offensichtlich ist sie stärker als die elektromagnetische, da Atomkerne stabil sind, obwohl sie lediglich aus positiv geladenen und neutralen Teilchen bestehen (Protonen und Neutronen). Sogar die schwache Wechselwirkung ist stärker als die elektromagnetische Wechselwirkung, wenn auch nicht viel. Die schwächste aller Wechselwirkungen haben wir allerdings noch nicht erwähnt: die Gravitation. Zunächst scheint das nicht intuitiv, da diese die Wechselwirkung ist, die unseren Alltag am meisten zu beeinflussen scheint. Sie ist für die Anziehung zwischen schweren Objekten verantwortlich und damit auch von größter Relevanz für Astrophysik und Kosmologie. Auf kleinen Längenskalen ist sie allerdings 1027 - mal schwächer als die anderen drei genannten Wechselwirkungen und damit kaum relevant.
 

 

 

1.2 Extreme Bedingungen bei der Entstehung des Universums

Inzwischen weiß man, dass die extrem heißen und dichten Bedingungen bei der Entstehung des Universums – zu der Zeit der kosmischen Inflation – dafür gesorgt haben, dass alle Wechselwirkungen in etwa gleich stark waren. Mathematisch kann das damit begründet werden, dass die sog. Kopplungskonstanten – ein Maß für die Stärke der jeweiligen Wechselwirkungen – nicht konstant sind, sondern von der Energieskala des betrachteten Systems abhängen. Die Festlegung der Energieskala, bezogen auf die die Theorie formuliert wird, wird in der  Quantenfeldtheorie mit Renormierung der Kopplungskonstanten bezeichnet.
Für eine Theorie, die Inflation beschreiben soll, gilt also, dass sie alle vier elementaren Kräfte gleichermaßen beschreiben muss. Herkömmliche Quantenfeldtheorien, wie zum Beispiel jene, die das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt, scheitern allerdings an der quantenmechanischen Beschreibung der Gravitation. Formal liegt das daran, dass die Kopplungskonstante der Gravitation dimensionsbehaftet ist, man sagt Gravitation ist “nicht renormierbar”.
Um die Gravitation genau wie die drei anderen fundamentalen Wechselwirkungen bei der Beschreibung der kosmischen Inflation berücksichtigen zu können, wird eine neue Theorie benötigt. Diese soll zum einen alle vier elementaren Wechselwirkungen gleichermaßen beschreiben und zum anderen die Existenz geeigneter bisher nicht gefundener Teilchen als Kandidaten für das Inflaton vorhersagen. Eine Theorie, die diese Bedingungen erfüllt, ist die String-Theorie.
 

 

 

2 String-Theorie 

Die String-Theorie ist im Wesentlichen ein mathematisches Konstrukt, das es erlaubt, alle vier fundamentalen Kräfte – inklusive der Gravitation – als Quantentheorien zu beschreiben. Somit ist die String-Theorie sowohl in der Lage, bekannte Phänomene der Teilchenphysik und Kosmologie zu beschreiben, als auch Probleme zu lösen, an denen bisherige Modelle scheitern.

 

 

 

2.1 Idee

Die zugrunde liegende Idee ist simpel: Die fundamentalen Objekte der herkömmlichen Teilchenphysik sind punktförmige – d. h. ausdehnungslose – Objekte, wie z. B. das Elektron, das Photon oder die Quarks. In der String-Theorie werden diese punktförmigen Grundbausteine durch ausgedehnte Objekte ersetzt, sogenannte Strings – auf Deutsch, Saiten. Diese sind so klein, dass sie in heutigen Experimenten nicht von punktförmigen Objekten unterschieden werden können. Ihre Eigenschaften sind jedoch von Grund auf verschieden: Man kann sich einen String durchaus wie die Saite einer Gitarre vorstellen. Diese kann in verschiedenen Frequenzen schwingen; sie hat sogenannte Eigenfrequenzen, die mit ihrer Länge, Dicke und Beschaffenheit zusammenhängen. Ähnlich verhält sich ein String: Je nachdem, in welcher Frequenz er schwingt, spielt er die Rolle unterschiedlicher Elementarteilchen. Mithilfe der quantenmechanischen Berechnung des harmonischen Oszillators kann man zeigen, dass mit Strings sowohl  alle bekannten, als auch bisher nicht nachgewiesenen Teilchen beschrieben werden  können. Eines davon ist das postulierte Graviton, das Austauschteilchen der Gravitation. Es spielt die gleiche Rolle wie das Photon für die elektromagnetische Kraft, ist masselos, hat Spin zwei, und bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit. Aus diesem Grund ist es klar, dass die String-Theorie eine fundamentale Beschreibung der Gravitation als Quantentheorie beinhaltet und damit auch bestens geeignet ist, Physik bei sehr hohen Energieskalen zu behandeln.
 

