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Ausblick

Reibungskräfte beim Fahrradfahren

Fahrradfahren kostet Kraft - selbst dann - wenn man sich auf ebener Strecke mit konstanter Geschwindigkeit fortbewegen will. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dies ein Widerspruch zum Trägheitssatz von Newton ist, doch bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass es beim Radfahren eine Reihe von Kräften gibt, die es zu überwinden gilt. Neben der gleichförmigen Fahrt in der Ebene soll im Folgenden auch kurz auf die Bergfahrt und auf den Beschleunigungsvorgang (Geschwindigkeitszunahme) eingegangen werden.

Rollreibungskraft (Rollwiderstand)

Joachim Herz Stiftung
Abb. 1 Rollreibung zwischen Rad und Straße

Die Rollreibungskraft \(F_{\rm{RR}}\), oft auch Rollwiderstand genannt, kommt dadurch zustande, dass der Reifen beim Abrollen auf der Unterlage dauernd verformt werden muss.
Näherungsweise lässt sich der Rollwiderstand mit folgender Beziehung berechnen:

Rollreibungskraft

Für die Rollreibungskraft \(F_{\rm{RR}}\) gilt:\[F_{\rm{RR}}=\mu_{\rm{RR}}\cdot F_{\rm{N}}\]Dabei ist \(\mu_{\rm{RR}}\) der Rollreibungskoeffizient und \(F_{\rm{N}}\) der Betrag der Normalkraft.

Die Rollreibungskraft \(F_{\rm{RR}}\) ist dabei entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung gerichtet.

Der Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\) ist dabei weitgehend unabhängig von der Geschwindigkeit. Mit zunehmendem Raddurchmesser sinkt jedoch die Rollreibungskraft, große Räder rollen leichter als kleine Räder.

Luftdruck beeinfluss die Rollreibungskraft

Ein wesentlicher Einflussfaktor für die Rollwiderstand ist die Größe des Luftdrucks im Reifen: (Daten aus der Sendung Quark & Co. des WDR über das Fahrrad)

Reifentyp Breite \(b\) Durchmesser \(d\) Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\)
      \(p=3\,\rm{bar}\) \(p=4\,\rm{bar}\) \(p=5\,\rm{bar}\)
Slik-Reifen, breit 32mm 622mm 0,00513 0,00361 - - -
Slik-Reifen, mittel 28mm 622mm 0,00596 0,00404 0,00349
Slik-Reifen, schmal 20mm 622mm - - - 0,00477 0,00376
Profilreifen 37mm 622mm 0,00545 0,00404 - - -
Tour de Sol-Reifen 47mm 305mm 0,00669 0,00436 0,00378
Aufgaben
Aufgabe

Studiere obige Tabelle und formuliere sogenannte "Je-desto-Beziehungen" zwischen

  •  \(\mu_{\rm{RR}}\) und Druck \(p\) bei festem \(d\) und \(b\).
  •  \(\mu_{\rm{RR}}\) und Reifenbreite \(b\) bei festem \(d\) und \(p\).
  • \(\mu_{\rm{RR}}\) und Reifendurchmesser \(d\) bei festem \(p\) und \(b\).

Lösung

  • Bei ein und demselben Reifen gilt: Je größer der Reifendruck ist, desto kleiner ist der Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\).
  • Bei festem Reifendurchmesser und festem Reifendruck gilt: Je breiter der Reifen ist, desto kleiner ist der Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\).
  • Bei festem Reifendruck und vergleichbarer Reifenbreite gilt: Je größer der Reifendurchmesser ist, desto kleiner ist der Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\).

Erläutere physikalisch, warum in einigen Zellen der Tabelle nur Striche sind.

Lösung

Bei den sehr breiten Reifen (große Oberfläche) würden die Druckkräfte bei hohem Druck so groß, dass der Reifen platzen würde:\[p=\frac{F}{A}\Rightarrow F=p\cdot A\]
Bei den sehr schmalen Reifen bestünde bei niederem Reifendruck die Gefahr, dass man auf den Felgen fährt.

Eine Druckerhöhung bringt eine geringeren Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\). Erläutere, mit welchem Nachteil man sich diesen Vorteil erkauft.

Lösung

Die Fahrt ist nicht mehr so komfortabel, da der Reifen kaum noch nachgibt.

