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Grundwissen

Kernfusion

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Zwei leichte Atomkerne können zu einem größeren Kern fusioniert werden, insbesondere Deuterium und Tritium zu Helium.
  • Bei der Fusionsreaktion tritt ein Massendefekt auf: Die Gesamtmasse nach der Fusion sind kleiner als die Gesamtmasse vor der Fusion.
  • Mithilfe eines \(A\)-\(\frac{B}{A}\)-Diagramms kannst du grob abschätzen, wie viel Energie bei einer Kernfusion frei wird.
Aufgaben Aufgaben
Joachim Herz Stiftung / Ingolf Sauer
Abb. 1 Prinzip der Kernfusion am Beispiel der Fusion eines Deuterium- mit einem Tritium-Kerns.

Deuterium \({}_1^2{\rm{D}}\) (oder \({}_1^2{\rm{H}}\), Wasserstoffisotop mit einem Proton und einem Neutron im Kern) ist ein natürliches, stabiles Wasserstoffisotop, das in den Weltmeeren in großen Mengen vorkommt. Deuterium kann bspw. mit dem instabilen Wasserstoffisotop Tritium \({}_1^3{\rm{T}}\) (oder \({}_1^3{\rm{H}}\), Wasserstoffisotop mit einem Proton und zwei Neutronen im Kern) fusioniert werden (siehe Abb. 1). Dabei entsteht (vereinfacht) ein Heliumkern und ein Neutron. Die Reaktionsgleichung lautet dann\[{}_1^2{\rm{D}} + {}_1^3{\rm{T}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_0^1{\rm{n}}\]Bei dieser Kernfusion wird eine große Menge an Energie frei.

Hinweis: Tritium kommt zwar in der Natur nur in sehr kleinen Mengen vor, könnte aber in einem Fusionsreaktor durch die Reaktion \({}_0^1{\rm{n}} + {}_3^6{\rm{Li}} \to {}_2^4{\rm{He}} + {}_1^3{\rm{T}}\) "erbrütet" werden: Neutronen, die bei der Reaktion von Deuterium und Tritium entstehen, können - wenn sie auf Lithium treffen - Tritium erzeugen und somit den wichtigen Reaktionspartner für die effektivste Fusionsreaktion bereitstellen.

Massenverhältnisse bei der Kernfusion

Abb. 2 Massendefekt bei der Kernfusion am Beispiel der Ausgangs- und Reaktionsprodukte der Fusion eines Deuterium- und eines Tritium-Kernes.

Abb. 2 zeigt die "Massenverhältnisse" bei dieser Kernfusion von Deuterium und Tritium zu Helium und einem Neutron.

Die Summe der Massen der Reaktionsprodukte ist kleiner als die Summe der Massen der Ausgansprodukte. Dieser sog. Massendefekt ist dafür verantwortlich, dass bei der Kernfusion von Deuterium und Tritium Energie frei wird. 

Hinweis: Die Massenunterschiede bei einer Kernfusion sind natürlich nicht so hoch, dass man sie mit einer auch noch so empfindlichen Balkenwaage feststellen könnte. Moderne Massenspektrometer erlauben aber eine sehr genaue Massenbestimmung von Atomen und Atomkernen.

Bindungsenergie pro Nukleon

Abb. 3 Energiebilanz bei der Kernfusion am Beispiel der Fusion von zwei Protonen und zwei Neutronen zu einem Helium-Kern.

In Abb. 3 ist die Bindungsenergie pro Nukleon eines Atomkerns in Abhängigkeit von der Anzahl seiner Nukleonen, also seiner Massenzahl \(A\) dargestellt.

An dieser Darstellung kannst du direkt erkennen, dass die gezeigte Kernreaktion exotherm ist und damit Energie frei wird, da das Endprodukt der Reaktion \({}_2^4{\rm{He}}\) mit der Massenzahl \(A=4\) im \(A\)-\(\frac{B}{A}\)-Diagramm höher liegt als die Ausgangsprodukte (nicht eingezeichnet).

Abschätzung der frei werdenden Energie

Die Abschätzung wird in Abb. 3 vereinfachend für die Fusionsreaktion von zwei Neutronen und zwei Protonen zu einem Heliumkern dargestellt:
Die zwei Neutronen und zwei Protonen sind zunächst ungebunden. Im gebunden Zustand des Heliumkerns beträgt die Bindungsenergie jedes der vier Nukleonen etwa \(7\,\rm{MeV}\). Beim Zusammenbau wird also etwa eine Energie von\[4 \cdot 7\,\rm{MeV}=28\,\rm{MeV}\]frei.

Hinweis: Da die angegebene Energie von \(7\,{\rm{MeV}}\) nur ein Näherungswert ist, erhält man hier auch nur einen Näherungswert für die frei werdende Energie.

Exaktere Berechnung mit Hilfe der genauen Kernmassen

Mit Hilfe der bekannten und sehr genauen Kernmassen der Reaktionsteilnehmer lässt sich die frei werdende Energie allerdings exakt berechnen. Als Vereinfachung nehmen wir an, dass das die Ausgangsteilchen eine vernachlässigbare kinetische Energie besitzt. Außerdem ignorieren wir, dass die Reaktionsprodukte angeregt sind. Mit \({{m_{\rm{A}}}\left( {_1^3{\rm{H}}} \right) = 3{,}01604927{\rm{u}}}\), \({{m_{\rm{A}}}\left( {_1^2{\rm{H}}} \right) = 2{,}01410175{\rm{u}}}\), \({{m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right) = 4{,}00260324{\rm{u}}}\) und \({{m_{\rm{A}}}\left( {_0^1{\rm{n}}} \right) = 1{,}00866492{\rm{u}}}\) ergibt sich

\[\begin{aligned}
\Delta E &= \Delta m \cdot {c^2}\\ 
&= \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_1^3{\rm{H}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_1^2{\rm{H}}} \right) - \left( {{m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_0^1{\rm{n}}} \right)} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ 
&= \left[ {{m_{\rm{A}}}\left( {_1^3{\rm{H}}} \right) + {m_{\rm{A}}}\left( {_1^2{\rm{H}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_2^4{\rm{He}}} \right) - {m_{\rm{A}}}\left( {_0^1{\rm{n}}} \right)} \right] \cdot {c^2}\\ 
&= \left[ {3{,}01604927{\rm{u}} + 2{,}01410175{\rm{u}} - 4{,}00260324{\rm{u}} - 1{,}00866492{\rm{u}}} \right] \cdot {c^2}\\ 
&= 0{,}01888286 \cdot \rm{u} \cdot {c^2}\\ 
&= 0{,}01888286 \cdot 931{,}49\,{\rm{MeV}}\\ 
&= 17{,}6\,{\rm{MeV}}\end{aligned}\]

Die kinetische Energie der Reaktionsprodukte ist in der Realität größer als \(17{,}6\,{\rm{MeV}}\), denn damit die Fusionsreaktion überhaupt stattfindet, müssen die Ausgangsprodukte Tritium und Deuterium eine hohe kinetische Anfangsenergie besitzen. Nur so kann die Abstoßung der positiven Kerne überwunden werden. Diese kinetische Anfangsenergie müsste also noch zur Reaktionsenergie addiert werden, wollte man die kinetische Energie der Endprodukte wissen.