 

 

 

2.2 Mathematische Umsetzung

Leider ist die String-Theorie mathematisch sehr kompliziert zu beschreiben. Beispielsweise erfordert die Einhaltung von Einsteins Gesetzen der Relativität, dass Strings nur in zehn Raumzeit-Dimensionen existieren können. Das entspricht zunächst nicht unserer Intuition, denn im Alltag beobachten wir nur vier Dimensionen: Drei im Raum und eine in der Zeit. Wo sollen also diese sechs zusätzlichen Dimensionen sein? Die Antwortet lautet „überall“, sie sind bloß sehr, sehr klein! Mathematisch bedient man sich hier eines Tricks und kompaktifiziert die sechs überschüssigen Dimensionen. Das bedeutet, die extra-Dimensionen werden zu einem mathematischen Raum, einer sogenannten Mannigfaltigkeit, zusammengefasst, der eine sehr kleine Ausdehnung hat. Als alltägliches Beispiel können wir uns ein Blatt Papier vorstellen: Im Prinzip ist es ein drei-dimensionales Objekt, aber eine der Dimensionen hat eine solch kleine Ausdehnung,  dass wir es als zwei-dimensional betrachten. Nach der Kompaktifizierung bleiben also nur vier Dimensionen übrig, die groß genug sind, um von uns beobachtet zur werden.
 

 

 

3 String-Theorie und Inflation

Die genauen Eigenschaften der kompakten Mannigfaltigkeit sind von entscheidender Bedeutung, da sie bestimmen, wie das Universum in den vier beobachtbaren Dimensionen aussieht. Deshalb ist es wichtig, dass die Eigenschaften in der mathematischen Beschreibung dementsprechend gewählt sind, dass alle bisher beobachteten Phänomene korrekt beschrieben werden. Zusätzlich zu den bekannten Elementarteilchen bleiben dann in der vier-dimensionalen, beobachteten Welt weitere Teilchen übrig: Eine große Anzahl skalarer Teilchen, sogenannte “Moduli”. Dies stellt eine weitere Verbindung zur Inflation da, denn eines dieser durch die String-Theorie postulierten Spin-null Teilchen könnte das gesuchte Inflaton sein.
 
Damit sind Inflation und String-Theorie zwei scheinbar untrennbare Konzepte die es verdienen, gemeinsam untersucht zu werden.
 

 

 

Hinweise zur Quantenfeldtheorie

Die Quantenmechanik ist eine physikalische Theorie zur Beschreibung der Materie, ihrer Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten. Im Gegensatz zu den Theorien der klassischen Physik erlaubt sie eine Berechnung der physikalischen Eigenschaften von Materie im Größenbereich der Atome und darunter.

Die Quantenfeldtheorie ist eine Weiterentwicklung der Quantenphysik über die Quantenmechanik hinaus. Während in der Quantenmechanik stets das Verhalten von Quantenobjekten unter dem Einfluss von Feldern beschrieben wird, werden in der Quantenfeldtheorie Prinzipien der Quantenmechanik mit denen klassischer Feldtheorien (wie zum Beispiel der klassischen Elektrodynamik) zu einer erweiterten Theorie kombiniert. Dabei werden nicht nur beobachtbare Größen wie Energie oder Impuls als Quantenobjekte behandelt, sondern auch die wechselwirkenden Felder selbst.


 
Der Autor
Clemens Wieck hat in Bonn Physik studiert und war ab Herbst 2012 Mitglied der Gruppe “Theorie” am DESY in Hamburg und Stipendiat der Joachim Herz Stiftung. Das Thema seiner Doktorarbeit war das Zusammenspiel zwischen Kosmischer Inflation und Stringtheorie und so beschäftigte er sich insbesondere mit der Stabilität der von Stringtheorie benötigten zusätzlichen Dimensionen im frühen Universum. Er hat seine Forschungsarbeit in Hamburg im Sommer 2015 beendet und anschließend eine Forschungsstelle in Madrid angetreten.