Fahrbahn beeinfluss den Rollreibungskoeffizienten

Der Rollreibungskoeffizient \(\mu_{\rm{RR}}\) hängt stark von der Bodenbeschaffenheit ab. Die obigen Werte für die Rollreibungskoeffizienten (die für glatte Fahrbahnen gelten) sind bei anderen Fahrbahnen mit folgenden Faktoren zu multiplizieren:

Bodenbeschaffenheit Faktor
Glatte Fahrbahn \(1{,}0\)
Kopfsteinpflaster \(1{,}5\)
fest gefahrener Sand \(4{,}0\)
 

Beispiel

Unser Musterradler Richard, der zusammen mit seinem Fahrrad eine Masse von \(m=90\,\rm{kg}\) hat, habe bei einem bestimmten Reifendruck, auf glatter, ebener Fahrbahn eine Rollreibungskoeffizient von \(\mu_{\rm{RR}}=0{,}0042\). Somit ist die Rollreibungskraft \[F_{\rm{RR}}=\mu_{\rm{RR}}\cdot m\cdot g\]\[\Rightarrow F_{\rm{RR}}=0{,}0042\cdot 90\,\rm{kg}\cdot 10\,\rm{\frac{m}{s^2}}=3{,}8\,\rm{N}\]

Reibungswiderstand

Die Reibungswiderstandskraft \(F_{\rm{R}}\) wird durch die Reibung in den Lagern und in der Kette verursacht. Im Vergleich zur Rollreibungskraft \(F_{\rm{RR}}\) spielt sie keine so große Rolle, da sie deutlich geringer ist. 

Bei unserem Musterradler Richard, dessen Masse mit Rad \(m = 90\,\rm{kg}\) ist, beträgt die Reibungswiderstandskraft \(F_{\rm{R}}\) nur rund \(F_{\rm{R}}=0{,}20\,\rm{N}\).

Radwiderstand

Die Radwiderstandskraft \(F_{\rm{Rad}}\) ist die Summe aus dem Reibungswiderstand \(F_{\rm{R}}\) und der Rollreibungskraft \(F_{\rm{RR}}\):\[F_{\rm{Rad}}=F_{\rm{R}}+F_{\rm{RR}}\]Unser Musterradler Richard, der zusammen mit seinem Fahrrad eine Masse von \(m=90\,\rm{kg}\) besitzt, hat also einen Radwiderstand von:\[F_{\rm{Rad}}=0{,}2\,\rm{N}+3{,}8\,\rm{N}=4{,}0\,\rm{N}\]

Luftwiderstand

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Abb. 3 cw-Werte verschiedener Radfahrertypen

Wie Du aus der Erfahrung sicher weißt, nimmt die Luftwiderstandskraft FL mit der Geschwindigkeit v zu. Wie groß sie ist, hängt aber auch davon ab, wie "windschlüpfrig" der Radfahrer samt Rad ist. Dies wird im sogenannten cw-Wert (reine Zahl) berücksichtigt. Außerdem spielt die Dichte \(\rho\) der Luft, die weg geschoben werden muss und die Stirnfläche \(A\) des Fahrers samt Rad eine Rolle.

Es gilt: \({F_L} = \frac{1}{2} \cdot {c_w} \cdot \rho \cdot A \cdot {v^2}\)

Einige Schüler werden die Herleitung dieser Formel nach dem Kapitel über die Energie verstehen können.
In der Folgenden Tabelle sind die cw-Werte und die Stirnflächen für verschiedene Fahrradtypen zusammengestellt.

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Abb. 4 Mit steigender Geschwindigkeit steigt auch der Luftwiderstand.

Die folgende Graphik zeigt recht eindrucksvoll, wie die Luftwiderstandskraft \(F_{\rm{L}}\) mit der Geschwindigkeit \(v\) zunimmt. In diese Zeichnung ist auch noch die Radwiderstandskraft unseres Musterradlers Richard von \(F_{\rm{Rad}}=4\,\rm{N}\) eingetragen.

Fährt unser Radler in der Ebene mit konstanter Geschwindigkeit (d.h. Beschleunigungswiderstand und Steigungswiderstand sind Null), so gilt:

\[\rm{Gesamtwiderstand = Radwiderstand + Luftwiderstand}\]

Die Abhängigkeit der Gesamtwiderstandskraft von der Geschwindigkeit ist rot markiert. Man sieht aus der Grafik, dass schon ab einer Geschwindigkeit von ca. 18 km/h der Luftwiderstand größer ist als der Radwiderstand.
Zu hohen Geschwindigkeiten hin - wie sie bei Radrennen gefahren werden - dominiert der Luftwiderstand. Es ist daher verständlich, dass die Fahrer versuchen im Windschatten der Konkurrenten zunächst Kraft zu sparen.

Aufgabe
Aufgabe

Ermittle mit Hilfe der Grafik, bei welcher Geschwindigkeit \(v\) der Luftwiderstand viermal so hoch ist wie der Radwiderstand, der bei unserem Musterradler Richard \(4{,}0\,\rm{N}\) beträgt.

Lösung

Der Luftwiderstand muss etwa \(F_{\rm{Luft}}\) muss etwa \(16\,\rm{N}\) betragen, damit er viemal so groß ist, wie der Radwidestand mit \(F_{\rm{R}}=4{,}0\,\rm{N}\). Dies ist bei ca. \(33\,\frac{{{\rm{km}}}}{{\rm{h}}}\) der Fall.