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Geschichte

ARCHIMEDES und die Krone

Josef Leisen hat für die Zeitschrift Unterricht Physik (Heft 87, Friedrich-Verlag) einen Dialog zwischen Archimedes und dem König Hiero II. von Syrakus erfunden, der schön die Idee von Archimedes deutlich macht und daher sehr lehrreich ist.

Heureka(1)! Archimedes in der Badewanne

(1) griechisch für: "Ich habe es gefunden !"

unbekannter Autor [Public domain], via Wikimedia Commons unbekannter Autor
Abb. 1 ARCHIMEDES (um 287 v. Chr. - 212 v. Chr.)

König Hiero: Mein lieber Archimedes. Nun herrsche ich schon seit fast 50 Jahren über unser schönes Sizilien. Erinnerst du dich noch an die Geschichte, als wir den Goldschmied erwischten? Na ja, das hat ihn sein Leben gekostet. Verdient, nicht wahr?

Archimedes: Ja, ja, ich erinnere mich genau, als wäre es gestern gewesen. Ihr hattet Euch eine neue Krone anfertigen lassen. Wie üblich bekam der Goldschmied das Stück Gold und lieferte eine fertige Krone ab. Eine schöne Krone, das muss ich schon zugeben. Aber man ist misstrauisch. Es ist ja bekannt, dass die Goldschmiede von dem Gold immer etwas stehlen und auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Aber der war besonders schlau. Die Goldkrone wog ganz genauso viel, wie Ihr ihm als Goldklumpen gabt. Das machte ihn sicher.

König Hiero: ... zu sicher, denn er hat nicht mit deiner List gerechnet. Ich gab dir damals den Auftrag, den Kerl zu überführen. Du hast nachgedacht und nachgedacht, nichts fiel dir ein. Du warst sehr verärgert. Und dann plötzlich, in der Badewanne fiel es dir ein. Fast nackt kamst du zum Palast gelaufen und riefst: Heureka, Heureka Die ganze Stadt lief zusammen, zu lustig. Ich denke so gerne daran, mein lieber Archimedes. Wie kamst du bloß auf diese Idee? Du hast es ja auch in deinem Buch über schwimmende Körper beschrieben, aber ich höre es lieber von dir selbst.

Archimedes: Das war so: Während ich in der Badewanne saß, stellte ich mir das Stück Seife immer wieder als Goldklumpen vor. Ich brach ein Stück davon ab. Ich dachte es mir als das, was der Goldschmied Euch stahl, Damit das Gewicht der Krone stimmte, musste er das abgebrochene Stück durch ein anderes Metall ersetzen.

König Hiero: ... ja, aber wieso sieht man das nicht?

Archimedes: Das ist leicht zu verstehen. Das Gold wird mit dem Metall eingeschmolzen, die beiden Metalle vermischen sich so, dass man das nicht sieht.

König Hiero: Und wie hast du ihm den Betrug nachgewiesen?

Archimedes: Ich habe mir den Goldklumpen durch das minderwertige Metall ersetzt vorgestellt. Aber das Gold ist das schwerste Metall, das wir kennen, das heißt: Gold hat bei gleichem Gewicht ein kleineres Volumen als jedes andere Metall. Also nimmt das Ersatzmetall ein größeres Volumen ein als das gestohlene Gold. Wenn ich nun beides unter Wasser tauche, dann ist das Ersatzmetall unter Wasser leichter als das Gold. Sie haben doch bestimmt schon mal beim Baden festgestellt, dass das Wasser beim Tragen hilft: die Beine und Arme sind unter Wasser leichter als in der Luft, die Seife und alles ist in Wasser leichter. Das Wasser hilft beim Tragen. Das nenne ich "Auftrieb": Je mehr Wasser von dem eingetauchten Gegenstand verdrängt wird, umso größer ist der Auftrieb, also die Hilfe des Wassers beim Tragen. Das ist ein Naturgesetz, und ich hab es in meinem Buch aufgeschrieben.

König Hiero: Ach so, ich verstehe. Das Ersatzmetall verdrängt mehr Wasser als der gestohlene Goldklumpen, weil Gold die größte Dichte hat.

Archimedes: Oh, Eure Majestät beherrschen die Fachausdrücke: Dichte. Gut, gut!

Joachim Herz Stiftung
Abb. 2 Der Goldklumpen und die Krone haben das gleiche Gewicht.
Joachim Herz Stiftung
Abb. 3 Im Wasser erfahren die beiden Körper einen unterschiedlichen Auftrieb. Sie sind also aus unterschiedlichen Materialien.

König Hiero: Ja, wenn man ständig mit dir zu tun hat, dann lernt man doch eine Menge. Aber lass mich verstehen, wie der Kerl erwischt wurde. Weil das Ersatzmetall mehr Wasser verdrängt als Gold, hat das Ersatzmetall einen größeren Auftrieb. Deshalb hat das Ersatzmetall unter Wasser ein kleineres Gewicht als der gestohlene Goldklumpen. Dann müsste also beides, an eine Balkenwaage gehalten, in der Luft gleich schwer sein und, wenn es in die Badewanne eingetaucht wird, musste sich die Waagschale mit der Krone heben. Genau das haben wir dann gemacht. Du erinnerst dich?

Archimedes: Sehr gut! Majestät hatten ihn in den Festsaal gebeten. Dort hattet Ihr eine große Badewanne mit Wasser aufstellen lassen. Auf der rechten Waagschale lag ein Goldklumpen. Er war genau so schwer wie der; den Ihr ihm damals gabt. Der Goldschmied kam herein. Ihr fragtet ihn, ob er alles Gold in der Krone verarbeitet habe. Er sagte: "Ja, Eure Majestät, wie könnte ich Euch betrügen. Ich schwöre es bei Zeus." Dann nahmt Ihr die Krone vom Kopf, legtet sie auf die linke Waagschale und diese kam ins Gleichgewicht. "Seht Ihr, Eure Majestät, der Beweis. Ich habe keine Schuld", rief der Goldschmied.

König Hiero: Und dann kamst du, senktest die Waage langsam in das Wasser, und sie kam aus dem Gleichgewicht. Das Gesicht des Goldschmieds werde ich nie vergessen. Er hatte es physikalisch nicht verstanden, aber er hatte verstanden, dass wir ihn überführt haben. Er kennt deine List, deinen genialen Verstand. Trotzdem kostete es ihn das Leben. Lange ist es her. Schöne Zeiten! Wir haben schwere Zeiten vor uns. Mich wird man vergessen, aber von dir wird man auch noch in 2000 Jahren reden, vom großen Archimedes von Syrakus.

Aber wie war es wirklich?

Im ersten Jahrhundert vor Christus, so erzählt der römische Architekt Vitruvius, entdeckte Archimedes einen Betrug bei der Herstellung einer goldenen Krone, die für Hiero II, den König von Syracus gedacht war. Die Krone (Lateinisch corona) hatte wohl die Form eines Kranzes. Hiero hat wohl solch einen Kranz auf die Statue eines Gottes oder einer Göttin gesetzt. In der Vermutung, dass der Goldschmied einen Teil des ihm gegebenen Goldes durch dieselbe Menge an Silber ersetzt hat, bat Hiero Archimedes zu prüfen, ob der Kranz aus purem Gold sei. Da der Kranz ein den Göttern geweihtes Heiligtum war, durfte er in keiner Weise beschädigt werden. (Modern ausgedrückt: Zerstörungsfreie Untersuchung). Die Lösung des Problems durch Archimedes, wie sie durch Vitruvius beschrieben wurde, ist in folgendem Text kurz zusammengefasst.

"Die Lösung fand er, als er ins Bad stieg und dies dabei überlief. Er nahm ein Goldstück, dessen Gewicht mit der Krone übereinstimmte und von dem er wusste, dass es aus reinem Gold war und legte es in eine bis zum Rand mit Wasser gefüllte Schüssel. Dann nahm er das Goldstück heraus und legte die Krone des Königs an dessen Stelle. Eine Legierung mit dem leichteren Silber würde das Volumen erhöhen und ein Überlaufen des Wassers aus der Schüssel bewirken."

Obwohl theoretisch richtig, wurde diese Methode aus verschiedenen Gründen kritisiert. Zuerst war es nach Vitruvius's Beschreibung das "Ergebnis eines genialen Geistes", während die beschriebene Methode viel leichter vorzustellen ist, als man dies bei den ausführlichen Beschreibungen des Archimedes gewohnt ist. Zweitens verwendet diese Methode nicht die von Archimedes gefundenen Gesetze des Auftriebs oder des Hebels. Drittens, und das ist wohl das entscheidende Argument, wäre die von Vitruvius beschriebene Methode auf Grund der Archimedes zur Verfügung stehenden Mittel viel zu ungenau für einen Archimedes, der für seine große Präzision bekannt war.

Der dritte Punkt bedarf der Erläuterung. Der größte goldene Kranz aus der Zeit des Archimedes ist der abgebildete Kranz von Vergina. Er hat einen größten Durchmesser von 18.5 Zentimeter und eine Masse von 714 Gramm, auch wenn einige seiner Blätter fehlen. Um uns das vorstellen zu können, nehmen wir an, der Kranz von Hiero wog 1000 Gramm und es wurde ein Wasserbehälter mit 20 Zentimeter Durchmesser verwendet. Die Öffnung des Behälters hatte eine Fläche von 314 cm². (Alle Berechnungen beruhen auf drei wichtigen Bedingungen.)

Da Gold eine Dichte von 19.3 g/m³ hat, hätten 1000 g Gold ein Volumen von 1000g : 19,3g/cm3 = 51,8 cm3;. Eine solche Menge Gold hätte den Wasserspiegel beim Eintauchen in den Behälter um 51,8 cm3 : 314cm2 = 0,165 cm gehoben.

Nehmen wir weiter an, der unehrliche Goldschmied hat 30% (300 g) des für die Krone vorgesehenen Goldes durch Silber ersetzt. Silber hat die Dichte von 10,6 g/cm³ und die Gold-Silber-Krone hätte dann ein Volumen von 700g : 19,3g/cm3 + 300g : 10,6g/cm3 = 64,6 cm3. Eine solche Krone hätte den Wasserspiegel an der Öffnung um 64,6cm3/314cm2 = 0,206 cm steigen lassen.

Die Differenz der durch die Krone bzw. den Goldklumpen bedingten Wasserstandsänderungen sind 0,206cm - 0,165 cm = 0,41 mm. Dies ist viel zu gering, um direkt abgelesen oder durch Überlaufen gemessen werden zu können, wenn man die Fehlerquellen bedenkt, die unter anderem durch die Oberflächenspannung des Wassers, durch Wassertropfen, die beim Herausnehmen am Goldklumpen hängen bleiben und durch Luftbläschen an dem fein gearbeiteten Goldkranz entstehen. Zusätzlich würde der Unterschied in der Wasserstandsänderung noch geringer als 0,41 mm, fall die Krone leichter als 1000 g, oder ihr Durchmesser größer als 30 cm oder der Silberanteil geringer als 30% wäre.

Eine besser vorstellbare und technisch einfach zu verwirklichende Methode ist die folgende, die die beiden Archimedeschen Gesetze vom Auftrieb und vom Hebel verwendet. Hänge den Kranz an das eine Ende einer Waage und bringe diese durch einen Goldklumpen gleicher Masse am anderen Ende der Waage ins Gleichgewicht. Tauche dann den daran hängenden Kranz und die Goldkrone in einen Wasserbehälter. Bleibt die Waage im Gleichgewicht, dann haben Kranz und Goldklumpen das gleiche Volumen und damit der Krabz dieselbe Dichte wie reines Gold. Sinkt aber die Waage in Richtung des Goldes, dann ist das Volumen des Kranzes größer als das von Gold und seine Dichte weniger als die von Gold. Es muss dann eine Legierung aus Gold und einem leichteren Material sein.

Um die Praktikabilität dieser Technik zu prüfen wollen wir erneut einen 1000 g Kranz annehmen der aus einer Legierung mit 70% Gold und 30% Silber besteht. Sie hat ein Volumen von 64,6 cm3, und verdrängt 64,6 g Wasser. (Wasser hat eine Dichte von 1,00 g/cm3.) Seine Masse von 1000 g wird im Wasser durch den Auftrieb von 64,6 g verringert, so dass die Waage mit 935,4 g belastet wird. Auf der anderen Seite haben 1000 g reines Gold ein Volumen von 51,8 cm3, und die Waage wird dadurch mit 1000g - 51,8 g, also 948,2 g belastet. Wenn also beide Enden der Waage ins Wasser tauchen, wird das eine Ende mit 935,4 g, das andere mit 948,2 g belastet und es besteht ein Unterschied von 12,8 g. Waagen aus der Zeit des Archimedes konnten solche Unterschiede gut feststellen. Außerdem spielen die Fehlerquellen der Vitruvius-Methode (Oberflächenspannung und anhängendes Wasser) bei dieser Waage-Methode keine Rolle.

Es ist anzumerken, dass die Waage-Methode auch dann funktioniert, wenn die Massen des Kranzes und des Goldstücks nicht gleich sind. Man muss nur die Abstände von Krone bzw. Goldklumpen vom Drehpunkt der Waage so ändern, dass diese im Gleichgewicht ist, bevor man die ins Wasser taucht.

Die zwei oben beschriebenen Methoden können wie folgt zusammengefasst werden: Unter unserer Annahme einer 1000g Krone, die aus 700 g Gold und 300 g Silber besteht, ergibt sich ein Volumenunterschied von 12,8 cm3 zu einem 1000 g Goldklumpen. Die Methode des Vitruvius versucht diesen Volumenunterschied durch das überlaufende Wasser zu erkennen. Dabei bilden 12,8 cm³ Wasser einen Würfel von 2,34 cm Kantenlänge und würden in dieser Form gut zu messen sein. Wenn aber diese 12,8 cm3 Wasser auf eine Oberfläche verteilt werden, die groß genug ist, um die Krone einzutauchen (In unserem Beispiele 314 cm2) bedeutet dies einen Höhenunterschied von nur 0,41 mm. Ein solcher Höhenunterschied ist zu gering, um durch direktes Beobachten oder durch Überlaufen genau festgestellt werden zu können. Die Waage-Methode übersetzt diesen Volumenunterschied von 12,8 cm3 genau in einen Belastungsunterschied der Waage von 12,8 g, der auch mit den antiken Waagen gut messbar war.

Aus dem Englischen übersetzt aus einer Seite der Drexel-Universität Philadelphia, USA.